Drogen und Rauschmittel (2)
Daß Drogen jetzt Rauschmittel meinen, hat damit zu tun, daß Menschen bereits seit der Jungsteinzeit psychoaktive Substanzen und also Rauschgifte nutzen. Cannabis wurde schon in vorchristlicher Zeit als Räucherwerk empfohlen. Halluzinogene Pilze etwa sind bereits seit vielen Tausend Jahren vor Christi weltweit bekannt und in Gebrauch. Wenn sich Menschen heute dazu hergeben, mit markigen Sprüchen wie «Dieser Körper ist drogenfrei» aufzufallen, sollten sie noch mal überlegen, ob sie das wirklich behaupten können und ob sich das jemand vornehmen kann. Menschen verlangt es nach Rauschmitteln. Sie führen zu Veränderungen des Bewußtseins, euphorischen Gefühlen oder Trancezuständen und finden in vielen Kulturen rituell oder in religiösen Zusammenhängen Verwendung. Menschen sind im Allgemeinen gerne aktiv, und so greifen sie gerne zu Drogen, die psychoaktiv wirken. Als Halluzinogene verändern Drogen die Wahrnehmung, als Neuroleptika üben sie dämpfende Wirkungen aus, als Psychedelika helfen sie, Transzendenzerfahrungen zu machen, als Antidepressiva wirken sie gegen bedrückende Stimmungen, als Aphrodisiaka steigern sie das sexuelle Verlangen - und bei all diesen eindrucksvollen Namen ist von Kaffee und dem Alkohol in ihren vielfältigen Verabreichungen noch gar nicht die Rede gewesen.
Natürlich finden die Rauschmittel ihre Wirkorte im menschlichen Gehirn, wobei jedes von ihnen besondere Mechanismen in Gang bringt, um dem Nervensystem neue Impulse zu geben. Nehmen wir als Beispiel den Kaffee: Wie kommt es, daß das biochemische Produkt einer ursprünglich im äthiopischen Hochland wachsenden Pflanze, das als Molekül Koffein heißt und dem Kaffee seine anregende Wirkung verleiht, zielgenau seinen Platz in einem menschlichen Gehirn findet, um hier «antagonisierende Effekte an zerebralen Adenosinrezeptoren» auszulösen, wie man von den Fachleuten erfahren kann? Die Herren der Reagenzgläser wollen mit diesen Worten sagen, daß Koffein den Kreislauf dadurch stimuliert, daß es einige Oberflächenmoleküle von Neuronen blockiert. Dies hat in dialektischer Manier Ausschüttungen zur Folge, unter anderem von Hormonen wie Adrenalin und Dopamin, die im weiteren Verlauf helfen, die Leistungsbereitschaft einer Person zu steigern.
Koffein geht trickreich vor und verlockt zu der Frage, wieso die Evolution in der Kaffeepflanze solch ein Wunderwerkzeug gebastelt hat. Wozu gibt es Koffein? Was macht der Kaffeewirkstoff am Ort seiner natürlichen Herkunft in der Kaffeepflanze? Die Antwort lautet, daß Koffein auf der einen Seite als Schutz gegen Angriffe von Insekten dient und auf der anderen Seite in den Kaffeesamen dafür sorgt, daß jedes Keimen von anderen Pflanzen unterdrückt wird.
In dem Kaffee mit seinem Koffein steckt nicht nur ein wissenswerter Anfang, sondern auch eine folgenreiche Geschichte. Wenn man den Legenden glauben will, verdankt die Menschheit die Entdeckung der belebenden Wirkung von Kaffee einem Hirten, der im 9. Jahrhundert beobachtet hat, wie Ziegen nach dem Verzehr von roten Kaffeekirschen aufgeregt in der Gegend herumsprangen. Bald probierten erste Menschen an sich selbst aus, was den Ziegen gefallen hatte, und sie bemerkten eine belebende Wirkung mit vollmundigem Geschmack. Im 11. Jahrhundert bekam das Getränk den arabischen Namen Quahwah, das Anregende, von dem es nicht mehr weit bis zum «Kaffee» ist. Anfang des 17. Jahrhunderts brachten venezianische Kaufleute diesen Kaffee nach Europa, wo er anfänglich vor allem Mitgliedern des Adels gereicht wurde, bevor die ersten Kaffeehäuser für das Volk öffneten. Der historische Weg führt weiter bis in die Gegenwart, in der Kaffee zum beliebtesten Getränk der Deutschen geworden ist, die in jedem Jahr 162 Liter pro Kopf davon trinken. Was so nahtlos aussieht, läßt Historiker eine bemerkenswerte Frage stellen, nämlich: War vielleicht der Kaffee der Auslöser der Französischen Revolution?
Klar ist auf jeden Fall, daß Kaffee und Kaffeehäuser sowohl vor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung als auch vor der Französischen Revolution boomten und die Menschen in Europa das alte Hauptgenußmittel Bier gegen die neue Droge mit Namen Kaffee austauschten, mit der ein Aufbegehren natürlich leichter zu bewerkstelligen war.
Teil 3 von 4 folgt am kommenden Sonnabend an dieser Stelle.
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
© 2023 C.H. Beck
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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