Sonntagmorgen XII

von Karl Otto Mühl

Foto © Frank Becker
Sonntagmorgen XII
 

An diesem Sonntagmorgen war ich besonders früh draußen. Der Parcours fiel leicht in der heiteren Morgensonne, ich ging schonend mit mir um, die rennenden Mädchen mit dem Knopf im Ohr grüßten besonders freundlich, wahrscheinlich hielten sie alte Männer für ungefährlich. Wenn die wüßten!
 
Die Aluminiumsessel stehen vor der Bäckerei, die Bäckerin steht abwartend hinter der Glastheke, eine stiller, älterer Mann hat den riesigen Dreieckstisch in der Ecke besetzt. Es scheint viele ältere, alleinstehende Männer in dieser Siedlung zu geben.
 
Manchmal während der Woche kommt ein voluminöser, laut brüllender alter Mann herein, ein richtiger „Schaut her, ich bin´s“. 
Da gelang mit ein Kunststück: Ich fragte ihn, wie es ihm ginge. Und ob zu Hause alles in Ordnung sei. Das machte ihn fassungslos , ich war aber auch erstaunt. Freiwillig erzählte er mir von Scheidung, Herzoperation, regelmäßiger Tennisplatzpflege, Lebensgefährtin, die er morgens zur Arbeit fährt, ein ganzes Lebensprogramm.
 
Es gibt sogar eine regionale Feiertagszeitung. Damit setze ich mich draußen in die Sonne. Bald nähert sich ein schlanker, langer, schnurrbärtige Mann mit zwei zottigen, schwarzen Hunden, um Brötchen zu holen. Ich muß es wissen, ich frage ihn, was das für Hunde sind, die da hinter ihm hertrotten.
„Bouviers“. Nie gehört.
„Aber doch sehr gelehrig. Ist doch erstaunlich, wie die auf Sie reagieren.“ Die Hunde lassen sich nämlich sofort auf seinen leisen Hinweis nieder.
Alle Hunde seien gelehrig, wenn man ihnen ihre rassische Eigenart lasse. Es komme auf Herrchen und Frauchen an.
„Wieso das?“
Nun, wie die miteinander umgingen.
So etwas hätte ich noch nie gehört, sage ich.
Doch! Wenn die aufeinander hörten, hörten auch die Hunde auf sie. Vielleicht sei es kein allgemeingültiger Grundsatz, aber bei ihm und seinen Hunden Stimme er. Auch sei er selbst leicht zu dressieren.
 
Ich lasse es dabei, äußere aber den Bouviers gegenüber meine Hochachtung. Sie hören mir aufmerksam zu.



© Karl Otto Mühl - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker