Unsitten im Konzertsaal

Ein offenes Wort

von Peter Bilsing

Peter Bilsing - Foto © Frank Becker
Auf ein Wort: Unsitten im Konzertsaal / Teil 3
 
Heute: Beifall zwischen den Sätzen oder: Hat die Generation Doof jetzt auch schon die Konzertsäle und Opernhäuser in ihren Besitz genommen?
 

Vor wenigen Tagen im hochehrwürdigen Wiener Musikverein: Das vermutlich beste Orchester der Welt (Concertgebouw Amsterdam) spielt unter dem großen Dirigenten Mariss Jansons auf; Schostakowitschs 10.Sinfonie. Brausender Beifall…schon nach dem ersten Satz!
 Wie bitte? Ja, wo simmer denn hier gelandet? Die Orchestermitglieder rieben sich vor Erstaunen die Augen und dem Dirigenten fiel glatt die Kinnlade runter. Und das im heiligen, ehrwürdigen Wien, dem verdachtsmäßig letzten Ort für solche Ungehörigkeit.
 Soll man das nun unter „Verrohung der Sitten“, „Verblödung des Publikums“, „Karnevalsetüde“ oder „Tribute to André Rieu“ abbuchen? Wo auch immer, es war an Peinlichkeit nicht zu unterbieten.
 
Zwar ist in unserem Lande gerade Faschingszeit und so der „Beifall nach jedem Satz“ traditionelle Karnevalsrealität, aber in Wien? „Oh, Du mein Wien….“.
 Bald folgt sicherlich der hierzulande schon praktisch traditionell in beinah jedem Opernhaus und unabhängig vom Ernst des Stücks praktizierte finale Klatschmarsch á la Volksmusikantenstadel.
 Wir warten auf die nächste Live-Übertragung aus der MET im Kino oder TV: „Elektra“ mit anschließendem Klatschmarsch…ramtata ramtata ramtatata dadadadah.
 
Zum Schluß zitiere ich eine ehemalige Bonner Kulturdezernentin, die anläßlich der blutrünstigen „Elektra“-Premiere vor Jahren tatsächlich folgende kenntnisreichen Worte sprach (ich war dabei!): „Ich wundere mich immer wieder, wie es der Strauss geschafft hat, nach einer so schweren Oper noch so eine lustig, leichte Operette, wie die Fledermaus zu komponieren.“  Tatah, tatah, tatah….