Francois Villons „Großes Testament“ - deutsch von Ernst Stankovski

Ein Glanzstück aus der Fülle der Villon-Übertragungen

von Frank Becker

© Langen Müller
François Villon
Das Große Testament

Übertragen von Ernst Stankovski


Als im Jahr 1981 beim Verlag Langen Müller „Das große Testament“ des François Villon nebst der Vertonung von vierzehn Balladen für Gitarre in einer neuen Übertragung des Schauspielers, Komponisten, Autors und Chansonniers Ernst Stankovski erschien, war das eine scharfe Zäsur in der Villon-Rezeption.

Beinahe jeder auch nur ein wenig mit dem Werk
François Villons in Berührung gekommene Leser oder Hörer (seit der zur Legende gewordenen Interpretation durch Klaus Kinski) kannte dies und das aus Villons Werk, namentlich durch die Nachdichtungen des deutschen Expressionisten Paul Zech (1881-1946). Richard Dehmel, Walther Küchler und K.L. Ammer (d.i. Karl Klammer) u.a. haben, später von Epigonen nachbearbeitet, die Balladen, Lieder und Gedichte des François Villon, al. Montcorbier, in die deutsche Sprache übertragen, H.C. Artmann, Rutger Hausmann u.a.m. sorgten ebenfalls für neue Ansätze (Artmann im Wiener Dialekt) wobei die Deftigkeit Paul Zechs noch immer für die bis dahin beste deutsche Nachdichtung sorgte.

Ernst Stankovski hatte
sich 1981 zum 550. Geburtsjahr Villons dem abenteuerlichen Leben und überschaubaren Werk des Franzosen, der vermutlich von 1431-1463 lebte, mit unverstelltem Blick auf das Original genähert. Der Verlag schrieb damals im Klappentext: „Diese Übertragung setzt erstmalig das komplizierte Reimschema des Originals getreu ins Deutsche um. Dabei verliert der Inhalt nichts an Farbe und Leben, das Zeitkolorit und Anspielungen an Ereignisse der damaligen Gegenwart treten unvermittelt hervor und die Sprache ist ebenso üppig wie das ursprüngliche Französisch. (...) Wir lernen ihn und seine Zeit kennen mit all ihren Widersprüchlichkeiten, Leidenschaften und Irrtümern. Wir können Villons Verletzlichkeit nachempfinden und seine Eitelkeiten, seine hohe geistige Moral und seine verstockte Selbstgerechtigkeit, seinen Glauben und seinen Zynismus, seine Wehleidigkeit und seinen Witz. Vor allem aber sein Genie....
Wie genau diese Beschreibung zutrifft, konnte man schon ein Jahr später miterleben, als Ernst Stankovski 1982 mit seinem Bühnenprogramm zum Großen Testament auf Tournee ging. Ich hatte das Glück, diesen atemberaubend dichten Abend zweimal miterleben zu dürfen und schrieb über die vorletzte Aufführung (2003 im Wuppertaler Rex-Theater):

Zech-Kinski war gestern - Heute ist Ernst Stankovski
 
Wuppertal/Wien - Solche wie ihn gibt es nur noch in ganz geringer Zahl. Der große Wiener Burgschauspieler und Kabarettist Ernst Stankovski, Mime und Sprachkünstler von Gnaden, riß ein begeistertes und ergriffenes Publikum bei seinem Gastspiel im Rex­-Theater mit seiner delikaten Übertragung von «Das großeTestament des Franois Villon» mit Charme, Witz und brillanter Interpretation hin.
  Jahrzehntelang galt der Elberfelder Lyriker Paul Zech neben Küchler und Ammer als der Übersetzer der Werke des legendären Villon. Vor 23 Jahren hat sich Ernst Stankovski der Texte und Balladen, sowie der verfälschten Biographie des gelehrten Vaganten aus dem Frankreich des 15. Jahrhunderts angenommen, seine neue Übertragung in Buchform veröffentlicht, die Balladen für Gitarre vertont und als Solo-Programm auf die Bühne gebracht. 1982 erstmals aufgeführt, beeinflußte das Programm in 10 Jahren erfolgreicher Tourneen das Villon-Bild nachhaltig. Jetzt, aus Anlaß seines 75. Geburtstages im Juni, hat Stankovski noch einmal «seinen» Villon aufgenommen. Das Rex-Theater konnte sich einen der raren Auftritte sichern.
   Ein paar Strohballen, ein Stuhl, ein einfacher Tisch mit Kerze, Papier und Schreibzeug, ein Krug - dann aus dem Dunkel ein gealterter Villon, verwahrlost, heruntergekommen, in schlecht geflickter Kleidung mit schütterem, strähnigem Haar, doch mit messerscharfem Verstand. Stankovski gibt diesen an Leib und Seele gebrochenen Skeptiker, den in die Jahre gekommenen wortgewaltigen Kritiker und von den Menschen enttäuschten Dichter mit Bravour, schlüpft in dessen Haut - ist Villon. Ob «Über die Torheiten der Liebe (Ich will ab heute keinem Weib mehr trauen ­Glücklich ist der, den die Liebe verschont», ob das Rezept, nach dem in «Über die Verleumder» die Ehrabschneider gesotten werden sollen oder in der Ballade «Von der dicken Margot», hier zeichnet ein genialer Schauspieler und faszinierender Mensch kraftvoll das dichte, dramatische Bild eines schillernden Charakters. Dieses Portrait des mehrfach dem Henker entgangenen Mannes, eines bitteren Spötters und humorvollen Satirikers ist eine Delikatesse, die Aufführung ein Abend für Connaisseurs.
   Ernst Stankovskis Buch ist vergriffen, doch kann man ihn mit dem ViIIon-­Programm auf einer CD hören, der ein informatives 20-seitiges Booklet beigegeben ist: «Das große Testament des François Villon» (kip records, kip 6017 – LC 06949)." 

Warum erzähle ich Ihnen das heute alles, liebe Leser? Weil die wertvollen Villon-Übertragungen Ernst Stankovskis in den
Musenblättern aufleben und endlich wieder für jedermann zugänglich sein werden. Von morgen an können aus Anlaß des Todes von Ernst Stankovski am 26.1.2022 Sie hier seine Texte über
François Villon, die Balladen und das „Große Testament noch einmal en suite in seiner genialen Übertragung lesen. Wer dazu den Original-Ton hören möchte kann das, denn die oben erwähnte CD ist immer noch zu haben:

Informationen über Werk und Wirken Ernst Stankovskis unter:


Lesen Sie also am kommenden Mittwoch das erste Kapitel von
"Das Große Testament" des
François Villon
und ein Grußwort von Ernst Stankovski in den Musenblättern.