Das große Warum
Bleibt zu fragen, warum Menschen dauernd «Warum?» fragen, wie auch Erich Kästner in seinem Gedicht «Wieso Warum?» erkunden wollte. Die vermutlich am häufigsten zu hörende Frage will wissen: «Warum ist die Banane krumm?», und wie es sich gehört, kann man zwei Antworten geben. Die botanische lautet, daß eine Banane seitlich aus ihrer Staude herauswachsen muß und sich dabei nach oben zum Licht hin krümmt. Die komische lautet, daß eine Banane sich dem menschlichen Mund entgegenneigt, um bequem verspeist werden zu können. Einmal geht es um einen (evolutionären, biochemischen) Mechanismus, und dann versucht man noch den nützlichen Zweck zu verstehen. Fragen mit einem Warum scheinen sich bevorzugt nach solch einem Sinn zu erkunden, etwa wenn sich jemand wundert: «Warum bin ich auf der Welt?», oder fragt: «Warum weiß ich nicht, wo ich nach dem Ende meines Lebens hingehe oder sein werde?» In dieser Neugierde zeigt sich allgemein das, was Aristoteles als Natur der Menschen beschrieben hat, nämlich nach Wissen zu streben. Und es läßt sich argumentieren, daß es schön ist, wenn dieser Wunsch nie an ein Ende kommen und man immer weiter fragen kann, wie es in diesem Buch vielfach vorgeführt wird.
Warum fragen Menschen nach dem «Warum»? Weil es ihnen von Grund auf gefällt. Und warum sind sie auf der Welt? Um ihre Schönheit wahrnehmen und sich darüber freuen zu können. Und warum wissen sie nicht, wohin sie gehen? Weil den Tod damit etwas Geheimnisvolles umgibt, was Menschen bei allem Schrecken ein schönes Gefühl vermitteln kann. Wenn Matthias Claudius in einem Gedicht den «Tod und das Mädchen» zusammenführt, nennt sie ihn «Lieber», während er ihr anbietet, sanft in seinen Armen zu schlafen. Warum sollte man dieses Angebot ablehnen? Man kann sich auf jeden Fall auf ein Erwachen freuen, auch wenn offenbleibt, wann und wo das sein kann. Damit bekommt die Nacht die Eigenschaft der Offenheit, wie es das Licht am Tage bewirkt. Gut zu wissen.
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
© 2023 C.H. Beck
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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