Palästina vor 90 Jahren

Arnold Zweig – „De Vriendt kehrt heim“

von Johannes Vesper

Palästina vor 90 Jahren
 
Arnold Zweigs „de Vriendt kehrt heim“
 
Mit einem Machtwort glaubt der blondeste und mächtigste Donald der Welt Frieden im Nahen Osten zu schaffen zu können und den Friedensnobelpreis zu erlangen. Massaker wie am 7. Oktober 2023 und Bombenkrieg ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung (40.000 Tote) müssen jedenfalls aufhören. Diese Gewaltepisode ist nicht die erste zwischen den Bevölkerungsgruppen in der Region. Das Massaker von 1929 entstand wegen Trennwänden an der Klagemauer in Jerusalem, mit denen orthodoxe Juden damals den Blick auf betende Frauen verhindern wollten. In dem fiktiven historischen Roman von 1932 hat Arnold Zweig den Mord an dem jüdischen Schriftsteller Dr. Jacob de Haan 1924 in Jerusalem, den „ersten politischen Mord des Zionismus“ (Meron Mendel im Vorwort), mit dem Klagemauerstreit von 1929 verwoben. Zweig nannte seinen Roman den ersten historischen Roman des Staates Israel. Der Konflikt zwischen Juden und Arabern bildet dessen einen Arm, die zärtliche Beziehung zwischen dem homosexuellen Dichter, Schriftsteller und hoch gebildeten Büchernarren Arthur de Vriendt und seinem 15jährigen geliebten Samour, der ihn vergöttert, den zweiten. Diese Beziehung bleibt nicht im Verborgenen. Eine Clique des arabischen Familienclans plant die Ermordung des orthodoxen Juden, der sich mit dieser Beziehung aber vor allem von den Zionisten bedroht fühlt.
 
Der Streit zwischen den ursprünglichen, arabischen Palästinensern und den seit Ende des 19. Jahrhunderts in Palästina einwandernden vorwiegend europäischen Juden, die dort einen jüdischen Nationalstaat gründen wollten, wird seit mehr als 100 Jahren erbittert geführt. Das Massaker von 1929 ist dafür nur ein frühes Beispiel, das vom 7.10.2023 und der folgende Gaza- Krieg sind aktuelle Ausprägungen. Die politisch historischen Grundlagen, bestehen darin, daß zwei Völker auf demselben Grund und Boden einen Staat errichten wollen, nachdem mit der kolonialistischen Balfour-Deklaration vom 2.11.1917 Frankreich und England Palästina in englische (südlich) und französische (nördliche) Interessengebiete geteilt hatten. Damals war den Juden ein eigener Staat in Palästina versprochen worden, und den Arabern war man verpflichtet wegen ihrer Hilfe gegen das im Krieg mit Deutschland verbündete Osmanische Reich.
 
Außerdem thematisiert der deutsche Jude Arnold Zweig die Schwierigkeiten und Probleme des westeuropäischen Intellektuellen strengen Juden Dr. de Haan in der Welt rechstorthodoxen Judentums in Jerusalem. Eine Übersetzung ins Hebräische dieses hochaktuellen Werks gibt es bis heute nicht. Der 1924 ermordete De Haan konnte sich eine Lösung des Palästina- Konflikts nur als einen arabischen Staat mit integrierter jüdischer Minderheit vorstellen. Die Geschichte hat solche Vorstellungen nicht zugelassen. De Vriendt war fest davon überzeugt, daß die Entwicklung der Menschheit weg von der Gewalt hin zum Recht verläuft. Seine Überzeugung hat sich bis heute in Palästina jedenfalls überhaupt nicht bewahrheitet. Auch auf der Welt nicht, auf der derzeit 59 Kriege toben. Der Antsemitismus in Deutschland lebt und nimmt zu. Das Buch ist hochaktuell
Arnold Zweig (1887-1968) stammt aus Schlesien(Glogau), studierte Germanistik Philosophie, Nationalökonomie u.a. in Breslau, München und Berlin, erhielt für seine Tragödie „Ritualmord in Ungarn“ 1915 den Kleistpreis. In diesem Jahr wurde er auch in die Armee eingezogen, kämpfte in Belgien, Serbien und vor Verdun, ab 1917 arbeitete er in der Presseabteilung der Deutschen Armee im Osten und lernte dort das Ostjudentum kennen. Bis zur Emigration nach der Machtübernahme arbeitete er als freier Schriftsteller und Journalist am Starnberger See, später in Berlin, schrieb Romane, publizierte über das Judentum, Antisemitismus u.a. 1932 bereiste er Palästina. Seine Bücher wurden 1933 unter den Nazis öffentlich verbrannt. Er floh über Sanary-sur-Mer nach Palästina, wo er als Journalist und Zeitungsherausgeber den orthodoxen Zionisten nicht genehm war. Mit seinem Roman über de Vriend hatte er 1932 sein eigenes Schicksal in Palästina quasi vor weggenommen. 1947 kehrte er zurück nach Deutschland, lebte in Ost- Berlin, wurde in der DDR hoch geehrt, wohl deswegen in der BRD weniger zur Kenntnis genommen. Sein Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof.
 
Dieser Roman erschien als letztes seiner Bücher, bevor er emigrierte. Die vorliegende gebundene bibliophile Ausgabe ist ausgestattet mit s/w-Fotos im Innern der Buchdeckel, die außen dekorativ grau-schwarz bedruckt sind. Auf dem roten Rückenschild sind Autor und Titel gedruckt.
 
Arnold Zweig – „De Vriendt kehrt heim“
Mit einem Vorwort von Meron Mendel
© 2024 Die Andere Bibliothek (476. Band), Aufbau Verlage Berlin, 273 Seiten, gebundenes Buch mit Lesebändchen und Fotos - ISBN 978-3-8477-0482-9 (Originalausgabe 48,- € vergriffen)
Extradruck 2024: 26,-€
 
Weitere Informationen: www.aufbau-verlage.de