Eine Weltklimakonferenz

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Eine Weltklimakonferenz
 
Auf dem UN-Klimagipfel im schottischen Glasgow haben die beteiligten Staaten das Bekenntnis erneuert, das bereits 2015 in Paris genannte Ziel weiter zu verfolgen, die Erwärmung der Erde auf 1,5 Grad zu beschränken. Die naheliegenden Fragen «Kann das überhaupt noch klappen?» und «Welche Bedeutung hat dies für die Zukunft der Menschheit?» bleiben schwer zu beantworten, wenn man das, was man sich 2015 vorgenommen hat, im Einzelnen mit dem abgleicht, was bis 2021 erreicht worden ist. Beim gegenwärtigen Stand der zunehmenden Kohlendioxidemissionen rechnen einige Experten vom Weltklimarat ICCP mit einer Erwärmung von mindestens drei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts. Sie sagen für diesen Fall voraus, daß sich bei «business as usual» in einem halben Jahrhundert in Erdregionen «Feuchtkugeltemperaturen» entwickeln können, unter denen vor allem Menschen in den Tropen zu leiden haben. Temperaturen von bis zu 50 ℃ im Freien kann niemand lange aushalten, so daß man sich in Räume flüchten muß, die mit Geräten gekühlt werden, die den deutschen Namen «Klimaanlage» tragen. Leider gibt es keine Klimaanlage für die gesamte Erde, und so sind mehr Dürren zu erwarten, die Meeresspiegel steigen weiter an und es entwickelt sich alles weiter in die falsche Richtung. Um eine Klimawende zu erreichen, sollten keine Kohlekraftwerke mehr genehmigt werden - einige Länder machen derzeit trotzdem nicht nur fleißig, sondern verstärkt weiter und müßten Autos mit Verbrennermotor die Zulassung entzogen werden, ohne daß geklärt wäre, wo all die Ladestationen für die Elektromobilität herkommen sollen. Es müßte gelingen, den Ausbau von Anlagen für Wind- und Solarenergie massiv zu beschleunigen, damit die Stromerzeugung der Industriestaaten bis 2035 klimaneutral werden könnte und ihnen die ganze Welt folgen kann. Doch danach sieht es am Ende des Gipfeltreffens in Glasgow nicht aus.      
     Wahrscheinlicher ist, daß die Menschheit trotz aller Einsichten und Absichten weiter wirtschaftet wie bisher. Vielleicht müssen erst massive Katastrophen eintreten oder erste Kippelemente ihre verheerende Wirkung im Erdsystem zeigen, wie man den dynamischen Planeten seit kurzem mit einem unglücklichen Begriff bezeichnet. Gemeint mit dem genannten Umschlagen ist das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien oder das Abschmelzen von antarktischen Eisschilden, was beides unabsehbare Folge für das Klima hat. Die Frage «Welche Zukunft wollen Menschen erreichen?» stellt sich dann nicht mehr. Dann geht es nur noch darum: «Wie viele Menschen kann die von ihrem Wirtschaften aufgeheizte Erde noch durchfüttern?», «Wie lange und wie gut kann sich das Leben an die schwieriger werdenden Bedingungen auf der Erde anpassen?»
     Es gibt erste Bücher wie das Werk des Biologen Thor Hanson mit dem Titel Hurricane Lizards und Plastic Squid, das über Anpassungen der Tierwelt an den Klimawandel berichtet, und vielleicht läßt sich aus dem Verhalten der Natur etwas für die menschliche Kultur lernen. Noch kennt die Antwort nur der Wind, der nach einer Zeile von Brecht auch das Einzige ist, das von den Städten bleibt, durch deren Straßen er hindurchgegangen ist. Vielleicht wird von den Menschen nur die Energie bleiben, die durch sie hindurchgegangen ist, ohne daß sie sie einfangen konnten.
 
 
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
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Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.