Erste Liebe am Ostseestrand
Ein ungeschönter Rügener Ferienroman
über heitere DDR-Ferien mit Mangelwirtschaft
oder
Ein Hohelied auf die FKK
Ohne süßliche Ostalgie, dafür mit der Benennung der Versorgungsprobleme, die die DDR-Bürger, ausgenommen natürlich die Nomenklatura, sogar bzw. besonders bis in die ersehnten Sommerferien begleitet haben, erzählt Hans-Joachim Albrecht 2011, also 22 Jahre nach dem stillen Hinscheiden des Arbeiter- und Bauernstaates die Geschichte eines Familien-Urlaubs an der Ostsee. Die bescheidene literarische Qualität dieses Romans soll hier keine Rolle spielen, hingegen die gesellschaftlichen Umstände einer solchen Reise. Die nämlich, von einem Zeit- und Systemzeugen geschildert, sind für die konsumverwöhnten Deutschen des alten Westens ein Lehrstück zur Bescheidenheit, für jene, die den real existierenden Sozialismus haben miterleben und erdulden müssen eine Mahnung, nicht in die oben erwähnte Ostalgie zu verfallen.
Endlich wurde Horst Weber ein Ferienplatz für sich und seine Familie: Frau Inge, Tochter Petra (17) und die beiden Kleinen Evi (10) und Fred (6) zugeteilt, zu allem Glück auch noch an der Ostsee, eine Rarität! Selber konnte man eine solche Reise nicht planen, alles lag in staatlicher Hand und war deshalb wie gesagt a. ein Glücksfall und b. ein Mangel. Das Quartier für die Ferien wurde ebenso zugeteilt wie die kargen Lebensmittel für die Mahlzeiten der Vollpension. Doch die von allen Fünfen ersehnte Reise scheint im letzten Moment zu scheitern, weil Vater Horst zeitüberschneidend zu einer Reserveübung der Armee einberufen wird. Mit der solidarischen Unterstützung von Gewerkschaft und Vorgesetzten klappt es schließlich doch und Sellin auf Rügen wird angesteuert.
Die Anfangssituation und der Hauptstrang des Romans erinnern sehr an Robert Cedric Sheriffs wunderbares Buch „Zwei Wochen am Meer“, das ich Ihnen Anfang 2024 hier vorstellen durfte. Aber zurück zu Familie Weber, die zwar Glück mit dem Wetter hat, aber Ärger mit den Nachbarn im (zugeteilten) Strandkorb. Der eine qualmt stinkende Zigarren und verfolgt mit Glubschaugen Petra und Inge beim Umziehen, der andere läßt ununterbrochen sein Kofferradio plärren. Beim Wandern entdecken Webers einen halblegalen FKK-Strand, der durch seine Beschaulichkeit und die Freundlichkeit der Nackten einlädt. Das Zögern währt nur kurz, bis die Familie den Rest der Ferientage dort verbringt. Petra verliebt sich unterdes in den Studenten Steffen, der bei einem Bootsverleih sein Studiengeld aufbessert – und Steffen findet in Petra das Mädchen seiner Träume. So unverblümt Hans-Joachim Albrecht den Kampf „um die Wurst“, also die Mangelwirtschaft beschreibt, so angenehm dezent läßt er Petra und Steffen die Liebe erleben, bis es zu Zwischenfällen und Entscheidungen kommt...
Leicht und recht angenehm zu lesen ist der kleine Sommerroman „Ferien, Küsse, FKK“ eine Erinnerung an Gewesenes und eine zarte Liebesgeschichte. Für Rügen-Urlauber gestern und heute ein Tip.
Hans-Joachim Albrecht – „Ferien, Küsse, FKK“
© 2011 Engelsdorfer Verlag, 271 Seiten, Broschur - ISBN 978-3-86268-458-8
14,95 €
Weitere Informationen: https://www.engelsdorfer-verlag.de
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