Vom Stadttheater Barmen zum Opernhaus Wuppertal - Ein Theater feiert sich

Michael Okroy - "...damit die Träume atmen können"

von Frank Becker
Schmökerstoff

Da behaupte noch einmal jemand, es lohne sich nicht, den Staub von Archivbeständen zu wischen, Chroniken seien wenig unterhaltsam,
Auftragsarbeiten zumal entbehrten den Reiz der Originalität. Der jüngst vom Wuppertaler Born Verlag im Auftrag der Wuppertaler Bühnen verlegte prächtige Band über die Geschichte des Opernhauses der Bergischen Metropole widerlegt all diese vorschnellen Schlüsse. Anlaß ist die Wiedereröffnung des mit großem Aufwand, in langen Jahren und mit begrenztem Erfolg renovierten Operhauses im Ortsteil Barmen, das vor 1929 das Stadttheater der Stadt Barmen war und nach der Reißbrett-Zusammenlegung mit der Stadt Elberfeld zur bis heute ungeliebten Stadt Wuppertal deren Opernhaus wurde.

Der Autor ist Michael Okroy, ein Geschichtsforscher mit durch frühere Publikationen belegter solider Kenntnis der Wuppertaler Verhältnisse, der sich nach der überwiegenden Beschäftigung mit den Folgen des NS-Systems hier erfolgreich auf einen ganz neuen Sektor begibt - die Dokumentation der spannenden Geschichte eines Musentempels, der als solcher schon durch die Gestaltung des Titels hervorgehoben wird: Schaut her, tretet ein, habt Ehrfurcht, hier wird der Kunst gehuldigt! Wie wechselvoll das in den 130 Jahren des Gebäudes geschah, belegen die von Michael Okroy auch im dekorativen Detail mit Programmzetteln, Spielplänen, Plakaten u.ä. angereicherten Berichte von Zeitzeugen, Dokumente, Fotografien aus Stadt- und Theatergeschichte. Das ist Schmökerstoff, der den Leser nicht mehr losläßt. Von den Gründungstagen 1874 bis zur Wiedereröffnung in diesem Jahr spannt sich ein ereignisreicher Bogen, der mit geschichtsträchtigen Namen wie u.a. Friedrich Engels, Abraham Küpper, Emil Rittershaus, Paul Hindemith, Max Ophüls, Eugen Rappaport, Grischa Barfuss, Kurt Horres, Arno Wüstenhöfer, Hanna Jordan, Siegfried Palm, Pina Bausch, Jan Minarik, Peter Hofman, Holk Freytag, Hanns-Martin Schneidt verbunden ist.

Okroy verknüpft im Plauderton griffig Fakten, Namen und Zeitgeschichte, die begleitenden ca. 400 Illustrationen lassen so unterhaltsam wie informativ das Bild eines immer wieder als Phoenix aus Krisen und Zerstörung aufgestiegenen Theaters entstehen. Politische Verhältnisse hinterließen ihre Spuren ebenso wie Intendanten und Generalmusikdirektoren. Kaiserzeit, Weimarer Republik, NS-Zeit, Wiederaufbau nach der Kriegszerstörung 1945, Experimente, eine Fusion und Geldprobleme sorgten für stete Vibrationen. Eine lose Beilage läßt Künstler und mit dem Theater verbundene Bürger zu Wort kommen. Schade, daß diese Texte nicht in das schöne Buch mit eingebunden sind, denn der Band ist mehr als "nur" die Geschichte eines Theaters, es ist eine Theatergeschichte pars pro toto.
Gleichzeitig erschien, ebenfalls im Auftrag der Wuppertaler Bühnen, ein schmaler Bildband des in Wuppertal lehrenden Graphikers Wolfgang Schmitz, der unter dem Titel "Standort und Sichtweise" Zeichnungen, Fotos und Texte zum Wuppertaler Opernhaus zusammengestellt hat. Auf 56 Seiten zeigt Schmitz mit seinen Zeichnungen die Blickwinkel und Möglichkeiten, das Opernhaus im Weichbild der nicht leicht zugänglichen Stadt Wuppertal zu sehen. Der in Marl geborene Künstler, Träger des begehrten Von der Heydt-Preises der Stadt Wuppertal, lehrt u.a. an der Universität der Stadt, die ihn fasziniert.  
 
Michael Okroy, "... Damit die Träume atmen können" - Vom Stadttheater Barmen zum Opernhaus Wuppertal, © Wuppertaler Bühnen 2009, 223 Seiten, geb. mit ca. 400 Abb., Namensregister, Premierenübersicht ab 1956 und einer Beilage  - € 24,80 – ISBN 978870930950
Wolfgang Schmitz: Standort und Sichtweise - Zeichnungen und Texte zum Wuppertaler Opernhaus, 55 Seiten, kt. € 22,80
 
Michael Okroy, geboren 1959, ist Literatur- und Sozialwissenschaftler. Seit 2002 freiberufliche Tätigkeit im Bereich Dokumentation und Recherche zur Zeitgeschichte, zahlreiche Veröffentlichungen. Zuletzt erschienen Volksgemeinschaft, Erbkartei und Arisierung. Ein Stadtführer zur NS-Zeit in Wuppertal (2003) und – zusammen mit Ulrike Schrader: Der 30. Januar 1933 – ein Datum und seine Folgen. Aktuelle Forschungen zum Nationalsozialismus in Wuppertal (2004), sowie "Kaschau war eine europäische Stadt ..." Ein Reise- und Lesebuch zur jüdischen Kultur und Geschichte in Košice und Prešov-248 Seiten, Paperback. Mit zahlreichen Abbildungen (2005).