Der Warteraum

von Friederike Zelesko

Foto © Frank Becker
Der Warteraum
 

Der Warteraum des Bahnhofes hat eine Eingangstür und eine Ausgangstür. Eingang und Ausgang richten sich immer nach Ankunft und Abfahrt der Züge. Je nachdem wechseln die Türen ihre Bereitschaft, öffnen oder schließen. Es ist kein Platz da für einen, der nach einem Halt sucht. Wenn ich abfahre, gehe ich hinein, wenn ich ankomme gehe ich hinaus. Der Warteraum ist kein Zuhause. Er ist der Vorort eines Wunsches. Mit dem großen Bild, das im Warteraum hängt, ist das anders. Die mit Ölfarbe gemalte Ansicht auf einen herbstlichen Park, gelb und warm, ist beständig. Niemand fragt, wieso ausgerechnet dieses Bild im Warteraum hängt. Ich schaue es an und weiß, daß es immer da ist, wenn ich ankomme. Das Bild ist ein Zuhause. Es ist der Ort eines Wunsches. So ist es richtig, daß die große, warme, gemalte Ansicht des Parks im Warteraum hängt und nicht in einem Museum. So ist es auch richtig, daß gegenüber diesem Bild die Fahrpläne aushängen, die ihre Gültigkeit immer wieder verlieren.


© Friedrike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009