Da passiert leider gar nichts

„Dann passiert das Leben“ von Neele Vollmar

von Renate Wagner
Dann passiert das Leben
Deutschland 2025

Drehbuch und Regie: Neele Vollmar
Mit: Ulrich Tukur, Anke Engelke, Maria Hofstätter u.a.
 
Einem so betrübten, bedrückten Paar ist man selten begegnet. Sie leben in einem Haus in einer deutschen Kleinstadt, beide Anfang bis Mitte 60, die Frau verbittert, der Mann so in sich gekehrt, als nehme er gar nicht mehr an der Welt teil. Ullrich Tukur als Hans, der eben in Pension geht, und Anke Engelke als Rita, die eher sporadisch als Altenhilfe tätig ist, machen vor, wie eine Beziehung vollkommen ausgeronnen ist.
Erfährt man, warum? Als Hans noch Schuldirektor war, hatte er offenbar ein Verhältnis mit einer Kollegin, hat dies aber seiner Ehe wegen aufgegeben. Rita hat ihm dennoch nicht verziehen. Beide mögen ihren Sohn Tom, der in einer anderen Stadt lebt, die Eltern selten besucht und auch nicht imstande ist, ein Gespräch zwischen beiden in Gang zu bekommen. Nein, kein „Rosenkrieg“, nur bleiernes Nebeneinander.
Seltsam, daß Regisseurin Neele Vollmar den nach ihrem eigenen Drehbuch inszenierten Film „Dann passiert das Leben“ genannt hat. Denn „Leben“ passiert keineswegs, sondern ein schwerer Verkehrsunfall. Rita und Hans sind bei schlechtem Wetter unterwegs, die Sicht ist miserabel, sie fährt, ein Radfahrer kreuzt unversehens ihren Weg, sie überfährt ihn, er ist tot.
 
Nein, es gibt keine dramatische Krimi-Wendung, keine Fahrerflucht, keinen Versuch, das Geschehen zu vertuschen. Die Polizei übernimmt, aber Hans und Rita sind angesehene Bürger ihrer kleinen Stadt, sie muß nicht ins Gefängnis. Hans ist mitfühlend, aber Rita vergräbt sich in die durchaus begreifliche Verzweiflung, einen jungen Mann getötet zu haben, obwohl sie nachgewiesen nicht schuld war, nicht fahrlässig, nicht zu schnell. Ein schreckliches Unglück eben.
Es gibt auch für die Beziehung kein wirkliches Happyend, kein Zusammenfinden im Schmerz, die Schlußwendung ist tragisch, aber alltäglich, und von „Leben“ ist in dem ganzen Film nach wie vor keine Spur. Und, ehrlich gesagt, ein Drehbuch, dem nichts einfällt, das auch nur im geringsten Interesse erwecken könnte. Tatsächlich fragt man sich, welche Motivation dahinterstand, sich eine so traurige, aber in ihrer Entwicklung und Aussage so ziellose Geschichte auszudenken.
 
Immerhin konnte man zwei große Darsteller gewinnen. Daß Ulrich Tukur sicher einer der besten deutschen Schauspieler ist und dergleichen überzeugend vom Blatt spielt, verwundert nicht. Daß nichts an Anke Engelke an die einstige „Ulknudel“ erinnert, daß sie die Studie innerer Verkrampfung so überzeugend abliefert, hätte man nicht unbedingt gedacht. Sympathisch wird sie einem auch in ihrem Schmerz nicht.
In einer Nebenrolle muß Maria Hofstätter als Ritas Arbeitskollegin allzu penetrant „menscheln“, und als Sohn, der seine Eltern mag, aber mit ihnen eigentlich nichts anzufangen weiß, ist Lukas Rüppel durchaus überzeugend.
 
Dennoch, Leben sieht anders aus, und Kino, das den Zuschauer zu seinen Figuren mitnimmt, auch. Alles in allem ein Leichenbitter, der, wäre er gültig, nur Grauen vor gemeinsamem Altwerden erzeugen könnte. Ein Beispiel, wie man es nicht macht. Aber dafür muß man nicht ins Kino gehen.