Hatte Mozart das Alpha-Synuclein-Gen (SNCA)?

Jörn Bullerdiek und Christine Süßmuth – „Warum Musik in unseren Genen liegt“

von Johannes Vesper

Musik in unseren Genen?
 
Hatte Mozart das Alpha-Synuclein-Gen (SNCA)?
 
Die Macht der Musik ist seit Urzeiten, seit Orpheus und Eurydike bekannt, konnte doch der Gott der Unterwelt schon dank Ihrer Hilfe gnädig gestimmt werden. Die beiden boten darüber hinaus Stoff für mehr als 70 Opern in der Musikgeschichte. Die Faszination der Musik erlebt jeder im Konzert, wenn der „göttliche Funke nur in die Seele“ überspringt. Charles Darwin hielt die Musik gar für ein Mysterium und diesem nehmen sich eine Sängerin und ein Humangenetiker jetzt gemeinsam an. Warum beeinflußt Musik den Menschen schon im Uterus? Läßt die Geschichte der weit verzweigten Familie Bach, in der sich über Generationen Musiker finden, an eine genetische Manifestation der Musik denken? Auf einer siebentägigen Reise nach Neapel, der alten Musikstadt, Heimat der Sirenen mit ihrem gefährlichen Gesang, widmen sie sich bei nächtlichem Blick auf Golf und Vesuv, bei Rotwein und Pasta zahlreichen Aspekten der Musik wie ihrer Genetik. Immerhin machte Plato die Sirenen für die Sphärenmusik und die Harmonie des gesamten Universums verantwortlich. Das Weltall ist ohne Sirenen, ohne Musik für ihn nicht denkbar. Natürlich wurde der Urknall, aus dem alles entstand, schon 1730 von Jean-Féry Rebel musikalisch empfunden, und bei Gustav Mahler beginnt in seiner 8. Sinfonie „das Universum zu tönen und zu klingen. Es sind nicht mehr menschliche Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, welche kreisen“ wird er zitiert, und zwar im Konzertsaal. Nach Plato „dringen Musik, ihr Rhythmus und ihre Töne am tiefsten in die Seele und erschüttern sie am gewaltigsten.“ Der Triumph der Musik setzt sich fort in dem gleichnamigen Gemälde von Marc Chagall, welches die Metropolitan Opera in New York ziert. Das Thema hat zweifellos Bedeutung. 
 
Am ersten Reisetag sprechen die beiden Autoren ein wenig über die Physik und Physiologie der Musik und ihrer Töne, über Konsonanz, Dissonanz, Kammerton, Kirchenton. Darüber, was zum guten Ton gehört, verlieren sie kein Wort. Aber was die Musik mit dem Gehirn macht, wie Musik über den Neurotransmitter Dopamin luststeigernd wirkt, wird informativ wie anregend diskutiert. Daß das Musikgedächtnis durch Tumor oder Schlaganfall auch isoliert ausfallen kann, also Tonfolgen weder erkannt noch reproduziert werden können, was also eine Amusie ausmacht, wird für manchen Leser neu sein. Che Guevara soll, genetisch bedingt, darunter gelitten haben, auch Theodore Roosevelt, vielleicht! Ob die Begabung für Musik nun wirklich erblich ist? Was bedeutet das SNCA- Gen für den Erfolg bei „Jugend musiziert“? Nicht nur die Familie Bach, auch die Familien Bellini und Puccini legen nahe, daß die Genetik eine Rolle spielt. Der Exkurs über die Vererbung vermittelt informativ Grundsätzliches zum Mechanismus der Gene und der DNS. Haben Franz Liszt oder Paganini nun tatsächlich ein Marfan Syndrom gehabt? Da hätte die Genetik ihre Musikalität bzw. Ihre Technik auf Klavier und Geige gestützt. Mit Genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) kann anscheinend geklärt werden, welche Merkmale eventuell genetisch bedingt sind. Die Gespräche der Autoren darüber bieten im neapolitanischen Umfeld Lesevergnügen und Information. 
 
Am Donnerstag wird geklärt, was und warum die circa 4000 singenden Vogelarten, die nicht mal einen Kehlkopf haben, singen und was deren Musik mit Genetik zu tun hat. Kanarienvögel sind jedem Musiker jedenfalls ein leuchtendes Beispiel mit ihrer genetisch bedingten Fähigkeit zu lebenslangem Lernen. Was während der letzten drei Tage noch alles besprochen wird kann hier in der Kürze nicht ausgeführt werden. Der naturwissenschaftlich interessierte Musikfreund erfährt bei diesem anregenden Dialogstil der Autoren jedenfalls viel über das Faszinosum der Musik und ihrer Genetik. Amüsant! 
 
Jörn Bullerdiek und Christine Süßmuth – „Warum Musik in unseren Genen liegt“ 
Mit einem Vorwort von Dietrich Grönemeyer
© 2023 Die Autoren, exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, 238 Seiten, Broschur, etliche Abbildungen - ISBN 978-3-662-67374-4
24,99 €
 
Weitere Informationen: www.springer.com/de