Shanghai

Chinas glitzerndste Metropole und gigantische Baustelle

von Andreas Rehnolt

Shanghai, Bund (wie er mal aussah) - Foto: Gebeco Länder erleben
Shanghai -
Das Paris des Ostens
 
Die 20-Millionen-Stadt
ist derzeit Chinas glitzerndste Metropole und zugleich
eine gigantische Baustelle
 

Shanghai. Wer in Zeiten der Schweinegrippe derzeit per Flugzeug in Shanghai ankommt, muß Geduld haben. Zwei jeweils drei Mann starke Mediziner-Teams mit Schutzanzügen prüfen jeden Passagier mit einer Art Laser-Pistole auf Anzeichen der gefährlichen Erkrankung. Manch einer muß zum Fiebermessen den Mund aufmachen. Wenn Fieber da ist, wird nicht nur der Betroffene in Quarantäne gebracht, sondern auch die Passagiere, die mit ihm in einer Reihe saßen sowie die, die vor ihm oder hinter ihm in der Maschine Platz genommen hatten. Das Procedere dauert und soll verhindern, daß Shanghai, das Paris des Ostens, ähnliches durchmachen müßte wie vor wenigen Jahren bei der Geflügelpest. Damals wurden die zahlreichen pittoresken Vogelmärkte dicht gemacht, unzählige Tiere wurden getötet und aus Angst vor Ansteckung blieben Touristen aus, so Reiseführer Zhu Jian Lin unmittelbar nach dem Verlassen des Flughafens.
 
Mit 431 km/h vom Flughafen nach Shanghai

Die "verlorene" Zeit holt man wieder auf, wenn man vom Flughafen Pudong aus den Schnellzug Transrapid - hier heißt er Maglev - nimmt. Seit 2004 gibt es die reguläre Schnell-Trasse für den Zug, dessen Höchstgeschwindigkeit für die 30 Kilometer lange Strecke bis zum Stadtrand von Shanghai 431 Stundenkilometer beträgt. Kaum ist man eingestiegen, steigt man schon wieder aus und die Fahrt kostet 50 Yuan (rund fünf Euro), bei Vorlage des Flugtickets gibt es sogar noch 20 Prozent Rabatt. Schon vom Zug aus sieht man Hochhäuser soweit das Auge reicht. Je näher man ins Zentrum kommt, desto stärker wird der Verkehr - Fahrräder sind inzwischen eher die Ausnahme - und umso höher werden die Gebäude. Den Fluss Huangpu, der Shanghai in zwei Hälften teilt, nennen die Chinesen liebevoll die "Mutter der Stadt".


Shanghai, Pudong - Foto: Gebeco Länder erleben
 
Man kann mit Fähren von einem Ufer ans andere übersetzen, nimmt die darunterher fahrende U-Bahn oder eine der insgesamt nur fünf Brücken über den braunen Fluß. Die schönste ist sicherlich die 1907 noch von den Engländern erbaute Eisenbogen-Brücke mit dem wohlklingenden Namen "Waibaidu Bridge", von der man einen faszinierenden Blick auf die beeindruckende Skyline der Pudong-Seite des Flusses hat. Der 465 Meter hohe Fernsehturm "Perle des Orients" mit kleinen "Hotelinseln" oder das 88-stöckige JinmaoDasha in Form einer stilisierten Pagode. Sicherlich das optisch und architektonisch schönste Gebäude, in dem ab dem 54. Stock bis ganz nach oben auch das traumhafte 5-Sterne-Hotel Grand Hyatt liegt, von dessen großzügigen Zimmern man eine atemberaubende Aussicht auf die Tag und Nacht wachsende Stadt genießen kann.
 
Nur noch Reste vom alten Charme

Bis zur Weltausstellung Expo, die im nächsten Jahr am 23. Juni startet, gleicht Shanghai einer einzigen Riesen-Baustelle. Überall werden alte Wohnviertel abgerissen, werden neue, breite Straßen gebaut, Wolkenkratzer in die Höhe gezogen. "Die Stadt ist international das Aushängeschild des modernen China", so Jennifer Sun vom Grand Hyatt. Wer es gern etwas kolonialistischer für die Nacht haben will, ist mit dem Astor-House-Hotel direkt an der "Waibaidu Bridge" gut aufgehoben. Natürlich ein altes, englisches Hotel. Hier haben schon der 18. US-Präsident Ulysses S. Grant, Albert Einstein und Charly Chaplin Einkehr gehalten. Ihre Bilder und Widmungen hängen im Foyer des 3-Sterne-Hotels und in der nostalgischen „Old Bund Bar“ kann man immer noch den Charme der alten Zeit spüren.

Shanghai, Nanjung Lu - Foto: Gebeco Länder erleben
 
Die rund 30.000 Shanghaier, die hier pro Quadratkilometer leben, scheinen sich vor allem in der quirligen Hauptgeschäftsstraße "Nanjung Lu" aufzuhalten. "Die Shopping-Meile wird auch die Straße der schwarzen Haare genannt, weil man meist außer den Haaren der Besucher von der eigentlichen Straßen nichts anderes sieht", weiß Reiseführer Zhu Jian Lin. Der Experte vom Shanghai-Travel-Center ist stolz auf die Entwicklung, die seine Stadt in den vergangenen 20 Jahren gemacht hat. Noch vor 20 Jahren war ein dunkelrotes Backstein-Gebäude an der Nanging Road mit 13 Stockwerken das höchste Haus in ganz China. Momentan baut man an einem Hotel, das über 120 Stockwerke haben wird und das dann das höchste der Welt sein wird.
 
Luxushotels und Fußmassagen

Etwas nervig in den Geschäftsstraßen sind die Menschen, die einem Uhren, Handys oder vermeintliche Edel-Garderobe verkaufen wollen. Kaum ein Schritt, ohne das man angesprochen wird. Wir gehen stattdessen in ein Fuß-Massage-Center. Sechs bequeme Liegen in einem Raum und sechs junge Frauen verwöhnen unsere Füße mit einem Kräuterbad und einer knapp 45-minütigen Massage, nach der man noch tagelang glaubt, über die Straßen schweben zu können. Zu schweben - wenngleich  von einem entschieden höheren Standort aus - glaubt man auch, wenn man im "Star-Café" des 5-Sterne-Hotels Hyatt on Bund steht und in der Nacht den unvergeßlichen Rundumblick auf das nächtliche Shanghai genießt.
 
Als Kontrastprogramm bietet sich ein Bummel durch die noch existierenden Viertel der Altstadt an. Kleine Häuschen, in denen es weder Toiletten noch fließendes Wasser gibt, in denen aber zwei, drei und mehr Familien wohnen. Gewaschen wird sich auf der Straße, die Toiletteneimer sind aus Holz und werden an bestimmten Sammelstellen des Viertels entleert. Nähmaschinen stehen auf den schmalen Gäßchen, über die die Menschen Wäscheleinen gespannt haben. Winzige kleine Läden, in denen Gemüse, Fisch und Obst verkauft wird. Kleine Straßenküchen, in denen Männer Schildkröten ausnehmen, lebende Frösche auf ihre Zubereitung warten und stark zerzauste Enten dichtgedrängt in einem Bambuskorb darauf warten, als Peking-Ente zu enden. "Ich habe hier seit meiner Kindheit gelebt, meine Frau und ich wollen nicht in ein anonymes Hochhaus ziehen, wo wir niemand kennen. Wir hoffen, hierbleiben können und daß nicht alles Alte zerstört wird", meint der 78-jährige Wang Hu, der in einem winzigen Hof die Rollschuhe seines Enkels repariert.
 

Shanghai, Yuyuan Garden - Foto: Gebeco Länder erleben
Mao, Ming und Yuyuan

Ein paar Straßenecken weiter ein, zwei Gassen mit Devotionalien aus der Zeit der Kultur-Revolution. Mao grüßt inmitten eines Heeres von Buddha-Figuren, die winzige rote Mao-Bibel gibts in Französich, Italienisch und Deutsch. Viel auf Alt getrimmtes gibt es da, aber auch ein paar wunderschön rostige, uralte, blecherne Tee-Dosen mit pausbackigen kleinen Chinesinnen und Mandelblüten-Bäumen. Nicht weit entfernt dann der Yuyuan-Garten, ein wahres Meisterwerk klassischer chinesischer Gartenbaukunst, der zwischen 1559 und 1577 in der Ming-Dynastie geschaffen wurde. Einige kleine und größere Pavillions, ein zerklüfteter Steingarten, in dem man angeblich eine Unzahl von Tiergesichtern erkennen kann, zwei gigantische Ginkgo-Bäume, verwunschene Mini-Seen mit schillernden Koi-Karpfen.
 
Der Garten gehörte einst einem hochgestellten chinesischen Beamten. Jetzt ist er ein Ruhepol in der Millionen-Metropole. Genauso wie die Zickzack-Brücke gegen böse Geister, die zum ältesten und schönsten Teehaus der Stadt führt, dem Wuxing-Teehaus inmitten eines großen grünen Lotusteichs mit Hunderten großer Blüten und einem immensen Fischbestand. Während es im Teehaus ruhig zugeht, herrscht rund um den Teich und auf der Zickzack-Brücke chinesischer Touristen-Trubel pur. Ein paar alte Männer und Frauen durchsuchen die Papierkörbe nach Glasflaschen, an einer Hausecke ein traditionelles Ein-Mann-Puppentheater, dessen Spieler mit kehliger Stimme um Zuschauer wirbt. Von hier aus ist es nicht weit bis ins ehemalige jüdische Viertel der Stadt.
 
Rettender Hafen für 30.000 Juden aus Deutschland

Dort erinnert in der Changyang Road im Hongkou-Distrikt ein in der früheren Synagoge

Shanghai, Zickzack-Brücke - Foto: Gebeco Länder erleben
eingerichtetes Flüchtlings-Museum an rund 30.000 Juden aus Deutschland und Österreich, die in der Zeit des Nationalsozialismus hier im fernen China eine neue vorübergehend Heimat fanden. China war damals das einzige Land, in dem jüdische Flüchtlinge kein Visum zur Einreise brauchten. Die Wohnhäuser stehen noch, an einigen Gebäuden kann man verblichene Schriftzeichen sehen, die in deutscher Sprache auf eine ehemalige Schneiderei, einen Bäcker oder einen Uhrmacher verweisen. Nach dem Krieg sind die Juden dann in die USA, nach Kanada oder Australien ausgewandert. Im nahen Hosan-Park erinnert ein Denkmal an die Juden von Shanghai und am Museum prangt eine Tafel des iraelischen Generalkonsulats. "Beschützten Juden in Zeiten der Not", steht darauf. "Das Museum wird sicherlich bestehen bleiben", glaubt der Mann an der Kasse. Aber ob die alten Wohngebäude des früheren jüdischen Viertels auch erhalten bleiben, kann er nicht sagen.
 
Wegen der unzähligen Baustellen und Bauarbeiten in der Stadt ist derzeit die Straße am Huangpu-Fluß mit ihren imposanten Bauwerken aus den 20er und 30er Jahren nicht wirklich zu besichtigen. Gewaltige Bretterzäune verstellen die Sicht, es ist schmutzig und laut und um zu einem der wenigen Ausflugsschiffe zu gelangen, muß man schon einen nicht geringen Umweg einplanen. Und auch der Bund, die Kilometer lange Prachtmeile Shanghais, entlang dem Flußufern ist nicht begehbar. Dort wird alles für die Expo verschönert. "Better City, Better Life", mit diesem Slogan werben die Verantwortlichen für die Weltausstellung um Verständnis bei Bewohnern und Besuchern für die Unannehmlichkeiten.
 
Jadebuddha-Tempel und Museum für antike Erotik

"Wer noch was vom alten Shanghai sehen will, sollte sich besser nicht mehr zu viel Zeit lassen für einen Besuch bei uns", meint Reiseführer Zhu. Dann sollten wir auch unbedingt den Jadebuddha-Tempel besuchen, in dem ein aus einem einzigen Stück weißer Jade geschnitzter 1,9 Meter hoher sitzender Buddha verehrt wird. Etwas weiter weg muß der, der das Museum für antike Erotik besuchen will. Das wurde von Shanghai nach Tong Li verlegt. Rund 1.600 Kult- und Kunstgegenstände zum Thema Erotik und Sex sind in einer historischen Residenz zu bewundern. Die ältesten Exponate sind rund 9.000 Jahre alt. Das etwa 1.000 Jahre alte Städtchen Tong Li zählt zu den wenigen Flecken in China, die von radikalen Erneuerungen einigermaßen verschont geblieben sind. Kanäle und kopfsteingepflasterte Gassen, Buckelbrücken und traditionelle Läden versetzen die Besucher in die Vergangenheit.
 
Die Reise wurde gesponsert vom Asien- und China-Spezialisten Gebeco-Reisen in Kiel. Der bietet eine 7-Tage-Städtereise nach Shanghai ab 888 Euro an. Internet: www.Gebeco.de
 
Der Flug mit Air-China von Frankfurt/Main nach Shanghai dauert 12 bis 13 Stunden. Die Tagestemperatur im September liegt bei 27, im Oktober bei 23 Grad.
 
Gute Informationen gibt es im neuen Reiseführer Shanghai von "Merian live"
 
Hotels:
www.astorhousehotel.com

Redaktion: Frank Becker