Darf´s ein bißchen mehr sein?

Spielzeugkaufläden der Wirtschaftswunderzeit in Moers

von Andreas Rehnolt
"Darf´s ein bißchen mehr sein?"
 
Ausstellung in Moers mit Spielzeugkaufläden der Wirtschaftswunderzeit eröffnet
 

Moers
- Unter dem Titel "Darf's ein bißchen mehr sein?" ist am Sonntag im niederrheinischen Moers eine Ausstellung mit Spielzeugkaufläden der Wirtschaftswunderzeit eröffnet worden. Die bis zum 1. Juni laufende Schau im Grafschafter Museum des Schlosses Moers zeigt Exponate aus den 50er und 60er Jahren, die damals in vielen Kinderzimmern, Kindergärten und Schulen vorhanden waren. "Fleischbrühe in Friedensqualität, Kaffeeersatz und köstliche Bohne, üppige Torten aus dem "Süßmäulchen", dargeboten vor pastellfarbener nierenförmiger Kulisse" so erzählen die Spielzeugkaufläden nach den Worten von Museumsleiterin Diana Finkele heute noch viel über Geschichte.
 
Sie verbergen viele wirtschafts-, kultur- und gesellschaftsgeschichtliche Details und bilden die Konsum-Welt im Kleinen ab, hieß es bei der Eröffnung der Ausstellung. Nach den vielen

Foto © Grafschafter Museum
Entbehrungen des Zweiten Weltkrieges wuchs mit dem beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung ab Mitte der 50er Jahre im Westen Deutschlands das Verlangen, den neuen Wohlstand entsprechend zu genießen. "Alle sollen besser leben" war etwa der Slogan einer großen Düsseldorfer Messe im Jahr 1953. Auch in den Spielzeugkaufläden ließ man es sich gut gehen. Die Regale boten, was das Herz begehrte. Vom alltäglichen Bedarf bis hin zu Luxusgütern.
 
Bohnenkaffee, Schokolade, Waschpulver, Dr. Oetker Tortenguss, Maggi-Suppenwürze, parfümierte Seife und Nivea- oder Penaten-Kindercreme. Namenlose Produkte sucht man hier vergeblich – die Regale der Spielzeugkaufläden von damals dokumentieren laut Finkele auch den Siegeszug der Markenprodukte. Kein Wunder, denn die Hersteller der Markenprodukte waren (und sind) an den Herstellungskosten der Miniaturen zumeist beteiligt. Product-Placement in Kinderzimmern ist keine Erscheinung der heutigen Zeit, sondern begann nach Angaben der Aussteller schon in den 50er Jahren. Sogar Sektflaschen tauchten im Warenangebot der Spielzeugkaufläden auf. Konsumträume der Erwachsenen überwogen hier offensichtlich gegenüber pädagogischen Aspekten.
 
Viele Spielzeug-Konsumträume des Westens stammten übrigens aus der damaligen DDR. Zur

Foto © Grafschafter Museum
Beschaffung dringend benötigter Devisen exportierte beispielsweise der Erzgebirgische Volkseigene Betrieb VERO damals Spielzeugkaufläden in den kapitalistischen Westen. Aber nicht nur das Warenangebot und das Kaufverhalten hatten sich in den 50er und 60er Jahren nachhaltig verändert. War 1939 in Osnabrück Deutschlands erster Selbstbedienungsladen eröffnet worden, setzte sich diese Geschäftsform nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nur allmählich durch. 1951 gab es in Westdeutschland erst 131 Selbstbedienungsläden, 1955 waren es 512 und fünf Jahre später zählte man hierzulande bereits 23.000.
 
Die Spielzeugkaufläden spiegeln auch diese Entwicklung des Einzelhandels und des Kaufverhaltens der Kunden wider. So brachte 1963 die Spielwarenfabrik Richard Dietrich aus Crailsheim einen kompletten Spielzeugsupermarkt auf den Markt. Letztenendes blieben und bleiben die

Foto © Frank Becker
Spielzeugkaufläden aber nostalgisch. Zwar gibt es inzwischen auch Scannerkassen mit Fließband. Aber der Tante Emma-Laden mit Gemüsekiste, Bonkasse und Waage bestimmt deutlich auch heute noch die meisten Kinderzimmer.
 
Das Grafschafter Museum ist dienstags bis freitags von 9 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Weitere Informationen unter: www.moers.de

Redaktion: Frank Becker