„Ich bin, was wir sind.“
André Poloczek über Tomi Ungerers
Gedanken und Notizen
Mit diesem Buch geht es mir wie mit Pralinen: Ich mag nicht aufhören.
Dabei sind die Gedanken und Aufzeichnungen Tomi Ungerers Pralinen in mancherlei Hinsicht ähnlich: Sie sind klein, sie sind köstlich, jede einzelne verdient unsere Aufmerksamkeit und vielleicht sind zu viele auf einmal nicht gut.
Damit ist die Pralinen-Parallele aber auch schon ausgereizt. Denn bei Pralinen können wir jede nur einmal essen, während Ungerers Sätze und Aphorismen auch mehrmaliges Lesen gut vertragen. Und wenn Ungerer vorschlägt, die Scheiße, in der wir stecken, zu Dünger zu machen, dann mag das zwar etwas unappetitlich klingen, aber es gibt eine der Lebensrichtlinien wieder, an die sich der Autor selbst immer gehalten hat. Das bisherige Ergebnis dieser Volldüngung: Über 40.000 Zeichnungen, Cartoons und Illustrationen, über 140 Bücher, Preise und Auszeichnungen aus aller Welt und seit 2001 das „Musée Tomi Ungerer - centre international de l'illustration“ in Straßburg. Ein eigenes Museum für einen der kreativsten Künstler unserer Zeit.
“Der Künstler braucht keine Ruhe, er braucht seine Unruhe.“
Eine gewisse Unruhe ist dem Sohn einer Straßburger Uhrmacherfamilie schon in die Wiege gelegt. Geboren 1931 wächst er zu je einem Drittel als Deutscher, Franzose und Elsässer in Kriegs- und Besatzungszeiten auf. Er lernt Englisch. Später trampt er durch Europa und geht Mitte der 50er Jahre nach New York. Hier, so die Verlagswerbung, „beginnt sein unaufhaltsamer Aufstieg als Zeichner, Maler, Illustrator, Kinderbuchautor und Werbegrafiker“.
„Der Mensch wurde erschuftet, nicht erschaffen.“
Nach einigen Jahren auf einer Farm in Neuschottland, Kanada, kehrt Ungerer 1976 nach Europa zurück. Heute lebt er auf einer Farm nahe der Stadt Cork im Südwesten Irlands und in seiner Geburtsstadt.
Die Wechselhaftigkeit und seine künstlerische Unruhe haben ihn zu einem Weltbürger im besten Sinn des Wortes gemacht. - Mit „Elsässisch als Muttersprache und Englisch als Futtersprache“ weiß er auch im Deutschen mit der Sprache zu spielen: „Wäre ich ein Stern, würde ich alles dafür tun, eine Schnuppe zu sein.“
So spielerisch, wie wir Ungerer aus seinen Zeichnungen kennen, so spielerisch und kindlich treffen wir ihn auch in seinen Texten wieder. Ob er sich über das Glück, die Frauen, Ruhm und Ehre, Erotik, den Humor , die von ihm geliebte Natur oder den Tod äußert - er spielt mit sich und mit uns. Mal albern, mal böse, mal enttäuscht , mal witzig, dann wieder philosophisch und tiefgründig.
„Die Suche ist spannender als das Finden“ schreibt einer, der in seinem Leben offensichtlich auch manches gefunden hat. Daß er uns seine Fundstücke nicht nur in gezeichneter und gemalter Form, sondern jetzt auch als notierte Gedanken und Notizen vorzeigt, dafür sei ihm gedankt.
Tomi Ungerer - Die Hölle ist das Paradies des Teufels - Gedanken und Notizen
Mit einem Vorwort von Elke Heidenreich
© 2008 Diogenes Verlag, Hardcover Leinen, 160 Seiten - ISBN 978-3-257-06675-3
Erscheint im Dez. 2008 und kostet € 14.90
Weitere Informationen unter: www.diogenes.ch
Zum Autor der Rezension: Polo, so der Künstlername André Poloczeks, arbeitet nach dem Alltagsgeschehen und legt Wert auf das Handwerk. 1996 bekam er den 1. Preis beim Berliner Karikaturensommer, vergleichbar mit dem Deutschen Kleinkunstpreis, sozusagen der „Oscar“ der Zeichner. Sein Strich wird erkannt und geschätzt, auch von privaten Auftraggebern, denn er arbeitet auch als Illustrator und Werbegraphiker. Wenn er nicht zeichnet oder zur Entspannung zur E-Gitarre greift (Rock/Blues), ist er auch ein vorzüglicher Kaffeemaschinen-Imitator.
Seine Cartoons, Karikaturen, Comics und Illustrationen erschienen bisher u.a. in: Cicero, Der Rabe, Die Mitbestimmung, Eulenspiegel, Finanztest, Frankfurter Rundschau, GEO Saison, iTALien, Konkret, Kowalski, Maxi, Pardon (die neue), Stern, Süddeutsche Zeitung, taz, titanic, Top Magazin, Wuppertaler Rundschau, 'ran, x-mag...
Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. : Caricatura Kassel, Ironimus, Köpenicker und Berliner
Redaktion: Frank Becker - Test und Auswahl der Illustrationen: André Poloczek |