Giuseppe Verdis Requiem im Großen Saal auf dem Johannisberg

Instrumentalverein und Chor der Konzertgesellschaft Wuppertal glänzen

von Johannes Vesper

Foto © Karl-Heinz Krauskopf

Instrumentalverein Wuppertal e.V. - Chor der Konzertgesellschaft Wuppertal
 
Giuseppe Verdis Requiem im Großen Saal auf dem Johannisberg

Von Johannes Vesper
 
Das Requiem von Giuseppe Verdi ist das bedeutendste Werk italienischer Musik im 19. Jahrhundert und der Traum jedes Chorsängers. Daß der Chor der Konzertgesellschaft das Werk unter Toshiyuki Kamioka 2011 zum letzten Mal aufgeführt hat, damals mit dem Sinfonieorchester Wuppertal, gab Zuversicht. Beim Blick auf die Musikgeschichte im Tal lag es dann nicht fern, mit dem Instrumentalverein Wuppertal e.V. das große Projekt zu verwirklichen. Die beiden Ensembles der freien Musikszene sind seit rund 200 Jahren musikalisch im Tal aktiv und hatten schon 1875 das Werk gemeinsam aufgeführt, gleich nach der Fertigstellung der Komposition. In Vorbereitung auf dieses Konzert wurde seit Monaten geprobt. Christof Hilger, der Dirigent des Instrumentalvereins, und Georg Leisse, der Leiter des Konzertchors haben dazu an vielen Proben des jeweils anderen Ensembles teilgenommen, um musikalische Schwierigkeiten und Probleme des Gesamtprojektes gemeinsam angehen zu können. Sowohl Chor wie Orchester haben teilweise noch nach Stimmen getrennt mehrfach pro Woche geprobt. Ein finanzielles Risiko wurde nicht nur mit der Reservierung der Stadthalle sondern auch beim frühzeitig notwendigen Engagement hochkarätiger Solisten eingegangen. Daß sich drei fest engagierte Sopransolistinnen wegen Krankheit wieder abgemeldet hatten und die letzte erst am Vortag zur Generalprobe tatsächlich angetreten ist, zerrte an den Nerven. Erwies sich für die Aufführung aber als Glücksfall. Insgesamt haben Chor und Orchester inklusive Haupt- und Generalprobe viermal gemeinsam geprobt!
 
Jetzt aber zum Konzert: Im ausverkauften Großen Saal zeigte sich Helge Lindh, Bundestagsabgeordneter für Wuppertal, bei der Begrüßung begeistert vom unbändigen Enthusiasmus der ca. 160 Musikerinnen und Musiker und erhielt für sein Versprechen als „Kulturterrier“ stets für die Musikkultur im Tal zu kämpfen und zu beißen, großen Applaus. In gespannter Stille gab Christof Hilger sodann den Einsatz für die leise in die Tiefe absteigenden Celli und Kontrabässe bevor der Chor trotz Piano klangvoll das „Requiem aeternam“ anstimmte. Prächtig wie voluminös erhob sich bald a cappella der Lobgesang. Die souverän ausgesungene dynamische Breite – Steigerungen zu gewaltigem Fortissimo und überraschendes Fortepiano- des Chores führt hier zu ersten bedeutsamen Momenten. Tenoral strahlend flehte der treffliche Thomas Heyer im Kyrie um Gnade, erhielt beim Gebet bald Verstärkung von Sebastian Campione (Baß), Bettina Ranch (Mezzosopran), Marina Unruh (Sopran), dem gesamten Chor und dem großen Opernorchester. Mit Kraft, Elastizität und Eleganz trieb Marina Unruh unangestrengt ihre Stimme in höchste Höhen, glänzte zum ersten  Mal über dem gesamten Chor- und Orchesterapparat. Dann brach mit kosmischer Wucht der Tag des Zornes, des Jüngsten Gerichts aus, an dem die Gräber aufbrechen und sich das All in Staub auflöst. Das „Dies Irae“ mit abstürzenden Triolen im gesamten Orchester, rhythmisch das Grauen der Szene bzw. Angst und Schrecken spiegelnd, wurde von den gewaltigen synkopalen Schlägen der großen Trommel (Sie blieb unbeschädigt!) befeuert. Unter den mächtigen Posaunen, Trompeten und Ferntrompeten („Tuba mirum“) von den Emporen rechts und links erschauerten nicht nur die Seelen am Jüngsten Gericht, sondern alle Natur und die gesamte Stadthalle. Die heidnische Sybille und der alte König David wußten es immer schon: Wird die Schuld der Menschen spätestens beim Jüngsten Gericht offenbar und das Buch der Bücher aufgeschlagen (metallisch, intensiv in der Tiefe Mezzosopran Bettina von Ranchs), bleibt unter Hinweis auf das Kreuz Jesu nur die Bitte um Gnade. Was Schuldige dazu sagen, hat das Solistenquartett im „Quid sum miser...“ wunderbar besungen. Mit einem Platz bei den Schafen sollten wir zufrieden sein.
 
Alle musikalischen Mittel, die Verdi zuvor in mehr als 20 Opern ausprobiert und entwickelt hat, konzentriert er in seinem Requiem gekonnt wie brillant. Klangvolle Celli, die später im Offertorium das große Solo bewältigen mußten, begleiteten hier musikalisch ausdrucksvoll Sopran und Mezzospran im „Recordare“. Insgesamt wurde das große und für diese Aufführung verstärkte Orchester dem Requiem unter dem temperamentvollen, weit ausgreifenden Christof Hilger dynamisch wie agogisch sehr gerecht bis hin zu den behenden wie sauberen Fagotten, silbrigen Flöten und dunklen Klarinetten, oder auch dem überzeugenden Oboensolo über Streichertremolo im „Ingemisco“, nicht zu vergessen die kultivierte, zuverlässige Pauke. Auch der Chor gestaltete mit ausgewogenem Klang ausdrucksstark das Riesenwerk (inklusive heikler Fugen, z.B. die schwere, polyphone Doppelfuge des „Sanctus“ oder die Parlando-Fuge im „Libera me“) und der Intuitionen des Dirigenten am Abend mit Bravour folgen konnte. Die Solisten beeindruckten alle trotz leichter Intonationsschwankungen bei a cappella Nummern. Den letzten Teil, das „Libera me“, hatte Verdi ursprünglich als Teil einer nicht vollendeten Gemeinschaftskomposition zum Gedenken an den 1868 verstorbenen Gioachino Rossini komponiert. 1874 nutzte er es für sein Requiem. In diesem „Libera me“ steigerte die wunderbare Marina Unruh mit wirklich musikalischem Opern-Pathos die existentielle Angst vor dem ewigen Tod, vor dem entflammten Weltall, bis zum hohen C. All das mündete mit gewaltigen Trugschlüssen, dynamischen Abbrüchen und Generalpause in ein letztes Dies irae, endet dann aber in versöhnlicherem Dur und Piano. Lange verharrte das ergriffene Publikum anschließend in Stille, bevor tosender Applaus losbrach. Blumen gab es für die Solisten und Dirigenten, Sonderapplaus für all die vorzüglichen Orchestergruppen. Das Konzert markiert einen Höhepunkt im musikalischen Leben aller Beteiligten und das Publikum kann von sich sagen, es sei dabei gewesen.
 
Konzert am Sonntag, den 10.03.2024, 17.00 Uhr. Historische Stadthalle Wuppertal.
 
Giuseppe Verdi (1813-1901): Requiem
Ausführende: Marina Unruh (Sopran), Bettina Ranch (Mezzosopran), Thomas Heyer (Tenor), Sebastian Campione (Baß). Instrumentalverein Wuppertal e.V., Leitung und Dirigent: Christof Hilger. Chor der Konzertgesellschaft Wuppertal e.V. Einstudierung: Georg Leisse.