Was mich froh macht

von Frank Becker

Foto © S-B-A
Was mich froh macht.
 

E
s macht mich froh, wenn in meiner Umgebung mal niemand sein Mobiltelefon benutzt.
Es macht mich froh, wenn mein Briefkasten nicht mit Reklame vollgestopft ist.
Es macht mich froh, wenn ich mir einmal nur für zehn Minuten keine originellen Klingeltöne anhören muß.
Es macht mich froh, wenn ein Lastwagenfahrer den Motor seines Ungetüms abstellt.
Es macht mich froh, wenn ich merke, daß der Passant in meiner Nähe nicht gefährlich irre ist, sondern nur über ein ganz kleines Mikrophon und ein unsichtbares Telefon mit jemandem telefoniert.
Es macht mich froh, wenn mir auf der Straße oder im Bus nicht aus plärrendenden Abspielgeräten stumpfsinniger Halbwüchsiger orientalische Klänge oder Gangsta-Rap aufgedrängt werden.
Es macht mich froh, wenn ich sehe, daß ein Jugendlicher einem Älteren sein Platz im Bus anbietet.
Es macht mich froh, wenn mal einen Tag lang nicht der Schrotthändler mit seiner über Lautsprecher abgespielten nervtötenden Melodie durch mein Wohnviertel geistert.
Es macht mich froh, wenn ich unterwegs einmal nicht von jungen Mädchen umgeben bin, die hektisch auf ihren tragbaren Kleinstfernsprechern SMS-Botschaften versenden und alle 60 Sekunden auf das Gerät starren, ob nicht irgend jemand ihnen eine gesandt hat.
Es macht mich froh, wenn sich im Theater, Konzert oder Kabarett nicht ständig Arme in die Höhe recken, in deren Händen digitale Kameras aufleuchten, um das Bühnengeschehen abzulichten.
Es macht mich froh, wenn mir im Bus und in der Bahn nicht ein junger Mensch mit ausdrucklosem Gesicht und starr ins Leere gehendem Blick gegenübersitzt, weil die Knöpfe in seinen Ohren ihm akustische Botschaften ins sich immer weiter entleerende Hirn pressen.
Es macht mich froh, in ein Lokal zu gehen, in dem das Rauchen verboten ist.
Es macht mich froh, wenn ich Menschen sehe, die von Angesicht zu Angesicht ganz ruhig miteinander plaudern.
Es macht mich froh, wenn man mich einfach mal in Ruhe läßt.
Es macht mich froh, wenn ich ein Plätzchen finde, an dem es still und friedlich ist.
Es macht mich froh, freundlichen Gesichtern zu begegnen.
Es macht mich froh, ein Lächeln zu erhaschen.
 
Wie hat die Welt sich doch verändert und wie anders sieht heute aus, was mich froh macht. Sicher macht es mich auch heute noch froh, wenn die Sonne scheint, eine Blume blüht, ein Kind lacht, ein Vogel singt, ein Schmetterling vorbeitaumelt oder ein Brief eines Freundes ankommt. Doch das ist alles nicht mehr ganz so selbstverständlich zu bekommen. Achten Sie mal drauf: Auch im Wald, einst Rückzugsgebiet für Lärm-Gequälte, wird telefoniert, überall rennen die Leute mit ihren Apparaten in der Hand herum, als wären es überlebenswichtige Herzschrittmacher. Ständig kommen uns Zombies entgegen, aus deren Ohren Strippen hängen oder die wie debil vor sich hinbrabbeln. Lastwagen scheinen für den Motor keinen Abstellknopf zu haben, selbst wenn der Chauffeur lange stehen bleibt oder gar weggeht. Buben mit herunterhängenden Hosenböden, Kapuzenpullis, blödem Gesichtsausdruck und dem sprachlichen Ausdrucksvermögen eines Neandertalers stehen im Weg und kleine Talmi-Mädchen mit Metall überall im Gesicht und an Stellen, an die wir nicht mal denken möchten, wollen Superstars werden. Rotzlöffel mit gelangweiltem Gesichtsausdruck fläzen sich auf den Sitzen von Bus und Bahn, während alte Leute neben ihnen stehen müssen - und niemand weist diese Lümmel zurecht. Der Postbote kommt nicht mehr mit einer Umhängetasche aus - er braucht einen Karren, um all den Papiermüll zu verteilen, den man ihm aufzwingt. Handgeschriebene Briefe und hübsche Postkarten sind kaum noch darin. Da wo einst Bäume, Büsche und Hecken in den Wohngebieten Lebensraum für Vögel gaben, wird von Hausbesitzern Kahlschlag betrieben, damit bloß keine Kosten enststehen. Es ist kein Platz für Vögel und Schmetterlinge und Freundlichkeit.
Robert Crumbs Mr. Natural hat einmal gesagt: „Das ganze Universum ist völlig wahnsinnig!“ – Aber so weit müssen wir gar nicht fliegen. Da genügt es schon, hier vor die Türe zu gehen.
 
Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Tag.