Captain Beefheart - "Under Review"

Don Van Vliet und die Geschichte seiner Band - kundig beleuchtet

von Eugen Egner
Captain Beefheart 
"Under Review"
DVD
 
Am Ende meiner bescheidenen Rezension der DVD „Frank Zappa And The Mothers Of Invention“ äußerte ich nichtsahnend den Wunsch, es möge doch eine eben so ansehnliche Dokumentation über Captain Beefheart und seine Magic Band geben. Eine kleine Recherche zum Thema hätte erbracht, daß das Gewünschte bereits seit Jahren existiert. Da ich aber nicht auf eine solche Idee gekommen war, beschämte mich der Chefredakteur des wohllöblichen Magazins, das Sie soeben besuchen, mit dem Hinweis darauf, daß im Jahre 2006 bei derselben Firma, die die Mothers-Dokumentation veröffentlicht hat, eine DVD mit dem Titel „Captain Beefheart – Under Review“ erschienen ist. Wenn diese nun auch nicht mehr ganz neu ist, verdient sie es doch, an dieser Stelle vorgestellt und empfohlen zu werden.
 
Von der (bewährten) Machart sehr ähnlich wie „Frank Zappa And The Mothers Of Invention“, gibt „Under Review“ eine ganz und gar nicht lieblos gemachte, chronologisch geordnete Darstellung der Beefheart-Historie von Anfang bis Ende, von Don Van Vliets Frühzeit bis zu seinem Rückzug aus der Musikwelt anno 1983. Es gibt sehr viel Originalmaterial  in Bild und Ton sowie Zeugenaussagen einer ganzen Reihe von Ex-Magic Band-Mitgliedern: John French, Mark Boston, Jeff Morris Tepper, Elliot und Ira Ingber, Jerry Handley, Doug Moon, Eric Drew Feldman und Gary Lucas. Bedauerlicherweise ist ausgerechnet Bill Harkleroad nicht dabei. Die Interviews mit den Musikern sind zum Teil recht ulkig in Szene gesetzt, ohne aber auf den in dieser Hinsicht empfindlichen Betrachter peinlich zu wirken. Man hat sich damit dem Geist Beefhearts durchaus ein wenig angenähert, und es schadet überhaupt nichts, daß etwa John French seine Beiträge in ein an einem Baum installiertes altes Telephon spricht. Gary Lucas wiederum sitzt mit Hut im Doppelbett, während die unstete Beleuchtung ein wenig an David Lynch gemahnt. Was die mittlerweile in Ehren ergrauten Herren an Informationen und Anekdoten äußern, ist durchweg interessant. Daß es nicht immer ganz einfach war mit Don, wird zwar gesagt, aber von ausdrücklicher Demütigung und Schinderei der Musiker ist keine Rede (von den Ex-Angestellten Mark Boston und Bill Harkleroad sind ja an anderer Stelle Klagen über seelische Mißhandlungen durch den Chef überliefert). Man erfährt einiges über die Arbeitsweise des äußerst kreativen Don Van Vliet, der sehr komplexe Kompositionen geschaffen hat, ohne ein Instrument außer der Mundharmonika zu beherrschen. Einer aus der Band (zuerst John French) hatte stets die wenig beneidenswerte Aufgabe, die so unorthodoxen wie strikten Vorstellungen des Meisters irgendwie zu notieren und der übrigen Belegschaft beizubringen. Die Methode war erfolgreich und zeitigte verblüffende Ergebnisse. Das vermeintlich krauseste, mutwilligste Zeug wie beispielsweise die Musik auf dem Meisterwerk „Trout Mask Replica“ war Ton für Ton und Takt für Takt präzise einstudiert, so daß die wie wüste Improvisationen klingenden Stücke jederzeit exakt gleich wiedergegeben werden konnten. Das ist für viele Menschen genau so unglaublich wie die Tatsache, daß Frank Zappa psychotropen Drogen gegenüber völlig intolerant war.
 
Insgesamt vermittelt „Under Review“ ein ziemlich objektives Beefheart-Bild. Ohne etwas zu beschönigen, wird auch die unrühmliche Periode der schweren Entgleisungen („Unconditionally Guaranteed“ und „Bluejeans And Moonbeams“) als eine solche dargestellt. Was allerdings angemerkt werden muß: außer in Konzertmitschnitten bzw. Videoclips wirkt die Person Don Van Vliet hier nicht mit. Es gibt keine Interviewszenen mit ihm, weder alte (die größtenteils unsäglich sind) noch neuere. Und das Geheimnis um seinen gegenwärtigen Zustand wird nicht gelüftet. Kein Hinweis darauf, ob er noch lebt bzw. welcherart die schwere Erkrankung ist, an der er angeblich seit Jahren leidet. Die Biographie endet 1983, als er nach dem Album „Icecream For Crows“ die Musik aufgegeben und sich ausschließlich als Bildender Künstler betätigt hat. Dieser leichte Informationsmangel tut dem Vergnügen jedoch keinen Abbruch. Apropos Vergnügen: Es kommen auch in „Under Review“ Musikjournalisten zu Wort, und wieder ist Alan Clayson mit von der Partie. Diesmal fällt es dem amüsierten Publikum aber wirklich schwer, NICHT zu glauben, daß da ein Komiker in der Rolle eines Londoner Rock-Spezialisten auf der Kanzel einer Kirche steht.

Captain Beefheart - "Under Review" - DVD 115 Minuten, Sprache: Englisch, Ausführliche Interviews, Bildergalerie, Insider Infos

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