Klamm rechnet ab
Ovationen für Rainer Kreusch
Mit der Aufführung des Ein-Personen-Stücks «Klamms Krieg» von Kai Hensel beschreitet das Kinder- und Jugendtheater Wuppertal neue Wege, indem es ein Publikum mit reiferer Einsichtsfähigkeit anspricht. Der Erfolg der Premiere am Samstag im Rex-Theater für das Stück, Laurentiu Tuturugas Regie und den brillanten Darsteller Rainer Kreusch war überwältigend und gibt dem Konzept Recht.
Mit den Phänomen der Gewalt, ihren Formen und Ursachen in der erlebten Wirklichkeit ist heute unsere Gesellschaft allzu vertraut. Durch täglichen Kontakt mit der die Konflikte spiegelnden Medienlandschaft kann sich kaum ein erwachsener Mensch mehr der Problematik entziehen. Gewalt in jedweder Form scheint als Problemlösung akzeptiert zu sein. «Klamms Krieg» ist ein Menetekel, ein mörderisches Beispiel. Das Wuppertaler Jugendtheater hat die Feuerschrift, die unserer Gesellschaft entgegen brennt, nicht übersehen.
Ein Schüler hat sich umgebracht, weil er das Abitur nicht bestanden hat. Ein Punkt, den ihm Deutschlehrer Klamm verweigert hatte, hat gefehlt. Die folgende Klasse, in der Klamm unterrichtet, schreibt ihm einen Brief, der eine entsprechende Schuldzuweisung enthält und ihm den «Krieg» erklärt. Die Waffe der Schüler ist eisiges Schweigen. Klamm sieht sich mit einem Problem konfrontiert, das er glaubt, lösen zu können. Doch er unterschätzt die fatale Situation, unterschätzt die tödliche Energie, die in dem kollektiven Schweigen steckt. Die psychische Gewalt der konsequenten Ablehnung und Verweigerung zieht konzentrische Kreise, die auch Klamms Kollegen erfassen. Seine Lage ist ausweglos. Klamm rechnet ab, Klamm sucht Kompromisse, Klamm redet – Doch nach kurzem Aufflackern von Hoffnung wird deutlich: Klamm wird, alle werden diesen Krieg verlieren.
Rainer Kreusch zeigt in der Darstellung Klamms, im nach außen Tragen des inneren Monologs des zerquälten Menschen große Schauspielkunst. «Niemand beginnt einen Krieg, den er nicht gewinnen will», sagt Klamm, der sich im Recht sieht und sich dem Kampf stellt. Doch die grausame Mauer des Schweigens kann er nicht durchbrechen. Kreusch zieht sämtliche Register, vermittelt Emotionen, entäußert sich erschütternd der intimsten Regungen seiner Figur. Da sitzt Klamm, der scheinbar gelassen, doch innerlich bebend einen Apfel isst. Der mit dem Kugelschreiber knipst, dessen Überlegenheit durchsichtig geworden ist. Der zur letzten Schulstunde eine Pistole mit 13 Schuss im Magazin mitbringt...
Der brillante Klamm-Darsteller Rainer Kreusch wurde mit 10-minütigen Ovationen gefeiert. Unbedingt sehenswert. Karten und Termine unter Tel. 0202-899154.
Termin-Informationen unter www.kinder-jugendtheater.de
29.5.2003