Schwarze Löcher und Dunkelmaterie

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
Schwarze Löcher und Dunkelmaterie
 
Bevor die schwarzen Löcher ihren hübschen Namen bekommen haben, sprachen die Astronomen von „gravitationsbedingt instabiler stellarer Materie“, was natürlich niemanden außerhalb der Wissenschaft interessiert hätte. Schwarze Löcher sind viel spannender, und in diesen Tagen ist es einer weltweiten Gemeinde von Forschern sogar gelungen, ein schwarzes Loch mit Milliarden (!) von Sonnenmassen zu fotografieren. So steht es in den Zeitungen, und man fragt sich, wie das gehen soll. Ein schwarzes Loch läßt kein Licht los, wie soll man es fotografieren? Die Antwort lautet, daß die Bilder nicht das schwarze Loch, sondern so etwas wie sein Gegenteil zeigen, nämlich seinen Schatten. Auch wenn der Platz hier nicht reicht, um Details zu erläutern, darf an das Höhlengleichnis des Philosophen Platon erinnert werden, in dem Menschen so plaziert werden, daß sie nur Schatten sehen und dann denken, das sei die Wirklichkeit. Das gilt heute nicht mehr. Im Gegenteil. Die Physiker wissen, daß sie „nur“ einen Schatten sehen, und sie verstehen das dazugehörige schwarze Loch gerade durch Spuren, die sich auf den Bildern erkennen lassen. Solche Spuren hätten die Kosmologen gerne von der Dunkelmaterie und der Dunkelenergie, die den größten Teil des Weltalls ausmachen, ohne daß man sie zu sehen bekommt. Bei allem Respekt vor der astronomischen Wissenschaft - aber hier scheint etwas mit den Worten nicht zu stimmen. Wenn man etwas nicht sehen kann, darf man es auf keinen Fall Dunkelmaterie nennen, denn die könnte man doch sehen, auch wenn sie dunkel ist. Die Nacht kann man doch auch sehen, und man weiß, sie ist schwarz. Die Dunkelmaterie muß durchsichtig sein und das macht sie knifflig. Nicht das Dunkel macht Mühe, sondern das Gegenteil, das Durchsichtige. Das ist wie bei der Luft, die Menschen atmen. Sie ist auch durchsichtig - wenn kein Nebel herrscht -, und es war diese Eigenschaft, die es den ersten Wissenschaftlern Vor dem 18. Jahrhundert so schwer gemacht hat, ihre Anteile zu analysieren und zu unterscheiden - Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff zum Beispiel. Luft galt ursprünglich als ein homogenes Element - neben dem Feuer, der Erde und dem Wasser -, bevor die Chemiker auf die Idee von Gasen kamen. Die Dunkelmaterie ist so etwas wie die Sphärenluft, die darauf wartet, in ihre Teile zerlegt zu werden. Dunkel ist nicht die Materie, sondern die Vorstellung, die Menschen von ihr haben. Beide warten auf das Gegenteil.
 
 
© Ernst Peter Fischer

Wiedergabe in den Musenblättern aus „Wahrheit im Widerspruch“ mit freundlicher Erlaubnis des Autors.