Noch einmal ist der Sommer kräftig aufgeblüht, Balkon, Gartenlaube und Biergarten sind das Ziel der Alltags-Pilgerer. Sonnenschirm, Markise, Liegestuhl - und ein Buch. Was braucht der Mensch mehr? Vielleicht ein paar Tips. Die hat die Musenblätter-Redaktion auch heute für Sie.
Immer wieder gerne tauchen Leser in fremde Leben ein. (Auto-) Biographien, Briefwechsel, Erinnerungen, aber auch Romane, welche die Fiktion eines Lebens erzählen, ermöglichen je nach persönlichem Wunsch den Blick aus der Distanz oder das tiefe, intime Eindringen in ein fremdes Leben. Der Reiz ist beide Male gleichermaß groß. Heute stellen wir Ihnen ein wenig Prosa der jüngsten Zeit vor, die von Menschen erzählt.
Françoise Dorner haben wir vor zwei Jahren durch ihren wundervollen Roman
"Die letzte Liebe des Monsieur Armand", der ebenfalls bei Diogenes erschienen ist, ins Herz geschlossen. Nun hat sie,
wieder mit großem Herzen, erneut einen kleinen Roman über ein Schicksal etwas außerhalb der "Norm" geschrieben: "Die Frau in der hintersten Reihe". Mme. Nina führt einen Zeitungskiosk in Paris, ihre Ehe ist reizlos, beinahe abgestanden. Kein abenteuerliches Leben und nichts, das etwas daran ändern könne - bis sie den heimlichen Reiz entdeckt, den erotische Magazine wie der Playboy auf ihre Kunden ausüben. Wie es wohl wäre, wenn man selbst...? Mme. Nina beginnt ein Doppelleben, läßt sich verführen und verführt in aller erotischen Unschuld selbst - schließlich unerkannt in raffinierter Verkleidung von der letzten Reihe eines dunkel Kinos aus den eigenen Mann. Françoise Dorner erzählt die ein wenig traurige, wenn auch recht erregende erotische Geschichte aus der Warte Ninas, der frau von Herzen (von der Leserin ambivalent zu verstehen) ihre Ausflüge in die gelebte Lust gönnt. Daß das Ende nicht romantisch, sondern ernüchternd ist, paßt zum Leben. (sab)
Auch die Ich-Protagonistin von Amélie Nothombs autobiographischem Roman "Biographie des
Hungers" steht in ihrer eigenen Welt außerhalb der bürgerlichen Normen - aber geht das nicht allen Heranwachsenden so? Hier aber haben wir die Gelegenheit, einer außergewöhnlichen Kindheit zuzuschauen, bestimmt durch die diplomatische Reisetätigkeit des im Dienste der belgischen Regierung stehenden Vaters. In Kobe/Japan geboren und in China, Bangladesh, Burma, den USA und Belgien aufgewachsen hat Amélie Nothomb gelernt, mit fremden Kulturen umzugehen, Abschied zu nehmen, die Eindrücke fremder Welten aufzusaugen. Den Hunger in seiner ursprünglichen Bedeutung hat sie nicht erleben müssen, doch wird ein Hunger nach Menschen, Literaturen, nach Anerkennung, nach Süßigkeiten und dann nach Alkohol ihre ersten 20 Jahre begleiten. Davon erzählt Amélie Nothomb mit leisem Humor. (ros)
André Kubiczeks "Kopf unter Wasser" wird als Liebesroman apostrophiert, ist aber mehr. Es ist ein
Roman über das Scheitern auf allen nur möglichen Ebenen, ein Roman der Desillusionierung. Es ist auch ein Roman über einen ganz zeittypischen Vertreter der New Generation, Henry K. - ahnen wir da eine Verwandtschaft zu André K.? Denn Kubiczek beschreibt, was jungen Autoren geschieht, die vom Moloch des Verlagswesens und von der unzuverlässigen Liebe aufgefressen werden - und was solche Menschen tun, besser: nicht tun, um das auch noch herauszufordern. Also doch ein Stück weit ein Liebesroman. Aber auch Crime & Suspense. Was das trotz seiner fatalen Entwicklung und der nachgerade hassenswerten Gleichgültigkeit Henrys dennoch spannende und trotz gelegentlicher Worthülsen und Klischees insgesamt gut erzählte Buch aber gleichermaßen beeindruckend wie quälend beherrscht, ist seine unerhörte Leere. Da geschieht viel, mit dem Protagonisten, geschieht, was durch ihn geschieht, bzw. durch das was er meist nicht, mitunter aber dann überzogen tut und was nicht geschieht, weil er es im richtigen Moment unterläßt, die Entwicklung zu beeinflussen. Kann nicht gut ausgehen, tut es auch nicht. (ros)
Von ganz besonderen Aspekten des Lebens erzählen die gesammelten erotischen Geschichten der besten Pornographin seit Anaïs Nin: Sophie Andresky. Wo ein Charles Bukowski fies und brutal ist,