Der Bodensee im Herbst

Das "Schwäbische Meer" im schönsten Licht

von Jürgen Koller

Am Hafen von Meersburg - Foto © Margot Koller
Herbstzeit ist Reisezeit
 
Eine Stippvisite am Bodensee


Die schönste Jahreszeit am „Schwäbischen Meer“ ist der Frühherbst, wenn die Tage noch mild sind, die Sonne die Weinberge vergoldet und der Duft reifer Äpfel diesen begnadeten Landstrich mit einer fast schon mediterranen Aura versieht.
 
Deutschlands größter Binnensee, gespeist vom Rhein, ist mit seinen 536 km² Fläche und einer maximalen Wassertiefe von 254 Metern nicht nur unser wichtigstes Trinkwasser-Reservoir, von Bedeutung auch für die Anrainerstaaten Schweiz und Österreich, sondern eben auch ein touristisches Ziel für die nicht  ganz so von der lieblichen Sonne begünstigten Deutschen im Rest der Republik. Bedeutende Künstler und Schriftsteller wußten die Bodensee-Landschaft zu schätzen – zu vorderst wäre da der Schriftsteller Martin Walser zu nennen, der in Wasserburg geboren wurde und seit Jahrzehnten in Nussdorf bei Überlingen lebt und arbeitet. Neben diesem schwäbischen „Bodensee-Urgewächs“ wäre noch Hermann Hesse zu nennen, der von 1904 bis zum 1. Weltkrieg in Gaienhofen auf der Bodenseehalbinsel Höri lebte, und die beiden Maler Erich Heckel und Otto Dix, die in Memmenhofen ein spätes Zuhause fanden.

Von Vorteil ist, wenn man nur wenige Urlaubstage zur Verfügung hat, sich in dem alten,

Die Meersburg - Foto © Margot Koller
beschaulichen Städtchen Meersburg Quartier zu suchen. Von da aus ist es nicht weit bis Überlingen, und in der anderen Uferrichtung ist Friedrichshafen gleichfalls in kurzer Fahrzeit mit dem Auto zu erreichen; beide Strecken sind  aber auch für geübte Radler keine große Herausforderung und die ständige Nähe zum See entschädigt für die körperliche Anstrengung. Von Meersburg aus ist man in dreißig Minuten per Motorschiff der Weißen Flotte in Konstanz – Hin- und Rückfahrt kostet knapp 10 € pro Person, eine Überfahrt mit der Autofähre ist auch möglich.
Mit etwas Glück findet man in Meersburg ein Zimmer mit Balkon, etwa im Hotel „Seehof“, dann hat  man freien Blick auf den Hafen und auf die Oberstadt mit dem Staatsweingut und dem Droste-Hülshoff-Gymnasium. Aber Meersburg hat mehr zu bieten, als nur  „Schiffe  gucken“.
 
Namensgeber der kleinen, 5600 Einwohner zählenden Stadt ist das alte Schloß „Meersburg“, das über der Stadt thront. Übrigens die einzige Burg Deutschlands, die immer bewohnt war. Im 19.Jahrhundert verbrachte die im westfälischen Münster geborene Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848) ihre letzten Lebensjahre auf der Meersburg. Wenige Schritte von der Burg entfernt wurde von 1712 bis 1762 der wunderbare Barockbau des „Neuen Schlosses“ errichtet.

Meersburg, Blick vom neuen Schloß - Foto © Margot Koller
 
Von der Schloß-Terrasse aus hat man einen fantastischen Blick auf die Dächer der Unterstadt und den Bodensee bis hinüber zum Konstanzer Ufer. Das  Barock-Schloß beherbergt private Sammlungen, die den beiden Luftfahrt- und Flug-Pionieren Graf Zeppelin und Claude Dornier gewidmet sind. Auch eine ständige Sammlung mit Arbeiten von Künstlern aus dem Bodensee-Raum und Wechselausstellungen mit Werken internationaler Künstler werden gezeigt - bis November 2009 läuft noch die Schau MARILYN IN THE ARTS - die Monroe als Kult- und Kunstfigur.
 
Bei schönem Wetter ist die Straße zur Oberstadt ein reizvoller Anstieg. An der Uferpromenade mit ihren vielen Cafés, Kneipen und Restaurants findet sich mit etwas Geduld immer ein Platz, um mit Genuß gedünstete, gebratene oder gegrillte Felchen – die Fischdelikatesse aus dem Bodensee - zu essen und dazu noch ein oder mehrere „Viertele“ des süffigen Meersburger Müller-Thurgau zu trinken. Hat alles seinen Preis, direkt an der Uferpromenade zu sitzen, aber die abendliche

Abendstimmung - Foto © Margot Koller
Sonnenuntergangsstimmung gibt es  gratis dazu. Und ist Regenwetter angesagt, kann man sich in der 2003 eingeweihten „Meersburger Therme“ verlustieren, die sich unmittelbar am Seeufer befindet.
An der Spitze der Hafenmole ist seit 2007 eine interessante plastische Gestaltung zu sehen - die „Magische Säule“ des Bildhauers Peter Lenk. Die Säule ist dem Entdecker des Körpermagnetismus Franz Anton Mesmer und seinen Wiener Widersachern, die vom Künstler in einen Käfig gesperrt wurden, gewidmet – Mesmers Ideen aus dem 18.Jahrhundert gelten übrigens als Vorstufe der modernen Hypnoseforschung.
 
Nähert man sich mit dem Schiff der Stadt Konstanz (81.000 Einwohner), fällt das die Altstadt überragende Münster „Unserer lieben Frau“ schon von weitem ins Auge. Das erstmals 780 urkundlich erwähnte Münster gilt als die größte romanische Kirche Süd-Westdeutschlands. Die dreischiffige Säulenbasilika, im Jahre 1089  geweiht, ist ein absolutes touristisches „Muß“ für jede Besucherin, für jeden Besucher der Stadt. Das Münster ist nach der Reformation, als Konstanz für etliche Jahre zu Österreich gefallen war, wieder rekatholisiert worden. Konstanz  zeigt sich als  eine liebenswürdige Stadt der Jugend, als eine Stadt der Wissenschaft und als eine Stadt des Miteinanders von Einheimischen, Studenten, deutschen und schweizerischen Touristen – überall ist eine von jungen Leuten geprägte Offenheit und heitere Gelassenheit zu spüren. Die 1966 gegründete Universität hat 14.000 Studenten und gilt als „Exzellenzuniversität“ – es werden 40 verschiedene Fächer in Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften gelehrt. Auch die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung genießt einen vorzüglichen Ruf.

 
Blick auf Konstanz - Foto © Margot Koller
 
Aber nicht das Münster ist vom See aus der erste „Hingucker“, sondern die seit 1993 an der Hafeneinfahrt postierte, weit sichtbare Figur der „Imperia“, eine üppige, barbusige Kurtisane, mit beachtlichen weiblichen Reizen. Diese Kurtisane ist eine Reminiszenz an das von 1414 -1418 stattgefundene „Konzil von Konstanz“, das von Papst Johannes XXII. auf Betreiben von König Sigismund einberufen wurde. Es ging dabei um die Reinheit der katholischen Glaubenslehre. Bei dieser Gelegenheit wurde übrigens der böhmische Kirchenmann Jan Hus vor Ort wegen abtrünniger Reden in Haft genommen, um später dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Über 600 Kleriker, viele weltliche Fürsten und eine riesige
 
Konstanz, Imperia - © M. Koller
Anzahl Bediensteter beherrschten damals über vier Jahre das kleine Konstanz. Um die „weltlichen“ Bedürfnisse der Kleriker und anderen hohen Gäste zu  befriedigen, sollen seinerzeit bis zu 700 “offene“ Frauen, sprich Huren, in den Mauern von Konstanz ihrem Gewerbe nachgegangen sein. Die „Imperia“- Figur ist gleichfalls ein Werk von Peter Lenk.
 
Von etwas strengerem Charakter ist die Stadt Friedrichshafen mit ihren 60.000 Einwohnern. Das mag daran liegen, daß die Altstadt durch alliierte Luftangriffe zu 2/3 zerstört wurde und nach dem 2. Weltkrieg in „Schlicht-Architektur“ schnell wieder aufgebaut werden mußte. Mit Friedrichshafen verbinden sich zwei Begriffe: Zeppelin-Luftschiffe und Dornierflugzeuge. Der in Friedrichshafen geborene Ferdinand von Zeppelin war der Erfinder des Starr-Luftschiffs. Sein LZ 1 mit 128 Metern Länge startete im Jahre 1900 zu seiner Jungfern-Fahrt. Berühmt wurden die beiden Zeppeline LZ 127 „Graf Zeppelin“ und LZ 129 „Hindenburg“. Als die „Hindenburg“ am 6. Mai 1937 bei der Landung in Lakehurst bei New York explodierte, war die Zeit der mit Wasserstoff gefüllten Starrluftschiffe für immer vorbei. Im Zeppelin-Museum, das sich im Gebäude des ehemaligen Hafenbahnhofs befindet, sind viele Originalteile der Zeppelin-Luftschiffe zu sehen. Die Motoren für die Luftschiffe bauten einst die berühmten

Foto © Margot Koller
Friedrichshafner Maybach–Motorenwerke. Auch die Dornier-Flugzeugwerke sind untrennbar mit Friedrichshafen verbunden. Claude Dornier, der geniale Erfinder, baute in den zwanziger Jahren weltweit die erfolgreichsten Flugboote – erinnert sei an den legendären „Wal“ oder an die Do X mit ihren sechs Doppelmotoren und 12 Propellern. Im 2009 direkt am Friedrichshafner Flughafen eröffneten Dornier-Museum werden über 400 Exponate aus einhundert Jahren Luft -und Raumfahrtgeschichte gezeigt, darunter das Passagierflugzeug Do 27, einen Senkrechtstarter und Originalteile eines Spacelabs. Heute ist Friedrichshafen ein wichtiger Industrie- und Messe-Standort, aber auch ein bedeutendes Zentrum des Bodensee-Tourismus. Die fast zwei Kilometer lange Uferpromenade mit ihren gepflegten Parkanlagen lädt zum erholsamen Spaziergang, zum Verweilen am Wasser oder zum Besuch des Restaurants „Graf Zeppelin“ ein. Das Foto vom Jachthafen belegt: Friedrichshafen ist auch ein bedeutendes Segelrevier. Wenn im Herbst der Verkehr der „Weißen Flotte“ eingestellt wird, verkehren von Friedrichshafen aus  nur ganzjährig die Autofähre nach Romanshorn in der Schweiz und der Katamaran nach Konstanz.
 
Mit einem Besuch im wunderschönen Städtchen Überlingen lassen wir diese frühherbstliche Stipp-

Überlingen, St. Nikolaus - Foto © M. Koller
Visite am Bodensee enden. Das Leben fließt in der berühmten Kur-Stadt zwar etwas gemächlicher dahin, aber darin liegt eben auch der Reiz, ganz ohne Hektik auf der Uferpromenade zu bummeln, Cappuccino zu trinken oder der Städtischen Kunst-Galerie „Fauler Pelz“ einen Besuch abzustatten. Heute hat die Stadt 21.000 Einwohner; sie kann auf eine beachtliche Geschichte verweisen, war sie doch bis zum Jahre 1803 „Freie Reichsstadt“ - das Gemeinwesen Überlingen brauchte keine Steuern an den Landesfürsten zu zahlen, sondern war nur dem König Tribut schuldig.
Einen herausragenden Platz im Reigen sakraler Bauten am Bodensee nimmt das Überlinger Münster St. Nikolaus ein, das auch nach der Reformation katholisch blieb.
Das Münster ist eine Kirche der Hochgotik - es sind die maßvollen, schlanken Säulen und das  feine Rippenwerk der Kreuzgewölbe des abgebildeten Hauptschiffs zu beachten. Bemerkenswert sind die beiden Orgeln des Münsters – eine Barock-Orgel  und eine Orgel des 19., respektive des 20. Jahrhunderts. CDs bzw. Platten mit Einspielungen beider Orgeln sind im Pfarramt zu erwerben. Auch Überlingen besitzt ein Kunstwerk aus der Hand des Bildhauers Peter Lenk – den Figuren-Brunnen „Der Reiter über den Bodensee“. Der Künstler hat die Ballade „ Der Reiter und der Bodensee“ von Gustav Schwab (1792 – 1852) als Vorlage genutzt. Schwab beschrieb, wie ein Reiter bei klirrender Kälte über das schneebedeckte dünne Eis des Bodensees geritten ist, ohne es zu wissen. Als er erfährt, welcher Gefahr er sich ausgesetzt hatte, bricht er tot zusammen. Im plastischen Brunnenkunstwerk geben zwei Seejungfrauen mit ihren Fischleibern dem Reiter sicheres Geleit.

Überlingen, Der Ritt - Foto © Margot Koller
 
Touristik-Informationen:
Meersburg-Tourismus über Stadt Meersburg, 88709 Meersburg, 07532/ 440-0,  rathaus@meersburg.de
Im Internet: www.meersburg.de
Kur und Touristik GmbH, Landungsplatz 5, 88662 Überlingen am Bodensee, 07551/94715-22, touristik@überlingen.de
Im Internet: www.ueberlingen.de
 

Alle Fotos: © Margot Koller
Redaktion: Frank Becker