Musikstunde

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Musikstundestunde

Eine Plauderei über den Freischütz
und Dr. Erika Fuchs


Wie oft, liebe Freunde meiner kleinen Plaudereien, ist der Freischütz schon totgesagt worden? Wir 68er damals haben ihn natürlich als die Spießeroper zu Grabe getragen wie Generationen Avantgardebeflissener vor uns; und nach uns wird’s ja wohl auch immer mal wieder so sein. Keine Oper gilt als deutscher als der Freischütz, also spiegelt sie auch wie keine Oper die jeweils vorherrschende Meinung zum Thema „Deutsch“ wider. Es ist aber auch ein bißchen schwer, die Oper einfach so genießen zu können, wenn da am laufenden Meter Flops vorkommen wie das, was Max zu singen hat:
 
„Ich bin vertraut mit jenem Grausen,
das Mitternacht im Walde webt,
wenn sturmbewegt die Eichen sausen,
der Häher krächzt, die Eule schwebt.“
 
Das ist doch eine Textpassage wie aus der Feder der verehrten Frau Dr. Erika Fuchs, Sie wissen schon: die wundervolle Wortgeberin von Donald, Tick, Trick und Track und überhaupt Entenhausens Sprachschöpferin! Und spätestens jetzt wissen wir, woher Wagner sein „Waldweben“ hat, wie man überhaupt den Freischütz mal unter dem Aspekt des Steinbruchs für Wagner genauer angucken sollte, um Wagner wieder etwas auf den Boden holen zu können.
 
Immer wieder aber überraschen einen manche Regisseure mit Interpretationen, die zeigen, wie lebendig der Freischütz ist, wenn man sich nur getraut, ihm mit Fön und Bürste in die Haare zu gehen. Robert Wilson hat das zum Beispiel geschafft, in Baden-Baden. Und er hat das – zumindest bei der Premiere – bewerkstelligt, quasi unter Einbeziehung des Publikums, nein, unter Einplanung des Publikums. Daß der Chor, ohnehin der deutsche Hit in dieser Oper, daß der Jägerchor also jeden Regisseur herausfordert, mit Ironie zu spielen ist seit Jahrzehnten klassischer Bestandteil der Freischütz-Inszenierungen. Wilson läßt das natürlich auch nicht aus und steigert die Ironie, indem er die Herren beim „Jo, ho! Tralalalalala...“ schuhplatteln läßt. Das verfehlt seine Wirkung nicht: wie geplant fangen die ersten Premierenbesucher an, rhythmisch mitzuklatschen. Da ist der Chor zu Ende, regungslos stehen die Sänger da oben, schauen starr ins Publikum – und fangen von vorne an. Und ab da ist des Klatschens kein Halten mehr. Ist das nicht wunderbar!  
Kompliment: das ist mal Regietheater, wie es sein soll, wenn Sie mich fragen, das ist zeitgemäß, was die Ironie angeht und das trifft’s auf den Punkt. So kann der Freischütz weitergehen und seine musikalische Wirkung entfalten, ohne daß man sich bei jedem Genuß fragen muß, ob man das darf oder ob man damit schon ein gehörnter deutscher Spießbürger ist. Danke, Mr. Wilson, Danke!

Und Ihnen, liebe Leser noch ein Zitat von Frau Dr. Fuchs mit auf den Weg in die noch frische Woche: „Hinaus in Feld und Flur! Hinauf auf Gipfel und Grat! Durch Hag und Heide, durch Moor, Modder und Morast!“ (Donald Duck)
 
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker