Im Spiegel (3)

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Im Spiegel (3)
 
Wer sich in den Schulbüchern die Tabellen der Erdzeitalter anschaut, an deren heutigem Ende die Wissenschaft nach dem Holozän ein Anthropozän zu erkennen meint, womit sie den Menschen immer größeren Einfluß auf das globale Geschehen zuweist, findet auf den Darstellungen vor gut 300 Millionen Jahren eine Periode mit dem aus dem Italienischen stammenden Namen Karbon eingetragen, Kohle also. Damals war es auf der Erde sehr warm, die Pflanzen konnten gut gedeihen, sie banden im Leben viel Kohlenstoff und zersetzten sich nach dem Absterben ohne Sauerstoff in Torf. Nachdem durch hohen Druck das letzte Wasser aus diesem organischen Sediment herausgepreßt worden war, kam die steinharte Kohle zustande, die Menschen Jahrmillionen später als schwarzes Gold wieder ans Licht holten. Der Rest ist Geschichte, wie man sagt, mit einem lohnenswerten Schlenker, der in die Regionen des Philosophischen führt.
       Gewöhnlich denkt man - anfänglich in den Zeiten der Aufklärung -, daß es die Geschichte ist, die Menschen macht und ihre Kultur hervorbringt. Doch dieser Gedanke kehrte sich um, als Philosophen wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel im 19. Jahrhundert mit dem Denken begannen und in der Epoche der Romantik die dialektische Methode ersannen. Jetzt war es nicht mehr die Geschichte, die den Menschen aufkommen ließ. Jetzt waren es umgekehrt die Menschen, die für ihre Geschichte sorgten und jede Entwicklung vorantrieben. Wer dieses dialektische Gedankenspiel mit These und Antithese global einsetzen will, kann sagen, daß es nicht mehr die Erde ist, die den auf ihr lebenden Geschöpfen mit Humangenom die Grenzen ihrer Existenz absteckt, sondern daß es die Mitglieder der Spezies Homo sapiens sind, die ihrem Heimatplaneten die Schranken seiner Möglichkeiten aufzeigen und auferlegen. Die Fragen, wie lange das gut gehen und wie viele Menschen die Erde noch vertragen und durchfüttern kann, werden von den historischen Prozessen im Laufe der kommenden Zeit beantwortet werden.
  
- Finis -
 
 
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
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Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.