Villon - Das Große Testament (10)

Eine Ballade zur Abrechnung mit all seinen Verleumdern

von Ernst Stankovski
François Villon
Das Große Testament

Übertragen von Ernst Stankovski


Ballade
über die Verleumder

Erst mach' man stinkend faules Wasser heiß,
verkoche darin einen halb verwesten Köter
mit Pisse, Krüppelkrätze, Nuttenschweiß,
gelöschtem Kalk, Arsenik und Salpeter.
Zwei Prisen gelben Schwefels rührt man später
hinein, damit die Brühe kräftig mieft,
ein Fötzchen, das von frischem Tripper trieft,
recht fein gehackt, mit Fuchs und Dachsengalle.
Und wenn dann dieser Sud schön sämig sieft,
leg' man hinein meine Verleumder alle.
 
Den Ausfluß einer geilen kranken Geiß
rühr' man hinzu und dampfend etwas später
zwei volle Kübel siedend heißen Blei's.
Hernach, mit fetten Maden übersäter,
von Grind und Schimmel würzig aufgeblähter,
Latrinenkot vom nächsten Armenstift.
Der werde kalt und gut verrührt hineingehievt
durchs off'ne Spundloch einer alten Schnalle.
Und wo sich Ekel, Dreck und Scheiße trifft
leg' man hinein meine Verleumder alle.
 
Die schöne Farb' erst bringt der Speis' den Preis,
ein Maler sei der Koch drum, ein Poet er
und färb' die Suppe gelblich, grün und weiß
mit Rotz und Schleim und Spucke. Oder röter
mit faulem Weiberblute, das diskreter­
weise er nur bei einer Nonne trifft,
wenn sie frühmorgens in die Tonne schifft.
Mit feingerieb'ner Brut der grauen Qualle
salzt man den Sud. Und in den Topf voll Gift
leg' man hinein meine Verleumder alle.
 
Envoi
Die faule Soße, Prince, wird durch's Geviert
einer verschiß'nen Hose durchpassiert,
mit Saudreck abgeschmeckt vom Schweinestalle,
und hat man's brodelnd, dampfend, umgerührt,
siede man drin meine Verleumder alle!

...und widmet diese hiermit  Andry Courault:

132  Andry Courault, des Königs Rat, / der lyrisch lobt das karge Leben
(weil er 'ne dicke Pfründe hat, / womit sich's leichter lobet eben),
sei dies Gedicht anheim gegeben, /
genannt ENTGEGNUNG AN GONTIER,
in dessen »Einfachheits-Bestreben« / ich ein dicke Lüge seh'.
 
133  Gontier ist arm, kann sich nicht wehren / wie ich, von Dienern keine Spur.
Trotzdem muß sein Idyll ich stören, / lebt's auch im Hirn der Dichter nur.
Sie rühmen mit Gontiers Figur / die Armut als so schön und gut ­
wer karg lebt, lebe glücklich nur. / Wohlan Gontier - auf zum Disput!


Wer den Original-Ton hören möchte, kann das mit der CD zum Programm: www.kip-media.de
Informationen über Werk und Wirken Ernst Stankovskis unter: www.ernst-stankovski.com und www.musenblaetter.de

Lesen Sie am kommenden Mittwoch weiter:
"Das Große Testament" des François Villon.
Redaktion: Frank Becker