Mysterien in Graiguenamanagh

Ralf Isau - "Messias"

von Jürgen Kasten
Mysterien in Graiguenamanagh

 


Liebe Freunde der Musenblätter,
 
ich genieße gerade ein paar schöne Urlaubstage, sitze auf der Terrasse über dem Lago Maggiore und habe natürlich spannende Lektüre dabei. Zum Beispiel den neusten Roman von Ralf Isau. Mysterien-Thriller nennt man das wohl, was er in diesem Werk von 480 Seiten zu Papier brachte, und das der Piper-Verlag in seiner Fantasy-Reihe Ende August veröffentlichte.
 
Es ist wahrlich mysteriös, was da im historischen Städtchen Graiguenamanagh im Irland des 21. Jahrhunderts vonstatten geht. Kein geringerer als Jesus von Nazareth, der Heiland, stieg in der Kirche der ehemaligen Zisterzienserabtei vom Kreuz, um der Menschheit noch einmal Gottes Worte nahezubringen. Die Wundmale an Händen und Füßen ließen ihn viel Blut verlieren, sodaß er zunächst auf die Intensivstation des örtlichen Krankenhauses verbracht wird. Eine Verständigung mit ihm gestaltet sich schwierig, denn er spricht hebräisch. Er nennt sich Jeschua und beantwortet im übrigen Fragen nur mit wörtlichen Bibelzitaten.
Das Jüngste Gericht scheint angebrochen. Die himmlische Macht sendet weitere drastische Botschaften. Ein Kirchendieb wird von einem Blitz in zwei Teile zerlegt. Einem stadtbekannten Hurensohn ergeht es ebenso. Auf dem Friedhof der Abtei erscheint einer alten Frau ein düsterer Racheengel.
 
Brannock, ein der Kirche verbundener Medienmogul, sendet die Botschaften in alle Welt. Der Bischof selber verkaufte ihm die Exklusivrechte. Vom Volk wird dies alles begierig aufgesogen. Zu Abertausenden pilgern sie an den Ort des Geschehens, warten auf weitere Wunder, vor allem auf Jesus, der zu ihnen sprechen will.
Der Vatikan beobachtet das alles mit Mißtrauen. Er entsendet den päpstlichen Ehrenkaplan Hester McAteer. Der steht fest im Glauben der Kirche, vertritt aber die Meinung, daß Gott es nicht nötig hat, Gipsfiguren weinen zu lassen oder ähnliche obskure Wunder zu bewirken. Sicher sei nur, daß die Orte, in denen solche Wunder geschehen, dank der zahlreichen Pilger reich werden. Sein Urteil steht deshalb von vornherein fest: Alles fauler Zauber. Wunder gibt es nicht. Das ist seine tiefste Überzeugung, denn zu viele angebliche Wunder hat er schon untersucht und als Betrug entlarvt. Warum sollte es dieses mal anders sein?
 
Ja warum? McAteer wurde nicht nur nach Irland gesandt, weil er ein Experte in Sachen Wunder, sondern selber Ire ist und auch noch aus dem Ort stammt, in den er nach Jahrzehnten nun zum ersten Mal zurückkehrt. Seine eigene Vergangenheit holt ihn ein. Er trifft auf seinen über hundert Jahre alten Vater, der scheinbar Wunder bewirkt und deshalb verehrt wird, auf seine Tochter, die er seit deren Geburt nicht mehr sah und auf ihre Mutter, seine ehemalige Geliebte.
Mit Hilfe eines eloquenten Polizeichefs und modernster kriminalistischer Methoden versucht McAteer, die angeblichen Wunder als Verbrechen zu entlarven. Weitere Merkwürdigkeiten geschehen. Der Bischof und selbst konservative Kreise des Vatikan glauben inzwischen, daß tatsächlich Gott seinen Sohn erneut zur Erde sandte. Dessen wenige orakelhaften Sprüche gefallen der Kirchenleitung ganz und gar nicht. Jeschua mißfällt der Pomp und das Brimborium der Kirchenfürsten, und wie vor zweitausend Jahren beschuldigt er sie des Pharisäertums. Jeschua ist nicht willkommen und am liebsten würde man ihn wieder los werden. Doch wie? Ist er in Gefahr und wer ist er wirklich?
Ralf Isau  begab sich nach Graiguenamanagh, um dort den Mythen und Legenden nachzuspüren, woraus er sodann seinen kriminalistischen Thriller wob. Geschickt verknüpft er Kirchengeschichte und Legende mit einer Familiensaga, die sich um Hester McAteer und seinen steinalten Vater Seamus Whelan, dem „Moses von Graig“, rankt. Das ist flüssig, spannend und schlüssig erzählt. Der Leser kommt nicht umhin, kritisch die Dogmen der katholischen Kirche zu hinterfragen und sich ernsthafte Gedanken über all die bekannten und vom Vatikan anerkannten Wunder zu machen.
 
Dan Browns Bestseller, die ähnliche Themen behandeln, sind nicht besser, nur universeller. Von daher ist Ralf Isau ein wirklich großer Wurf gelungen. Was mich ein wenig stört, ist der „eingeflochtene Liebesreigen“. Das erscheint mir grenzwertig, wird allerdings vom Autor ernsthaft in das Thema über Sinn und Unsinn des Zölibats eingebettet. Aber vielleicht ist es gerade das, was diesem Roman eine große Leserschaft bescheren wird. Ich jedenfalls gönne es ihm, denn er ist es wert.

Ralf Isau - "
Messias"
© 2009 Piper Verlag GmbH, München
432 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-492-70142-6
€ 19,95 (D), € 20,60 (A), sFr 34,90 (CH)
 
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