Plauderstunde

Über die deutsche und andere Sprachen

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über die deutsche und andere Sprachen

Ein paar Worte zur Sprache möchte ich doch mal sagen, weil es mich langsam wirklich nervt, dieses konservative Geblöke, Gemecker und Getue, daß nunmehr alles, aber auch wirklich alles den Bach runterginge - weil das nämlich alles Blödsinn ist. Und die Franzosen mit ihrer academie, von der viele Deutsche denken „Ach hätten wir doch auch so was, dann behielte unsere schöne deutsche Sprache ihre Reinheit und ihre Vielfalt“, die Franzosen also sind da auch nicht besser dran, weil sich keiner um die Verlautbarungen der Academie schert. Auch die Elsässer nicht!

Vorurteil Nr. 1: wir haben den ärmsten, schlechtesten Wortschatz aller Zeiten. Quatsch, kann ich da nur sagen und einige Forscher haben es ausgezählt: Goethes Wortschatz war kleiner als der eines durchschnittlich sprachbegabten deutschen Akademikers. Erstaunlich, was er daraus alles hat machen können, oder?
Vorurteil Nr. 2.: wir lesen weniger denn je. Quatsch, tatsächlich lesen wir Deutsche mehr denn je zuvor. Siehe Bücher-Verkaufszahlen (und das kann mir doch keiner erzählen, daß die Deutschen nur Bücher kaufen um die Autos, die sie tieferlegen wollen, darauf aufzubocken, oder?!), siehe Medien-Vielfalt (ich meine jetzt gedruckte Medien), siehe Laptop. Überlegen Sie doch bitte nur, wie viel der durchschnittliche Computer-Nutzer pro Tag auf seinem Bildschirm liest (jetzt hätte ich beinahe „screen“ gesagt und damit wären wir beim
Vorurteil Nr 3: die deutsche Sprache wird immer mehr von Anglizismen überwuchert und verdrängt. Auch falsch, denn: es war immer schon so. Jede Sprache ist ein lebendiger Organismus, der auf die Welt, in der er lebt, reagiert. Als die Römer mächtig waren, hat ihre Sprache überall Einzug gehalten auch in die Vorstufen unserer Sprache. Und so wird es mit den Chinesen wohl auch bald mal sein. Mappe oder Mantel wären da zwei lateinische Beispiele. Oder natürlich der berühmte Kaiser, der vom Caesar kömmt, oder die poena, die zur Pein wurde, die Pforte und der Keller. Und wenn der Kaiser die Kellerpforte nicht findet, ist das schon eine peinliche Angelegenheit. Und Mozart hat es auch konveniert, mit dem Bäsle zu keressieren, um mal in die Welt der Französismen einzutauchen, die damals nicht als genant empfunden wurde, geschweige denn als degoutant!

Oder hätten Sie’s lieber arabisch? Das muß jetzt nicht der Talisman sein, dem man die arabische Herkunft anhört, es reicht vielleicht die Sultanine, die ja noch niedlich klingt, oder das Sofa, auf dem die kleine Sultanin sicher gerne liegt, vielleicht trinkt sie da gerne einen Sirup, ißt ein Sorbet oder ißt ein bißchen Spinat. Wenn der Kleine dann noch Sheriff spielt (auch aus dem arabischen!) und eine Razzia veranstaltet und dabei eine martialische Mütze aufhat, dann haben wir arabisch pur in unserem so deutsch klingenden Mund.
Nee, nee, Herrschaften, das was uns stört ist nicht das, woran wir gewöhnt sind, das was uns stört ist das neue. Am Wort Sport stört keinen, daß es ein Anglizismus ist, aber bei public viewing, location oder event stöhnen wir vom Sprachzerfall. Ich möchte zu diesem Thema nur sagen: habt ruhig mehr Vertrauen in die deutsche Sprache, die packt das schon. Und wenn man selbst ein bißchen die Augen aufhält und vielleicht nicht gerade jeden Modetrend mitkaut sondern ein bißchen gechillt das Thema angroovt und die Jugend nicht anstresst sondern hugt (umarmt), dann wird alles gut, echt, ey, ch-schwöre! Und in 20 Jahren reden wir eh alle Chinesisch. Seien Sie die Ersten: Machen Sie Urlaub in Bejing oder Kanton! Nehmen Sie aber die Sauerstoffmasken mit, klimatisch gesehen gehören die chinesischen Großstädte zu den Smog-Achttausendern! Messner hilf!

Schönen Sommer auch!
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker