Der Herbst hat auch noch warme Stunden

Schwules OffOff-Theater aus Nürnberg mordet "in vollen Zügen"

von Alexander Hauer

Der Herbst hat auch noch warme Stunden

NürnbergTheatergruppe „ Die Schlampenlichter“
Tutu Peaupeau oder Mord in vollen Zügen

In der Hans Sachs Stadt gibt es eine alte Dichtertradition. Seit einigen Jahren gibt die kleine aber feine Theatertruppe „Die Schlampenlichter“ der OffOff Musicalszene einen besonderen Reiz.
Neben der Tatsache, daß alle Darsteller schwul sind, schwule Theatertruppen gibt es landauf landab reichlich, haben die Schlampenlichter sich zum Ziel gesetzt, ihre Stücke selbst zu schreiben. Auch das gibt es häufiger, aber daß ein ganzes Musical in bester Versform präsentiert wird, dürfte recht einmalig in Deutschland sein. Die urkomische Agatha Christie Adaption „Mord in vollen Zügen“ ist eine Revue abseits von peinlichen Trümmertuntenspektakeln und verhuschter Federboaromantik. Dafür Pralles aus dem Leben, das auch den vielen anwesenden Heten sichtliches Vergnügen bereitete. In einfacher, aber zweckmäßiger Dekoration, Bühnenbildentwurf Georg Haberkern, spielte sich das bekannte Kriminalstück ab. Die Personage wurde reduziert auf 10 Personen, die sich singend und tanzend durch die Verstrickungen eines im Schnee festsitzenden Zuges spielen.

Die Texte, die sich die Truppe selbst auf die Stimmbänder schreibt, sind voller Esprit und erschreckend unanstößig. Anklänge an die subtile Erotik eines Noel Coward sind genauso zu hören wie die verschmitzte Eleganz alter Cole Porter Texte. Die gereimte Revue ist allein schon durch ihre Darsteller etwas Besonderes. In den Kostümen von Martin Bauer wird die Zeit der 30er Jahre wieder lebendig und durch die schmissige Musikauswahl, von Abba über Mary Poppins bis zum Tanz der Vampire, kommt gleich zu Beginn gute Laune auf.

Foto © Die Schlampenlichter, Ensemble
Die Laientruppe gibt unter der Regie von Harald Bierlein-Neußinger insgesamt ihr Bestes, einige unter ihnen seien dennoch besonders erwähnt. Harald Wisotzki als alternde Gräfin Andraschini hatte gleich die Gunst der Zuschauer auf seiner Seite, Martin Bauer als, ich hab mal nachgerechnet, ungefähr 135 Jahre alte Prinzessin Dragomir, ausgehungert aber immer noch heiß, überzeugte mit seiner Interpretation von „ The Winner takes it all“, Georg Haberkern, gleich in zwei Rollen, als böser Mr. Corpse, und als vertrottelter griechischer Veterinär Popozopolo und der sensationelle Alexander Wimmer als stiller, stets überlegend handelnder Tutu Peaupeau.
Ein vergnüglicher Abend für jede Neigung, eine gewisse Toleranz vorausgesetzt.

Nächste Vorstellungen am 28.und 29. März 2009 in Nürnberg, Hubertussäle
und am 4. und 5. April im Oberangertheater München
 
Weitere Informationen unter: http://schlampenlichter.de/index2.php

Redaktion: Frank Becker