Im Fischladen von Volosko

Ein atmosphärischer Reisebericht

von Friederike Zelesko

Foto © Friederike Zelesko
Im Fischladen von Volosko – oder:
Wo der Lungomare beginnt, heute passenderweise wieder nach Kaiser Franz Josef I. benannt.
 

Im Fischladen des Hafens bietet man alles feil, was aus dem Meer kommt. Wolfsbarsch, Kalmar, Seehecht, Aal, roten Drachenkopf, Makrele und Sprotte. Kleine Sardellen liegen hoch aufgeschichtet. Tintenfischarme werden von Zitronenscheiben gehalten. Unter dem Laden, den man über Treppen vom Hafen aus erreicht, befindet sich ein Eßraum mit ein paar Tischen und Stühlen. Die Speisekarte ist einfach. Die ausgesuchten Fische werden gebraten und mit reichlich gehackter Petersilie in Knoblauchöl angerichtet. Dazu gibt es Weißbrot, Bier oder sonnenhellen istrischen Wein. Breitbeinig hantiert ein junger Mann in der offenen Küche, die einer Schiffskombüse gleicht, nimmt aus dem Aufzug die Bestellung, die oben im Laden gemacht wird, klappert mit dem Geschirr.

Der Hafen

Frauen und Männer am Nebentisch unterhalten sich lebhaft. Gebratenes verschwindet in ihren Mündern und für einen Augenblick herrscht genußvolle Stille. Dann höre ich das Meer bis an die Tische schlagen. Der Raum ist schmal, die Holztische grob gezimmert, die Decke gewölbt. An den Wänden hängen Muscheldekorationen. Der junge Mann bedient nur wenige Gäste. Er hat ein rundes, kindliches Gesicht und alte Augen. Er bringt sofort eine neue Serviette, als sie mir mit einer

Fischerort Ika mit Lungomare - Foto © Friederike Zelesko
ungeschickten Bewegung vom Schoß gleitet. Seine Geste ist von natürlicher Körperlichkeit. Er ist wie ein Seemann gekleidet, trägt eine schwarze Hose und ein schwarzweiß gestreiftes Polohemd. Ich esse mit Genuß das weiße Fischfleisch und sehne mich plötzlich nach Nähe.
Später gehe ich im Hafen umher. Er hat die Form eines Hufeisens. Viele Boote liegen hier. Ruderboote mit abgesplitterter Farbe haben schon einmal bessere Tage gesehen. Motorboote mit blauen Baldachinen warten auf die nächste Touristenrundfahrt, und pralle Gummiboote mit aus dem Meerwasser gekippten Außenbordmotoren schaukeln im Wasser. Das Meer ist mäßig bewegt, schickt seine Wellen ununterbrochen ins Hafenbecken.
Hier in Volosko am Kvarner Golf stellen die Künstler ihre Bilder an den Hauswänden zum Verkauf aus oder hängen sie in dunklen Gewölben an grob geputzte Mauern.  Die Motive gleichen sich: Ein kleiner Hafen am Mittelmeer mit engen Gassen, der sich ins üppiggrüne Hinterland schmiegt; hellrote Dächer mit Schornsteinen, die bis an den Boden reichen; Treppen, Torbögen und Balustraden mit mediterranen Pflanzen und Blumenschmuck; und immer wieder das Meer mit im Hafen dümpelnden Booten. Ihre Masten recken sich in das Blau eines Himmels, das sich, einmal gemalt, nie mehr verändert. In Wirklichkeit aber verändert sich der Himmel ständig. Weit draußen weht nun ein kräftiger Wind. Er kündigt schlechtes Wetter an. Das Gebirge hinter Rijeka hat sich dunkel bewölkt. Die Farbe des Meeres ist grau.

Die Promenade

Am Ende des Hafens beginnt der Lungomare. Für „Franza Josefa I – Austro-Ungarski Car 1830-1916“ gebaut, so steht es auf einer Tafel, windet er sich zwölf Kilometer am Meer entlang bis Lovran, vorbei an Orten, die der Habsburger vielleicht einmal besucht hat. „Ich bin Ihnen auf der Spur, Majestät, lege meine Hände auf ein Geländer, auf das auch Sie Ihre kaiserliche Hand gelegt haben“. Doch bis auf Linien der Landschaft, der Bucht, ist nichts mehr wie damals. Heute kommt jeder, der

Lungomare Blick auf die Insel Cres - Foto © Friederike Zelesko
das Meer liebt und mit jeder neuen Rundung dieser Uferpromenade öffnet sich eine andere Sicht auf das Meer. Inseln tauchen plötzlich auf. Sie scheinen nah, doch diese Nähe trügt. Schiffe weit draußen spinnen das Meerwasser hinter sich zu einem weißen Faden, der sich ganz schnell wieder zurückdreht in seine samtweiche, glatte Wasserhaut. Die Promenade ist in die Felsen gehauen oder auf Felsen gebaut. Sie ist ohne nennenswertes Gefälle oder Steigung.  Die Blätter der Lorbeerbäume glänzen am Weg, Kiefern und riesige Steineichen spenden Schatten und laden zur Rast ein auf den zahlreichen Bänken, die alle auf das Meer blicken. Stilleben gleich verkörpern sie mit ihren Rückenlehnen die absolute Ruhe. Ich nehme Platz in dieser Ruhe von Himmel, Fels und Meer. Es kocht ganz plötzlich in dieser friedlichen, blaßblauen Nachmittagsbucht. Makrelenschwärme ziehen vorüber. Dann springen sie zirkusreif, die Flossen ganz spitz und hart vor Freude. Ihre blauen Leiber gleißen wie Blitze. Ich höre sie lachen.


© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009