Konrad Beikircher
Musikstunde
Guten Tag auch, liebe Freunde der Musenblätter-Musikstunde, und einen schönen guten Morgen sagt artig Ihr Konrad Beikircher.
Na? Brauchen Sie schon Erholung? Ich mein: ist schon anstrengend, die Karnevalsession, oder? Ein sehr leberintensiver Januar, aber hallo! Und jetzt stehen uns noch die tollen Tage ins Haus. Dies Jahr zieht sich die Session etwas. Das ist bei einer kurzen Session wie der vorigen ja immer das Problem: die Anzahl der Veranstaltungen und Sitzungen bleibt, nur die Schlagzahl ist quasi ins Olympische erhöht. Wenn schon am 4. Februar Rosenmontag ist, ist das halt kein Vergnügen mehr sondern Leistungssport. Nur: soooo kurz war diese Session nun auch wieder nicht – es hat kürzere gegeben. Eine der kürzesten überhaupt war die Session 60/61, also 1760/1761: da fiel der Rosenmontag auf den 2. Februar und damit war diese Karnevalssession die kürzeste im ganzen Barock. Clemens August
Ihr fiel übrigens eine große Gestalt des Barock zum Opfer: der Erzbischof von Köln und Kurfürst Clemens August. Um sich von dieser hektischen Session zu erholen, beschloß er, am 5. Februar, also am Tag nach dem Aschermittwoch, mit dem gesamten Hofstaat seine Verwandtschaft in Bayern zu besuchen, er war nämlich rheinischer Wittelsbacher. Man fuhr morgens früh um 8 Uhr in Bonn los – dort wohnte er, denn nach der Schlacht bei Worringen war es den Erzbischöfen von Köln verwehrt, in Köln wohnhaft zu sein – mal gucken, wie lange der Meisner noch in Köln leben darf! - - und machte in Ehrenbreitstein Station. Dieses Schloß gehörte damals dem Kurfürsten und Erzbischof von Trier. Nun traf es sich, daß just an diesem Tag die Baronin von Walderdorf auf Schloß Ehrenbreitstein eine Ü 30 Party veranstaltete, zu der der illustre Gast natürlich eingeladen war. Ob es nun daran lag, daß der Kurfürst am selben Tag morgens in Remagen einen leichten Schlaganfall erlitten hatte (wer Remagen kennt, den wundert das nicht) oder ob es an der intensiven kurzen und damit extrem anstrengenden Karnevalssession lag – der Kurfürst tanzte den ganzen Abend derart intensiv (er hätte jeder After Job Party alle Ehre gemacht), daß er mitten in einer Pirouette gegen Mitternacht umfiel, allen Rettungsversuchen trotzte und ein paar Minuten später das Zeitliche segnete. Was für ein rheinischer Tod: sich in den Himmel tanzen. Und das als Erzbischof von Köln! Was für ein leuchtendes Beispiel! Wobei: wo Sie grad sagen: Erzbischof. Da hat Kardinal Meisner die rheinischen Karnevalisten ins Mark getroffen: er hat etwas verboten, was im Rheinland Brauchtum ist und zwar seit 1824. Seit damals gibt es die kölsche Messe, in Dialekt gelesen, der die Karnevalsgesellschaften in voller Uniform beiwohnen. Da stehen dann die roten Funken in ihrem leuchtenden Rot, die blauen in ihrem herrlichen Blau etc pp. Nein, verkündete seine Eminenz, das geht nicht, das hat aufzuhören. Wozu ich nur anmerken möchte: wenn er selbst in vollem Ornat im Kölner Dom das Hochamt zelebriert – also soooo anders...!
Gefiederter Stuka
Ja ja, die Ungarn! Ein stolzes, eigenwilliges, großartiges Volk. Und ein Volk, das in der ganzen Welt verbreitet ist, immer still und im Hintergrund, aber präsent. Im Moment in Frankreich, an allerhöchster Stelle: Paul Sarközy von Nagybocsa, der Pap von Nicolas Sarkozy, ist ungarischer Adel und schon wundert einen nix mehr, kennt man doch die Virulenz der ungarischen Männer. Sie sind die geborenen Zocker, so auch Sarkozy: bis kurz vor der Hochzeit mit Carla Bruni hat er noch auf beide Karten gesetzt und simst seiner Ex-Gattin: „Wenn du zurückkommst, sage ich alles ab“, vielleicht hat er sogar ein augenzwinkerndes Smily mitgeschickt, wer weiß. Aber, wie gesagt: so sind sie, die Ungarn, zocken bis zum letzten Moment.
Die Tierwelt, meine Damen und Herren, ist ja immer wieder gut für Überraschungen: ob das nun das Jahr der Ratte ist, das in China das Jahr des Schweins ablöst (zu welchem passen eigentlich Zumwinkel und Konsorten besser?)- wobei man dazu sagen muß: die Ratte kann auch die possierliche Maus sein, das liegt an der Übersetzung, die Schriftzeichen sind dieselben, egal, es ist jedenfalls ein Glückstier und die 8 vom Jahr 2008 ist eine Glückszahl, alles gute Zeichen gewesen für die Olympiade in Peking. Ob es also die Ratte ist oder das graugesichtige Rüsselhündchen aus Tansania, das zwar nur 700 Gramm wiegt, im Grunde aber ein Elefant ist (wann übrigens überprüfen die Zoologen mal ihre Kriterien für Verwandtschaft – das Tierchen sieht aus wie eine Maus und fiepst wohl auch so, und das soll ein Elefant sein? Oder rührt von dieser Verwandtschaft das gestörte Verhältnis der Elefanten zu Mäusen? Rätsel über Rätsel) und das obendrein auch noch mit der Seekuh verwandt ist, dem Elefanten der Meere quasi, also irgendswie – ich weiß es nicht. Oder ob das der Annakolibri ist, der die musikliebenden Forscher begeistert, denn er hat der Musik eine neue Dimension eröffnet, ein neues Instrument sozusagen: der Annakolibri ist bekannt für atemberaubende Sturzflüge. So weit so gut. Dabei singt er auch noch. Auch so weit so gut. Nur: er singt dabei nicht mit der Kehle, wie es sich für einen vernünftigen Vogel gehört, nein, er singt, wie man jetzt herausgefunden hat, mit dem Schwanz. Er sieht ein Weibchen kommen, singt es mit der Kehle kurz an, dann steigt er in die Lüfte um sich plötzlich mit rasender Geschwindigkeit gen Erde fallen zu lassen – alles natürlich nur, um der Schönen zu imponieren – und erzeugt dabei mit den beiden Schwanzfedern ein Geräusch von 4000 Hz und das obendrein richtig laut. Quasi so eine Art gefiederter Stuka, ein kleiner Macho-Held in der wundervollen und possierlichen Welt der Kolibris. Ist doch schön, so was, oder? Und einmal mehr geht es einem so, daß man sich denkt: eigentlich schade, daß wir jetzt wissen, wie er das macht. Schöner war es vorher, wo jeder sich ein kleines Märchen zurechtlegen konnte oder: wo man es einfach nur schön fand!
Namen
Kennen Sie eigentlich den engen Zusammenhang zwischen Musik und Schach? Wie komme ich jetzt da drauf? Egal. Z.B. Sergej Prokofjew: Prokofjews Familie hatte in den 40er Jahren eine Wohnung in der Tschkalowstraße an der Ostseite Moskaus im dritten Stock des „Hauses der Spezialisten“. Hier wohnten auch Emil Gilels und David Oistrach, der wie Prokofjew ein ausgezeichneter Schachspieler war, den Komponisten allerdings bei einem Match im Zentralhaus der Künstler glänzend schlug, wie sich Prokofjews Sohn Oleg erinnert. Weil ich weiß, daß sich viele Musikliebhaber intensiv mit Schach beschäftigen, möchte ich zu dieser Seite Prokofjews einen Fachmann allerersten Ranges zu Worte kommen lassen: Michail Moissejewitsch Botwinnik, der als Nachfolger des genialen Aljochin von 1948 bis 1963 (außer 1957 und 1960) den Weltmeistertitel trug bis er ihn 1963 an Petrosjan weitergeben mußte.
Sie hat sich nie an Glitter und Glamour beteiligt und viele – auch Opernfreunde – kennen nicht einmal ihren Namen. Und dennoch ist sie eine der Größten und wird es beiben: Inga Nielsen. Sie ist im Vergangenen Jahr in Kopenhagen gestorben und in die Trauer mischten sich Freude und Dankbarkeit: Freude darüber, daß sie wundervolle Aufnahmen hinterließ, die ihre Stimme, ihre Sangeskunst und ihre unvergleichliche Interpretationsintensität bewahren und Dankbarkeit für ein Leben im Dienste der Oper, nein, der großen Kunst. Daß sie den Triumph ihrer Salome-Darstellung erleben durfte, ist wunderbar, noch wunderbarer ist, daß sie gerade noch erleben durfte, daß ihre Aufnahme von Arnold Schönbergs „Erwartung“ ein Riesen-Erfolg wurde. Wir ehren in ihr eine ganz große Sängerin, eine Künstlerin, die sich immer auch für die zeitgenössische Musik eingesetzt hat.
Und Simon Estes, dem Stimmgewaltigen, dürfen wir gratulieren. Zum 71. Geburtstag. Niemand hat so wie er das Jenseitige in seine Stimme legen können, das Entrische, wie die Österreicher gerne sagen. Man muß nur seinen Boris Godunow gehört haben, seinen Wotan oder seinen Philipp II. Oder eben seinen Neptun im Idomeneo mit Herrn Harnoncourt. Grandios! Und wie er sich für die Aids-Prävention in Südafrika einsetzt und weltweit für talentierte Studenten über seine beiden Stiftungen „Simon Estes Educational Foundation“ und „International Foundation for Children“ verdient größten Respekt. Herzlichen Glückwunsch!
Spitzweg ist vor gut zweihundert Jahren geboren. Da fallen uns natürlich die Genre-Bilder ein, der Bücherwurm zum Beispiel (es muß ja nicht immer der arme Poet sein) oder das Liebesbriefchen etc etc. Biedermeier eben, oder?! Deutscher geht es eigentlich nicht mehr. Jetzt würde ich gerne sagen, daß es da noch einen unbekannten Spitzweg gibt (den es natürlich gibt, wer kennt denn schon alle seine Bilder), einen, der ein heimlicher Revolutionär ist und den es zu entdecken gilt – gerne würde ich so was sagen, weil es geradezu danach schreit, daß da mehr ist, nein, sein muß, als nur das Genre-Bild. Und, wenn ich den Quellen glauben darf, ist da auch mehr, aber das ist nicht ganz so der Hammer wie sein Hauptwerk. Und deshalb sage ich: lassen wir doch einfach mal zu, daß die Spitzweg-Bilder uns gefallen, auch wenn sie „nur“ kleine Biedermeier-Genre-Bilder sind: sind sie nicht toll? Sind sie nicht wundervoll beobachtet? Geht es uns nicht allen so, daß sie uns ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern? Und das sollte keine Kunst sein? Ich bitte Sie: ich rufe gerne und überzeugt: Hoch lebe Carl Spitzweg, der wirkliche und wahre Meister der Idylle! Seine Mischung aus Karikatur und Liebenswürdigkeit ist einmalig, keiner kann es ihm da gleichtun. Gestorben ist er übrigens so, als wäre er selbst eines seiner Bilder: zurückgelehnt in seinem Ohrensessel. Na, ist das nicht wunderbar?!
Der Mulatschak und die Liturgie
Nochmal die Ungarn: sie haben zwar den Mulatschak erfunden, das Koma-Trinken sozusagen und es gibt Tausende von Geschichten über dieses heldenhafte Kapitel der ungarischen Männer, aber: sie können auch konsequent sein. Sie haben ein Tabu-Thema allerersten Ranges aufgreifen müssen und konsequent nach dem Grundsatz „Wehret den Anfängen“ entschieden. Es geht um Alkohol am Steuer. Ungarn ist Null – Toleranz – Land, Null Promille. Und das wird streng überwacht und verfolgt, jeder ist gut beraten, sich daran zu halten, wenn er weiterfahren möchte. Jetzt könnte man sagen: na ja, Alkohol trinken ist in jedem Fall eine freiwillige Geschichte, man kann ja wohl keinen zwingen, es zu tun. Weit gefehlt. Es gibt eine Berufsgruppe, die muß Alkohol trinken und zwar regelmäßig, das gehört zu einem zentralen Bereich der Berufsausübung: die Priester. Ein Priester muß bei der Messe einen Schluck trinken, ob er will oder nicht. Nun kann das natürlich zu Problemen führen: da hat ein Geistlicher nicht gefrühstückt und muß um sechs Uhr früh die erste Messe lesen, dann um ¼ vor sieben die zweite und um, sagen wir mal, halb neun die dritte. Und dann natürlich um halb zehn das Hochamt. Jetzt nehmen wir einmal an, daß alle diese Messen nicht in derselben Kirche zu lesen sind sondern in vier Kirchen, die weit auseinander liegen. Was das bedeutet, liegt auf der Hand: er muß mit dem Auto von Kirche zu Kirche fahren. Nun hat die ungarische Bischofskonferenz in Person ihres Sekretärs László Németh genau daran gedacht und dem Justizministerium geschrieben: „Wir sind überzeugt, daß dieser spezielle Fall eine Ausnahme von der Null-Toleranz-Grenze darstellen muß“ und hat dabei nicht mit dem ungarischen Minister Albert Takács gerechnet: Der muß da offenbar eine Vision gehabt haben: er sah Hunderte von Priestern am Sonntag vollkommen hacke durch Ungarn fegen, in Schlangenlinien natürlich, den ganzen geistliche Stand am Sonntag in einem einzigen Mulatschak durch die Kirchen torkeln und dem wollte er keinen Vorschub leisten. Heldenhaft hat er in einem Bescheid die Anfrage der Bischofskonferenz abgeschmettert: auch Priestern sei Alkohol am Steuer nicht erlaubt. Und fertig. Also ein bißchen schade finde ich das schon, unter uns gesagt. Ich hätte da ein bißchen mehr Vertrauen in unsere Geistliche gehabt. Andererseits: wenn man sich da so unseren Wilhelm Busch ansieht...!
Mahlzeit!
Und dann war da noch die Sache mit der Pizza! Dr. Oetker, Sie wissen schon, das Puddingteilchen aus Bielefeld, hat in Spanien zur TK-Pizza eingeladen. Warum? Weil da der Umsatz astronomisch gestiegen ist: erst um 12 %, dann um 30 % und im letzten Jahr konnte der Umsatz an TK-Frisbee-Scheiben vervierfacht werden. Daß wir da erstmal die Spanier bedauern ist klar. Ausgerechnet ein deutscher Pizzahersteller fegt alle Konkurrenten vom Markt, das ist ja schon ein Ding, oder. Nun war der Spanier in italienischer Küche noch nie überzeugend. Wer einmal in Spanien einen Teller Spaghetti gegessen hat, wo fünf Nudeln völlig verkocht in einem Meer von Öl und Butter herumschwimmen, der weiß, wovon ich spreche. Nur: verdient haben sie das trotzdem nicht. Jetzt kommen also die Scheiben auf die Spanier zugeflogen, mit Thunfischkrümeln oder Mozzarella-Scheiben aus dem Allgäu, und sie essen´s tatsächlich. Zu ihrer Ehrenrettung kann ich nur sagen: die Spanier sind, was die TK-Pizzen pro Kopf angeht, weltweit auf Platz 14. Wissen Sie, wer die Nummer 1 sind? Sie kommen nie drauf: die Norweger! Ich tu mich immer noch schwer, das zu glauben, seit ich diese Nachricht gelesen habe. Die Norweger! Was machen die nur mit den ganzen Pizzen? Vielleicht werfen sie die hartgefrorenen Scheiben über die Fjorde einander zu, als eine Art Italo-Frisbee. Oder aber, und das würde es erklären: sie binden um die TK-Pizza eine Kordel und benutzen sie als Schneeschuhe. Und wenn der Hunger kommt, wird einfach in die Schuhe gebissen...!
Tschö zusammen!
Ihr Konrad Beikircher
© Konrad Beikircher
Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009 Redaktion: Frank Becker |