Über Kritiker

Eine Betrachtung

von Jürgen Kasten
Über Kritiker
 

Beim Stöbern im Netz stoße ich auf eine vernichtende Kritik des Buches „Das Tanztheater Pina Bausch“, geschrieben von der Kulturjournalistin Dr. Marieluise Jeitschko in „tanznetz.de“. Darunter steht ein Kurzkommentar der wahrscheinlich tief getroffenen Buchautorin Rika Schulze-Reuber, die „unzutreffende Behauptungen“ zurückweist und von „Missverständnissen“ spricht. Weitere Stellungnahmen möchte sie nicht abgeben, empfiehlt der Rezensentin aber meinen positiven Artikel in „musenblaetter.de“.
Daran sieht man mal wieder, daß eine jede Kritik nur die subjektive Meinung des jeweils Äußernden sein kann. Die eine betrachtet ein Buch aus der Sicht ihres eigenen wissenschaftlich fundierten Wissens; der andere als interessierter Laie und Kunstkonsument, der das Wirken der Pina Bausch jahrzehntelang emotional begleitet hat, sich deshalb ein eigenes Urteil erlaubt, der Autorin folgen kann und sich in ihren Reflektionen wiederfindet. Für ihn hat sie ihr Buch geschrieben - sollte ja schließlich keine Seminararbeit oder Dissertation werden.
Unabhängig davon, daß man Kritik nicht mit Kritik beantworten sollte, zeigt dies Beispiel auch, was selbige bewirken kann, nämlich so gut wie nichts (außer bei dem angegriffenen Autor), meinte jedenfalls Kurt Tucholsky im Jahre 1931. Das wiederum stimmt so heute auch nicht mehr, denn die Buchbesprechungen diverser Literatursendungen des Fernsehens bestimmen über Verkaufserfolge oder Ladenhüter.

Tucholsky

Einige humorvolle bis ernste Kommentare Kurt Tucholskys zum Thema Kritiker, nebst Aphorismen seien dem geneigten Leser hier dargeboten:
Tucholsky war der Meinung, daß die deutsche Buchkritik auf einem Tiefstand angelangt ist, der kaum unterboten werden kann. Gleichwohl war er der Auffassung, Kritik dürfe auch eine Berufsschädigung hervorrufen, denn die Lobhudelei über die meisten angekündigten Bücher habe zur Folge, daß die Kritik kaum noch irgendeine Wirkung zeige, denn sie interessiere niemanden mehr. Folglich seien auch wirtschaftliche Folgen einer Kritik als sehr gering einzuschätzen.
Fast jeder Kritiker hält sich in der Viertelstunde, wo er seine Kritik aufpinselt, für einen kleinen Herrgott“.
Tucholsky wird noch deutlicher. Die Literaturkritik hält er für korrupt. Es gäbe viele Argumente gegen Kritiker; aber eines gelte nicht: daß sie (die Kritik) geschrieben wurde, um den Getadelten zu schaden, ja doch – auch dies geschehe; aber „ich will aus politischen, aus ästhetischen, aus andern offen anzugebenden Gründen diese Sorte Literatur mit den Mitteln unterdrücken, die einem Kritiker angemessen sind. Das heißt: ich habe die Leistung zu kritisieren und weiter nichts. Aber die mit aller Schärfe.“
Eine Kritik könnte ja auch positive wirtschaftliche Folgen haben: „Aber schließlich ist ja der Kritiker nicht dazu da, der Frau des Romanverfassers Piepenbringk die Anschaffung neuer Schlafzimmervorhänge zu ermöglichen. Lasset uns denn weiterhin unbeeinflußt von der Klüngelei kleiner Gruppen, die den Salon reicher Börsianer für einen Salon halten, und außerhalb jener Lobesversicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit das sagen, was wir über die Bücher zu sagen haben.“
 Soweit zu Tucholsky, dem großen Satiriker, Visionär und Mahner seiner Zeit und auch unserer.

Und was sagen andere?

Es soll Kritiker geben, die Bücher besprechen, ohne deren Cellophanverschweißung zu öffnen.
Kritiker, die ein Buch komplett lesen, dürften Exoten sein.
Manche Kritiker können kein Buch beurteilen, bevor sie gelesen haben, was die FAZ darüber geschrieben hat.
Ernst Probst, Wiesbadener Publizist
 
Ein Rezensent ist ein Mensch, der zum Essen eingeladen wird und zum Dank auf den Tisch kotzt.
Ulrich Erckenbrecht, (*1947), deutscher Schriftsteller und Aphoristiker (Quelle: »Katzenköppe«,  Muriverlag, 1995 )
 
Nichts gegen Rezensionen. Jeder Schriftsteller hat das Recht, sich sein Werk von kompetenten Leuten erklären zu lassen.
Markus M. Ronner Zitate-Lexikon«, Orell Füssli Zürich, 2. Auflage 2003
 
Jeder Narr kann kritisieren, verurteilen, reklamieren - und die meisten Narren tun es auch.
Andrew Carnegie, (1835 - 1919), schottisch-US-amerikanischer Stahlmagnat
 
Rezensieren und Tadeln sind im Wörterbuch manches jungen Gelehrten vollkommen synonym
Johann Wolfgang von Goethe, (1749 - 1832)