Äthiopien (4)

Tagebuch einer Reise durch ein Land voller Geschichte und Gegensätze: Auf den Spuren des frühen Christentums

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper
Von Wukro durch die Adwa-Berge
nach Axam auf den Spuren
des Frühen Christentums und
der geheimnisvollen Bundeslade



Freitag, den 13.03.09
Die gut asphaltierte Nationalstraße 1 verlassen wir in Wukro, um in nordwestlicher Richtung nach weiteren 20 Kilometern Abreha Atsbeha zu erreichen. Die Fahrt führt durch abgezäuntes, buschbewachsenes Militärgelände. Später dann etwas Landwirtschaft, riesige Feigenbäume und bescheidene Grabungen für die Bewässerung der Felder. Bei unserem kurzen Fußmarsch bieten schnell herbeigelaufene Kinder kleine Versteinerungen, die sie gefunden haben, zum Kauf an. In Abreha Atsbeha sieht man am Hang, umgeben vom Friedhof, die Felskirche, die zur Hälfte aus dem Felsen hervor-, zur anderen Hälfte in den Felsen hineinragt. Sie ist benannt nach dem legendären Brüderpaar Abreha und

Die Straußeneier - Foto © Johannes Vesper
Atseba, die Anfang des 4. Jahrhunderts das Christentum in Äthiopien eingeführt haben. Um diese Zeit soll diese Kirche auch gegründet worden sein. Wahrscheinlich stammt aber der heutige Bau aus der Zeit nach dem 10. Jahrhundert. Über eine Treppenanlage mit Torbau erreicht man den Friedhof. Auf unseren mitgebrachten Kirchensocken gehen wir durch den von den Italienern 1928 angebauten Vorbau in die Kirche.
Die  Wandgemälde unter den Tonnengewölben auf kantigen Pfeilern zeigen uns die äthiopischen Heiligenszenen, z.B. St. Georg wie üblich mit Speer und den sitzenden Heiligen mit fleckigem Gesichtsexanthem, über dessen Kopf sich 2 Hunde zähnefletschend anstarren. Vielleicht ist das aber auch die Geschichte des  verlorenen Sohns, den bei seiner Heimkehr nur die Hunde erkennen. Die Gemälde dieser Kirche stammen aus der Zeit des Kaisers Johannes IV (1870-1889) und sind auf Tuch gemalt, welches dann auf die Wände aufgebracht wurde. Der konservatorische Zustand von Kirche und Gemälden ist beklagenswert. Vor der Kirche leibhaftige äthiopische Gesichter. Die Dachkreuze der Kirche tragen wie überall auf Nägeln vom Kreuze Jesu aufgesteckte  Straußeneier, welche die verborgenen Sünden symbolisieren sollen, also die Sünden, die dem Priester nicht gebeichtet worden sind. Der Besucher wundert sich, auf wie vielen  Kirchendächern in Äthiopien Straußeneier für nötig gehalten werden.   
 
Auf der Rückfahrt überholen wir eine Karawane von knapp 40 Kamelen.  Majestätisch schaukeln die hohen Tiere langsam Richtung Danakil-Wüste. Auch eines der Jahrtausende alten Bilder Äthiopiens.
 

Karawane - Foto © Johannes Vesper
 
Zurück in Wukro, Besuch der dortigen Felskirche des Heiligen Cherkos (Cyriakos), die ebenfalls halb aus dem Felsen herausschaut. Einige in den Bäumen hängende verrostete Geschützteile und Geschosshülsen dienen als Kirchenglocken.

Foto © Johannes Vesper
Nach einer Injera-und-Wot-Mahlzeit geht es weiter Richtung Norden. In Adigrat biegen wir nach Westen ab und fahren auf der Straße nach Axum parallel zur ca. 35 km entfernten eritreischen Grenze. Die Fertigstellung dieser Straße steht bevor. Der Aloka-Paß (3277 m über Meereshöhe) ist ein Projekt vergleichbar dem Großglockner-Paß. Man sieht viele fleißige Männer Steine hauen und schleppen. Beim Mauern der Straßenrandbefestigungen helfen auch Frauen. Baumaschinen sind eine Rarität.
Bald erscheinen in der Ferne die spitzen vulkanischen Kegelberge des Adwa Gebirges, benannt nach der Stadt Adua (Adwa), wo 1896 100.000 Äthiopier die italienischen Truppen (17.500 Mann) in die Flucht schlugen. Die Schlacht von Adua ist die zweite Schlacht in der Geschichte (nach Hannibal im 3. Jahrhundert vor Christus), bei der ein afrikanisches Heer gegen ein europäisches gesiegt hat. Sie wurde zu einem Symbol der erfolgreichen Selbstbehauptung Afrikas gegen Europas Kolonial-Mächte.
 
 Inmitten der Adwa-Berge zweigen wir ab zu dem Dorf Jeha, wo die Ruinen eines Tempels aus dem 5. Jahrhundert vor Christus hoch aufragen. Der Tempel war dem sabäischen Staatsgott geweiht wie auch der große Tempel von Marjab im Jemen. In der Fassade der benachbarten Kirche aus dem 19. Jahrhundert wurde ein antiker Fries stilisierter Steinböcke vermauert. Ähnliche Friese gibt es im

Das Adwa-Gebirge - Foto © Johannes Vesper
Jemen. So ist Jeha mit Steinbockfries und der malerischen Tempelruine aus großen Quadern inmitten eines Friedhofes sozusagen ein Monument für die uralten Beziehungen Äthiopiens zur arabischen Halbinsel.
 
Auf  der Rückfahrt zur Hauptstraße bekommen wir die Deutsche Welle in das Autoradio: Die Angestellten der Telekom bekommen ab sofort 3% mehr Lohn. Das sind die Nachrichten, die aus Deutschland in der Welt verbreitet werden. Wen interessiert das in der Welt? In der Stadt Adua wieder Staub, Baustelle und Chaos, da auch hier  Fernstraße und Kanalisation ausgebaut werden. Offensichtlich ist in Äthiopien nicht nur die Frischwasserversorgung problematisch, sondern vor allem auch das Entsorgen von Abwasser und Kloake. Erst jetzt wird überall mit dem Ausbau eines Abwasserkanalsystems begonnen.    
 
Samstag, den 14.03.09
Was Jerusalem für die die Juden und Rom für die Christenheit, bedeutet Axum für die äthiopischen Christen. Die Stadt Axum wird  erstmalig in einem griechischen Text des 1. Jahrhunderts n.Chr. erwähnt. Hier liegen die Wurzeln des christlichen Äthiopien. Hier wird die Bundeslade, das Zeichen der Verbindung zwischen Gott und dem auserwählten Volk Israel, aufbewahrt. Hier liegt diese flache Kiste mit den marmornem Gesetzestafeln, die Moses vom Berge Sinai mit herunterbrachte.
Nur der Wächter, der auf Lebenszeit bestimmt wird und den umfriedeten Bezirk um die Kirche Maria
Zion und den für die Bundeslade von Haile Selassie 1964 gebauten Neubau nicht verlassen darf, nur er darf den Tabot, also die besagte Holzkiste mit den Tafeln sehen. Seit dem legendären Raub der Bundeslade aus Jerusalem durch Menelik I, den Sohn von König Salomon und der Königin von Saba, die, von Salomon getäuscht, mit ihm die Nacht verbringen mußte, befindet sich der Tabot in Axum, wenn man von einigen Jahrhunderten absieht, während derer er aus Sicherheitsgründen in einem Inselkloster des Tana-Sees untergebracht war. Erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts befindet sich die Bundeslade wieder in Axum. Vom Raub der Bundeslade damals bei seinem Besuch des Vaters Salomon in Jerusalem hat  Menelik I. natürlich nichts gewußt. Geraubt wurde sie angeblich von seinen Mannen. 
 
Vom alten Axum ist nach den katastrophalen Zerstörungen im 10 Jahrhundert durch die Königin Judith und 1535 durch den Imam Ahmad Ibn Ibrahim al-Ghazi, genannt der Linkshänder („Grang“) wenig übrig geblieben. Bei den Kriegen des 16. Jahrhunderts handelt es sich um Auseinandersetzungen zwischen Islam und Christentum. Der Norden Äthiopiens sollte zum Islam bekehrt werden. Die alten Kirchen und die Stadt wurden zerstört. Nur wenige Reste lassen die einstige Bedeutung und Größe Axums erahnen. Auf einem großen Feld am Rande der jetzigen modernen Stadt stehen die Wahrzeichen der alten Kultur. Die Stelen, bis zu 33 m hoch, sind aus einem Stein gehauen und mit einem Dekor versehen, welches an Stockwerke erinnert, zu denen

Die Stelen von Axum -  Foto © Johannes Vesper
unten eine Tür führt. Gottseidank wurde die Stele Nr. 2, die 1937 von den italienischen Faschisten nach Rom transportiert worden war,  2002 zurückgebracht.
 
Diese Stelen markieren Gräber, die unterirdisch in unmittelbarer Nachbarschaft angelegt sind. Informativ ist das kleine Museum und interessant das nicht zerstörte Haus wohlhabender Axumiter aus der Zeit um 1900, in welchem uns eine Kaffee-Zeremonie erwartet. Während dieser Kaffee-Zeremonie berichtet der begleitende Arzt der Gruppe in einem kurzen Vortrag über die hier nicht seltene Augenkrankheit der Bevölkerung, über das Trachom.
 
Nördlich des Stelenparks befindet sich das sogenannte Bad der Königin von Saba, eine sehr große Zisterne, also ein eingezäunter riesiger Teich, der angeblich seit axumitischer Zeit erhalten ist. Noch heute holt man in gelben Wasserkanistern das  trübe Wasser nach Hause, und an den Felsen sieht man Treppenstufen, über die seit vielen Jahrhunderten das Wasser geschöpft worden ist.
 Weiter nördlich , vorbei an der Stele des Königs Ezana (ca. 325-355 n. Chr.), auf der die Kriege seines Reiches beschrieben sind, geht es zum Grabmahl des Kalebs und Gebre Masqual (axumitische Könige des 6. Jahrhundert n. Chr.). 40 m breit war die Fassade des Gebäudes. Treppen führen zu den Gräbern im Keller. Die Ausgrabungen in Axum wurden von der deutschen Axum-Expedition 1906 begonnen, die von Kaiser Wilhelm finanziert 3 Monate dort gearbeitet hat. Die axumitische Kultur, bzw. was davon heute noch übrig ist, scheint eine Gräberkultur gewesen zu sein. Die Grabkammer des Baze mit ihrem Gang ist in den Hügel hineingehauen. Der Gang mündet unter einem großen Feigenbaum, in dem die Vögel singen. In der Nachbarschaft gibt es weitere Gräber.

Hier liegt die Bundeslade - Foto © Johannes Vesper
Nachmittags sahen wir die neue Kathedrale, von Kaiser Haile Selassie 1965 gebaut, eine Mischung aus Kongreß- und Messehalle mit einer riesigen Kuppel.
Der Neubau für die Bundeslade aus den 60er Jahren ist kleiner und deswegen  besser zu ertragen. Von der großen, ersten axumitischen Kathedrale aus dem 4. Jahrhundert blieben nach den Kriegen mit dem „Linkshänder“ (s.o.) im 16. Jahrhundert nur Reste von Fundamenten übrig. Im 17. Jahrhundert wurde die jetzt vorhandene Kathedrale Maryam Sion unter Kaiser Fasilidas (1632-1667) im frühen Gondar-Stil mit einer dreibogigen Eingangsfassade neu gebaut und wahrscheinlich zu Beginn des 20. Jahrhundert stark verändert.
 
Auch die jetzt vorhandenen Gemälde in der Kirche stammen großteils aus  dem 20. Jahrhundert. Immerhin sieht man auf einem Gemälde dort Jared, den Begründer der äthiopischen Kirchenmusik, vor dem Kaiser tanzen, dessen Speer unbemerkt von den Beteiligten den Fuß Jareds durchbohrt. Welche schmerzstillende Faszination durch Kirchenmusik. Der heilige Bezirk mit seinem alten Bäumen um die Kirche herum ist von einer Mauer umgeben und bietet zusammen mit dem alten Torbau und seinen zwei historischen Kanonen ein malerisches Bild. Der sogenannte Palast der Königin von Saba westlich vor der Stadt wurde erst um 1965 ausgegraben und die Mauern großteils bis auf Mannshöhe ergänzt. Ein Modell dieses typischen axumitischen Palastes aus dem 7. Jahrhundert n. Chr. war schon im Nationalmuseum in Addis Abeba zu sehen.  Es handelt sich um eine rohe Architektur ohne dekorative Elemente. Das Judith-Steinenfeld gegenüber wurde benannt nach der sagenhaften Königin, die im 10. Jahrhundert Axum zerstört hat.
 

Ausgrabungsfeld des Palastes der Königin von Saba - Foto © Johannes Vesper

Etliche kleinere Stelen auf einem großen trocken Acker könnten auf Archäologen einladend wirken, weniger auf den Besucher, der nach einem langen heißen Tag  der schlecht funktionierenden Hoteldusche zustrebt. Nach dem Abendessen auf der Terrasse über der Stadt klagen einige Mitreisende beim Arzt der Gruppe über Kopf- und Bauchschmerzen sowie etwas Durchfall.   



Gehen Sie morgen mit unserem Autor auf den letzten Abschnitt seiner Reise durch Äthiopien
Redaktion: Frank Becker