Wut entwickeln!
Artiges Zureden wird unsere Welt nicht retten
„Der begrenzte Zeithorizont der Wirtschaft
ist identisch mit ihrer Gewissenlosigkeit.“
(Herbert Gruhl, „Ein Planet
wird geplündert“, 1976)
Selten hat mich ein Buch über die absehbare Zukunft unseres Planeten dermaßen derart gefesselt und zugleich dermaßen in Rage gebracht, wie Martin Häuslers – „Unsere entscheidenden Jahre“, das soeben im Europaverlag erschienen ist. Der Autor rechnet darin ohne jede Beschönigung mit jenen ab, die seit Beginn der Industriellen Revolution beharrlich daran arbeiten, die Ressourcen der Erde ohne Rücksicht auf Verluste mit dem einzigen Ziel der Gewinnoptimierung auszubeuten – mit den Konzernen und ihren CEOs (Chief Executive Officer - Geschäftsführendes Vorstandsmitglied nach amerikanischer Bezeichnung), die durch ihre wirtschaftliche Macht die Staaten der Welt in ihrem Würgegriff haben und die Umwelt- wie die Wirtschaftspolitik bestimmen (man schaue am Beispiel Deutschlands nur mal genau darauf, wohin unsere Minister, Staatssekretäre und sogar ein Kanzler – der nächste ist schon absehbar – nach ihrer Abwahl verschwinden).
Seit weit über einem halben Jahrhundert warnt die seriöse Wissenschaft vor der Ausbeutung des Planeten, seiner Bodenschätze, seiner Wälder (nicht nur der Regenwälder) und Meere, seiner Grundwasservorräte, die von kreuzdummen Politikern an Getränkekonzerne verscherbelt werden und zeigt die Folgen auf, die unumkehrbar eintreten werden, wenn erst einmal eine gewisse Linie überschritten ist. Von der Politik belächelt, abgewatscht und in die Ecke gestellt, von der Wirtschaft gar der Panikmache beschuldigt, müssen die weitsichtigen Fachleute bis heute mit ansehen wie unser blauer Planet planvoll und rücksichtslos ausgebeutet wird. Niemand steht auf – mal abgesehen von den jungen Menschen, denen die Welt einmal gehören soll, aber die werden wiederum belächelt, wenn nicht gar mit Strafverfahren überzogen. Sagen wir es hier ein weiteres Mal deutlich: Der Planet geht zugrunde.
Aus dem Verlagstext: „ (…) Wir kennen alle wissenschaftlichen Zusammenhänge und Wirkmechanismen. Wir wissen auch längst, wie man es besser machen könnte. Und doch geht es kaum voran. Seit der ersten Klimakonferenz kennen die Kohlendioxid-Emissionen nur einen Weg – den nach oben. Das Gleiche gilt fürs Artensterben, für die Entwicklung der Müllmengen, des Einsatzes von Pestiziden, der Entwaldung, Bodenversiegelung und Luftverschmutzung. Aber wir wissen auch, wer die Schuldigen dieses bislang ungebremsten Ökozids sind und wie sie die nötige Transformation behindern und aufschieben. UN-Generalsekretär António Guterres hat sie öffentlich benannt: Es sind wenige Großkonzerne! Ihr entfesselter Wachstumshunger hat dazu geführt, dass planetare Belastungsgrenzen überschritten sind, Kipppunkte erreicht werden und unsere Gesundheit gefährdet ist (…).“
Unter fünf Stichworten klagt Martin Häusler in seinem Buch an, nennt Firmen, Konzerne, Marken und Manager beim Namen, die 1. das Klima, 2. die Luft, 3. das Wasser, 4. den Boden und 5. die Biodiversität angreifen, ausbeuten und zerstören. Er erklärt wie weit der Grad der Plünderung bereits fortgeschritten ist, wie wir werden leben werden, wenn weiterhin nichts dagegen unternommen wird, wo die Möglichkeiten für unsere Rettung liegen und wer sie gezielt blockiert. Er nennt Firmennamen, allen voran und immer wieder Bayer (mit Monsanto), Dupont, Exxon Mobile, Nestlé, Coca Cola, Black Rock, BASF, MSC (Kreuzfahrten) u.a.m., gibt den Verantwortlichen ein Gesicht (auch mit Illustrationen im Text), die bislang unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung arbeiten konnten und wie ihre Arbeitgeber dadurch unermeßlich reich wurden, während ein Teil der Weltbevölkerung unter ihrer Ausbeutung verarmt.
Ich zitiere hier den Anfang von Martin Häuslers Vorwort: „Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Buch einen härteren Ton anschlage. Denn meine Geduld ist am Ende. Wir haben das Jahr 2024 erreicht. Wenn es um die Gefährdung unserer Lebensgrundlagen geht und die unserer Kinder und Enkel und den Lebensraum von Abermilliarden anderer Lebewesen, können wir heute keine Diskussionen mehr fuhren wie noch vor 50 oder auch nur 20 Jahren. Der Weg der reinen und immer zu Kompromissen bereiten Klima- und Umweltschutzdiplomatie hat sich ganz eindeutig als unzureichend erwiesen. Auch Nobelpreise, Manifeste, Massendemonstrationen und Straßenblockaden scheinen nur eine begrenzte Durchschlagskraft zu haben. Deshalb ist sicher nicht nur meine Geduld am Ende. Es ist die Geduld von Millionen, wenn nicht Milliarden von Menschen. Ich meine die Geduld mit denjenigen, die seit Jahren und Jahrzehnten dabei sind, für monströse Geschäftsmodelle und glänzende Geschäftsbilanzen unseren Planeten zu zerstören, und die in keinster Weise daran denken, ihr Verhalten zu ändern. Sie wissen, wen ich meine. Ich spreche von den CEOS, deren Namen in der Ausbuchstabierung der Umweltkrisen viel zu selten fallen.
Diesen sogenannten Managern spielt ein großes Dilemma in die Karten: daß die Natur ihnen keine Rechnung stellt. Bereits 2013 fand eine durch das UN-Programm The Economics of Ecosystems and Biodiversity (TEEB) in Auftrag gegebene Studie heraus, daß die globale Wirtschaft den Ökosystemen jedes Jahr Werte in der Summe von 7,3 Billionen Dollar entnimmt. Kein einziger Industriesektor, so die Studie, würde Gewinne einfahren, würde für das genutzte Naturkapital gezahlt werden müssen. Bitte, stellen Sie sich das einmal in Ruhe vor: Niemand aus dieser glorreichen Riege von Unternehmensbossen hätte sich im Licht' positiver Jahresbilanzen sonnen dürfen. Keiner der historischen Helden florierender Wachstumsbranchen hätte heute in Chroniken, Ahnengalerien, Lehrbüchern oder gar politischen Reden Anerkennung verdient. Ihr Erfolg wurde allein deshalb möglich, weil es statthaft war (und ist), jemanden auszubeuten, der nicht in der Lage war (und ist), seinen Anteil am Erfolg einzufordern oder - davon wäre wohl eher auszugehen - seine Beteiligung an den destruktiven Liefer- und Abfallketten zu verweigern.
Profit auf Pump also. Ein paar Großkonzerne sind zu Großschuldnern unseres Planeten geworden, können aber fast ungestraft ihre zerstörerischen Pläne von Wachstum und Expansion weiterfahren. Im ostdeutschen Braunkohlentagebau, in westdeutschen Chemielaboren, in schweizerischen Zementwerken, in kanadischen Ölsanden, in amerikanischem Frackingschiefer, unter arabischen Wüsten, in chinesischen Zechen und Fangnetzen, im brasilianischen Dschungel, in rumänischen Urwäldern, in indischen Plastikfabriken, bald wohl auch in den Tiefen der Ozeane auf der Jagd nach Manganknollen. Über 30 Klimakonferenzen zum Trotz, über 15 Artenschutzkonferenzen zum Trotz.“
Das Buch ist unbedingt zu empfehlen und sollte an allen unseren Schulen zur Pflichtlektüre werden.
„Je länger wir warten, desto radikaler werden die Lösungen sein müssen!"
Martin Häusler – „Unsere entscheidenden Jahre“
Welche Grenzen überschritten sind, wo wir noch gestalten können, wer uns daran hindert
© 2024 Europaverlag, 224 Seiten, Klappenbroschur 16 x 24 cm, durchgehend 4-farbig mit zahlreichen Grafiken und Illustrationen, Quellenhinweise - ISBN 978-3-95890-604-4
25,- € (D) / 25,70 € (A) inkl. MwSt. Weitere Informationen: www.europa-verlag.com
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