Plauderstunde

Ein Fiaker-Klagelied

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Plauderstunde

...über Fiakerpferde und Wiener Magistratsbeschlüsse


Guten Tag, liebe Musenblätter-Leser, geschätzte Freunde meiner kleinen Plaudereien!
 

Heute möchte ich Ihnen erzählen, was sich vor beinahe zwei Jahren in Wien zugetragen hat, Sie wissen es ja vielleicht noch nicht, sollten das Ungeheuerliche aber unbedingt erfahren, ein Sakrileg, wohlgemerkt! Mit Stirnrunzeln und Befremdung war nämlich zu vermerken, daß der Magistrat der Stadt Wien besagtes Ungeheuerliche getan hat: er verordnete den Wiener Fiakerpferden probeweise Gummi - Nein, nicht was sie jetzt möglicherweise denken, Pferde brauchen doch keinen safen Sex, gegen Rossigkeit hilft kein Schutz und wenn sie schnaubt: „Mach mir den Hengst!“, dann ist sowieso alle Vorsicht gelaufen, nein. Es ist viel schlimmer: die Wiener Fiakerpferde – ein Heiligtum übrigens für jedes echte Weanerherz – sollen Gummihufe tragen müssen. Gummihufe. Abgesehen davon, daß ich gar nicht wußte, daß es so etwas Perverses überhaupt gibt – Jimmy das Gummipferd war ja nicht real existent, es war eine Comic-Figur - erfunden von Roland Kohlsaat (1913-1978) in der Kinderbeilage „Das Sternchen“ der Urzeiten des Stern, die Gaucho Julio von Abenteuer zu Abenteuer trug. Seit der Ausstellung 2003 in Hannover und Altona gibt es die Geschichten übrigens wieder zu kaufen, sag ich mal als Service-Leistung unserer Plauderstunde – abgesehen davon also ist das der Gipfel! Man wolle damit die Schäden auf den Straßen reduzieren, denn die Hufeisen zerstörten angeblich das klassische Wiener Pflaster mehr als Autos und LKWs zusammen. Von den Steirer-Buam in ihren genagelten Schuhen sprich keiner. Und von den Piefkinesinnen mit ihren Pfennig-Absätzen auch nicht. Gut, die sollen ja auch nicht laufen, die sollen in den Kutschen sitzen und sich von den Fiakern Wien erklären lassen. Gummihufe! Zum Glück haben die Kutscher sofort reagiert: Gummihufeisen belasten die Gelenke der Pferde in erheblichem Maße mehr als die klassischen Eisenbeschläge, was den Tieren nicht zuzumuten sei. Davon, daß diese Bungee-Beschläge den ganzen Tourismus in Wien durcheinander gebracht haben, schreibt allerdings keiner: die Wiener Spitäler sind voll mit Chinesen, Japanern, Amis und überhaupt: Fremden mit Hinterkopfverletzungen: von der Beule bis zu schwersten Schädeltrauma. Warum? Weil die alle versucht haben, die Fiakerpferde zu fotografieren, was schwer ist, wenn die alle naslang von ihren Gummihufen in die Luft geschleudert werden. Ein Bild des Grauens, sage ich Ihnen, ein Bild des Grauens!
 
... Hier müßte jetzt einfach das „Wiener Fiakerlied“ (I führ zwaa harbe Rapp’n, mei Zeug des steht am Grab’n“ ertönen, zum Beispiel in einer kitschige Variante (Paul Hörbiger vielleicht, oder gar Hans Moser himself oder noch herber: einer wie Gunther Emmerlich oder mein absolutes Hassobjekt Günter Wewel...?!!!!!). Wir probieren es mal - und finden eine herrliche Schellack-Schrammel-Fassung mit Richard Fritz Wolf hier!

So, geschafft! Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, heute wird es ja wieder sonnig, hat der Wetterbericht versprochen. Und falls Sie im Rheinland leben wie ich, haben Sie bitte ein wenig Pietät, wenn Sie zum Mittagessen einen Sauerbraten bestellen - Sie wissen schon weshalb...

Ihr Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker