Antonia trägt Ruhrdeutsch inne Welt

Rainer Bonhorst – „Dr. Antonia Cervinski-Querenburg. Daaf ich Sie noch ma wat lernen?“

von Frank Becker

Cover-Illustration: Michaek Hüter
Wie Honichseim inne Ohrn
 
Antonia trägt Ruhrdeutsch inne Welt
 
„Daaf ich Sie noch ma wat lernen? Dat klingt schlimmer, wie et is. Weil die Dr. Antonia Cervinski-Querenburg ihrn Sprach-Unterricht nich wat fürn Ernst is, sondern wat fürn Spass.“ (Das schickt der Verlag dem herrlichen Buch voran.)
 
Mensch Leute, wie habbich dat vermißt – dat is doch wierkich wie Honichseim inne Ohrn. Wat ich mein? Na die Sprache vonne Ruhr und der ihr Klang, is doch klaa! Abber damit ichse jetz nich übafoardern tu, red ich mit sie lieber ma Hochdeutsch.
 
Es ist in der Tat eine wunderbare Sprache, mit der man sich im nordwestlichen Teil des Bundeslandes Nordrhein-Wesfalen, im Einflußgebiet (wörtlich zu nehmen) von Lippe im Norden, Ruhr im Süden und Emscher mittendrin und im Westen, den Kreisen Wesel und Duisburg noch ein Stücksken den Rhein überschreitend, natürlich mit regionalen und städtischen Eigenheiten, verständigt. Eine Sprache, die übrigens Mißverständnisse kaum zuläßt. Was hauptsächlich an dem toffen Menschenschlag liegt, der in dieser ehemals größten Kohle- und Stahl-Region Europas lebt. Der Ruhrkumpel nämlich hat diese althergebrachte ährliche Sprache aufs Feinste kultiviert und gesellschaftsfähig gemacht. Stolz pflegt man sie zwischen Xanten und Hamm, Moers und Fröndenberg, Haltern und Breckerfeld.
Und auch die Wissenschaft kümmert sich ums Ruhrdeutsche, wie wir aus diesem köstlichen Buch – oder sollte ich Büchsken sagen? – erfahren, denn es stellt uns im offenen Dialog mit einem wissensdurstigen Reporter die Sprachforscherin Frau Dr. Antonia Cervinski-Querenburg vor, die uns das genannte Idiom auf einfache und leichte Weise näherbringt. Ein Kresch-Kuurs sozesagen. Entschuldigense, passiert schomma, dat et mir so rausrutscht.
Es gibt ja im rührigen Verlag Henselowsky Boschmann bereits eine hervorragende Abhandlung von Heinz H. Menge über das Ruhrdeutsch: „Mein lieber Kokoschinski! - Der Ruhrdialekt“ (Aus der farbigsten Sprachlandschaft Deutschlands) und Werner Boschmanns Lexikon der Ruhrgebietssprache. Aber so eine lebendige Lehrstunde mit Fachpersonal vertieft die Kenntnisse für Zugewanderte und Ruhris höchst unterhaltsam.
 
Hier der Inhalt:
Statt ein Vorwort: Dr. Antonia und ihr Lernstuhl (4) - Dat Revier und seine Sprache  Dr. Antonia … und dat Urruhrdeutsch (6) … und dat Menschliche (8) -  Den Gebrauch von die Sprache  Dr. Antonia … und dat aufe Hemd (11) … inne Sackgasse (14) … und die Kirschen (16) … und die alte Dame (19) … und die Köttelbecke (22) … und die Pommesbude (24) - Dat Revier und seine Grammatik  Dr. Antonia … und der Wen-sein-Fall (27) … und die Emscher-Grammatik (30) … und dat der die das (32) - En bissken Lautlähre  Dr. Antonia … und die Tee-Schwäche (34) … und Omma-Auma-Linie (36) … is schwer am Staunen (38) -  En bissken Wortlähre  Dr. Antonia … und dat Rosane (40) … und dat Hangende (42) - Die Ruhr seine Kultur  Dr. Antonia … und die Kulturbeutels (44) … und der Revier-Räpp (46) … und der Revier-Goethe (48) … is rum am schütteln (52) … und dat Abgestrackte (54) - Dat Internationale an unser Deutsch  Dr. Antonia … anne Koppa (56) … und dat oddinäre Jau (58) … und die Aatischocken (60) -  Statt ein Nachwort  Dr. Antonia und ihre Omma anne Emscher (62) 

Mitte Erlaubnis vom Verlach und vonne Frau Dr. Antonia, sozusagen als Appetithäppsken, geben wir se hier eine von die köstliche Geschichten zum besten:
 
Dr. Antonia und die Pommesbude

Reporter: Frau Dr. Antonia Cervinski-Querenburg, was treibt Sie eigentlich immer an diese Würstchenbuden?
Dr. Antonia: Hunger. Aber nich alleine.
Reporter: Wen nehmen Sie denn mit?
Dr. Antonia: Et is nich alleine den Hunger, wat mich anne Bude treibt.
Reporter: Ach so. Sondern? Was noch?
Dr. Antonia: An sonne Pommesbude krich ich immer son schönet Sprachgefühl im Magen.
Reporter: Sprachgefühl? Im Magen?
Dr. Antonia: Jau, schon alleine dat Wörtken Pommes. Wie dat klingt. So lecker satt. Pommfritz geht natürlich auch. Is aber schon wat vornehmer.
Reporter: Ja, sehr vornehm. Und reizt Sie sonst noch was an der Frittenbude?
Dr. Antonia: Jau, die Fritten auch. Und dann diese Beilagen.
Reporter: Welche Beilagen?
Dr. Antonia: Na, diese ganzen Beilagen. Und die ihre Dialoge, die lass ich mich auch immer aufe Zunge zergehen.
Reporter: Die Dialoge?
Dr. Antonia: Klar. Wenne zum Beispiel Pommes hols. Dann gibt dat ja nich nur die Pommes. Da gibt et dann immer auch dat Magonese- Gespräch.
Reporter: Magowas?
Dr. Antonia: Dat Majonäse-Gespräch. Kenn Se nich, Herr Reporter? Dat geht so: Ich sach: Zweima Pommes. Dann fracht die: Mit Majo? Dann sarrich: Eima mit und eima mit ohne.
Reporter: Mit ohne?
Dr. Antonia: Jau, wir im Revier geben den Ohne gerne noch son Mit mit. Weil dat Ohne ohne son Mit so alleine wär.
Reporter: Das klingt aber kompliziert.
Dr. Antonia: Isset aber nich.
Reporter: Was sagen Sie zum Beispiel, wenn Sie ohne Ihren Mann an Ihre Bude gehen?
Dr. Antonia: Muss ich denn mein Mann, den Queri, nach überall mitnehm?
Reporter: Ist ja nur ein Beispiel.
Dr. Antonia: Na, gut. Wat ich dann sach, wenn ich den nich mitnehm?
Reporter: Ja.
Dr. Antonia: Dann sarrich: Also, heute komm ich ma mit ohne mein Mann.
Reporter: Natürlich. Und nimmt Ihr Mann Majonäse?
Dr. Antonia: Den hab ich doch gaa nich bei. Ich bin doch mit ohne den anne Bude gekomm.
Reporter: Stimmt ja. Und wenn er nicht da ist, nimmt er auch keine Majonäse. Ich übrigens auch nicht. Ich will nur eine Currywurst.
Dr. Antonia: Schaaf oder mittel?
Reporter: Schwein. Schaf mag ich nicht.
Dr. Antonia: Ich lach mich kaputt über Sie Ihre Scherze, Herr Reporter. Ich hab Sie doch nur gefracht, ob Se Ihre Körriwurst schaaf oder mittelschaaf ham wolln.
Reporter: Und was wäre, wenn ich sie überhaupt nicht scharf mag?
Dr. Antonia: Geht nich. Körriwurst gibt et entweder echt schaaf oder mittel. Labberich hamwer nich.
Reporter: Und wenn ich meine Currywurst noch schärfer als scharf haben möchte?
Dr. Antonia: Dann sagen Se ganz eimfach: Frollein, könn Se bissken nachwüazn? Dann sagt dat Frollein vonne Pommesbude: Marrich doch glatt.
Reporter: Vielen Dank, Frau Dr. Antonia, für dieses mittelscharfe Interview. Was würde ich mit ohne Sie nur machen.

Rainer Bonhorst – „Dr. Antonia Cervinski-Querenburg. Daaf ich Sie noch ma wat lernen?“
Ruhrdeutsch mit der bekannten Sprachforscherin
Mit farbigen Illustrationen von Michael Hüter
© 2012 Verlag Henselowsky Boschmann, 3. neu illustrierte Auflage, 64 Seiten gebunden, 20 Abbildungen  -  ISBN 978-3-922750-47-5
9,90 €
 
Weitere Informationen: https://www.vonneruhr.de/