Wein und Sinnlichkeit
Ausstellung in der Staatlichen Antikensammlungen /
Glyptothek München 11.07.-20.10.2024
Von Hause aus als Food-Fotograf an Dionysos und Wein interessiert, fing Johann Willsberger Feuer schon beim Besuch der Würzburger Antikensammlung. Die faszinierenden Lebenswelten auf Bildern antiker Vasen führten ihn in die Münchener Glyptothek und zu weiteren Sammlungen. Aus dem Gespräch mit den Museen ergab sich das Projekt einer Ausstellung mit Gegenüberstellung von digitalen Wein-Fotografien von heute und Gemälden auf griechisch-römischen Keramikgefäßen und im vorliegenden Ausstellungskatalog dokumentiert.
Wein wurde im Kaukasus schon vor rund 8000 Jahren angebaut, ist seit 4500 v.Chr. in Griechenland nachweisbar und kam mit der großen griechischen Kolonisation ab 750 v. Chr. nach Italien und Südfrankreich. Bei den Römern wurde Dionysos zu Bacchus und der Wein mit Caesars Hilfe nach Gallien und zu den Germanen gebracht.
Die Bilder und Motive auf griechischer Keramik vom pornografischen Koitus bis zur Darstellung des Gottes boten den Gästen beim Abendessen analog nahezu interaktive Unterhaltung. Da starrten die Trinkkumpanen beim Heben der Trinkschalen ihres Gegenübers auf aufgemalte Großaugen („Augenschalen“) oder lasen auf anderen: „Sei gegrüßt und trinke!“ Auf des Kraters Grund nach dem Trunk erfreute man sich endlich an erotischen Spielen geiler Mänaden oder an Sex mit Maultieren. Dionysos hatte aber nicht nur Wein im Angebot. Jede Form von Ekstase, Euphorie und Wahnsinn war sein Thema. Mit dem Öffnen der Weinflaschen begann sozusagen der dionysische Gottesdienst. Die schönen antiken Abbildungen aus den Sammlungsbeständen vom 11. Jahrhundert v. Chr. bis zu den Römern bieten – mit Ernst Buschors großem Werk vor vielen Jahrzehnten zwar nicht zu vergleichen - immerhin eine kleine Stilkunde in exzellenter Drucktechnik, soweit bei dem nur als PDF zur Verfügung gestellten Exemplar zu beurteilen.
Und wir können uns beruhigen, wenn wir den Grauburgunder beim Supermarkt im Weinschlauch kaufen. Schon der Silen Terpon 510 v. Chr. benutzte ihn für den Nachschub. Rund 11% der Frauen betrieben in Deutschland 2022 riskanten Alkoholkonsum, bei den alten Griechen kaum weniger. Ausgelassene Mänaden im Rausch wurden auf den Vasen dargestellt, bei Wein zum Wahnsinn neigend. Kein Zufall ist der gleiche Wortstamm von Mänade und Manie (=Wahn). Die Männer kotzten schon damals in Folge schädlichen Alkoholgebrauchs einfach in der Nähe ihres Gottes. Insgesamt scheint aber die Stimmung beim Symposion gut gewesen sein, zählt man die oft bemerkenswerten Erektionen, den Gruppensex mit Hetären oder die abgebildeten Musikinstrumente (Aulos, Kithara), zu denen auch gesungen wurde.
Das Interesse an antiken Keramikbildern war über Jahrhunderte verschüttet, nahm aber mit den Ausgrabungen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder zu. Durch Umzeichnungen der Vasenbilder auf rechteckige Bildtafeln unter Verzicht auf Farbe, wie sie Johann Heinrich Tischbein (der „Goethe-Tischbein“ 1751-1829) unter dem Einfluß von Johann Joachim Winckelmann (Begründer der wissenschaftlichen Archäologie 1717-1768) in der 2 Hälfte des Jahrhunderts vorgenommen hat, wurde die Antike bildnerisch wiederbelebt. und die Vasenbilder von ihren ursprünglichen Orten abgelöst, wie Jochen Griesbach in seinem Essay « Bilder bügeln » ausführt. Später wurden die Bilder quasi von den Vasen abgepaust. Der Food-Fotograf perfektionierte das Abbügeln der Bilder jetzt mit seiner digitalen Kameratechnik.
Neben den antiken Lebenswelten wie sie auf Vasen dargestellt wurden, ist Johann Willsberger am Wein an sich interessiert, zeigt gärenden Rotwein (Corvina), der in seinen Fotografien zu ästhetisch schönen, abstrakten Bildern mit unruhigen Oberflächen und unregelmäßige Konturen auf schwarzem Hintergrund mutiert. Die glitzernde, herdförmig rötlich schimmernde Oberfläche gärender Syrah Trauben entfaltet vor schwarzem Hintergrund ihre Reize. Die antiken Vasenbilder aus dem 6. Jahrhundert vor Christus werden dank Digitalphotographie und den Möglichkeiten moderner Bildbearbeitung bei ihm zu flächigen Motiven der Popart. Beim Besuch dieser Ausstellung werden sich heutige Weinfreunde beim Anblick antiker Vasen und der Weinfotografien von Johann Willsberger an stattgehabte, ganzheitlich verschmolzene Genüsse erinnern, die zum Museumsbesuch motivieren. Glänzendes Museumsmarketing und die Ausstellung sehr empfehlenswert! Der Band „Die Kunst der Antike - Meisterwerke der Münchener Antikensammlungen“ dem „ältesten öffentlichen Museum Münchens und dem weltweit einzigen für antike Skulpturen“, wurde → hier 2017 besprochen. Der Name, zusammengesetzt aus altgriechisch „glyphein“ (Meißeln) und „theke“(Ablage), wie auf der Webseite des Museums zu lesen, symbolisiert die Funktion des Museums.
Sonderausstellung: Wein & Sinnlichkeit
Der Fotograf Johann Willsberger entdeckt das griechische Symposion
11.07.-20.10.2024
Antike am Königsplatz - Glyptothek München
Katharina von Bora Str. 10, 80333 München.
Katalog zur Ausstellung
herausgegeben Jochen Griesbach und Florian S. Knaup
© 2024 Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München, 116 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und mit Essays von Jörg Gebauer, Jochen Griesbach, Florian S. Knauß, Literaturverzeichnis, Anmerkungen, Abbildungsnachweis - ISBN 978-3-933200-54-9
24,90 € (nur über das Museum erhältlich)
Weitere Informationen: www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de |