In freier Luft auf dem Laurentiusplatz:

Das Sinfonieorchester Wuppertal mit dem Frank Dupree Trio

von Johannes Vesper

Dicht gedrängtes Publikum auf dem Laurentiusplatz - Foto © Johannes Vesper

In freier Luft auf dem Laurentiusplatz:
 Das Sinfonieorchester Wuppertal mit dem Frank Dupree Trio
 
George Gershwin (1898-1937) spielte seit seinem 12. Lebensjahr Klavier, schon als Jugendlicher in Tanzbars, später am Broadway. Da war er dem Jazz und der Tanzmusik verfallen. Mit seiner Rhapsody in Blue 1924 bzw. dem schönsten Glissando der Musikgeschichte begründete er den weißen sinfonischen Jazz. Leonard Bernstein meinte zu dieser Musik: »Sie klingt amerikanisch, riecht nach Amerika, und wenn man sie hört, fühlt man sich amerikanisch.« Na ja. Jetzt spielte Frank Dupree unterstützt von Meinhard Obi Jenne (Schlagzeug) und Jakob Krupp (Kontrabaß) auf dem Laurentiusplatz sein Klavierkonzert in F-Dur, „the bravest thing he ever did“ sagte sein Bruder dazu, was auch immer er damit gemeint haben mag. Das eher akademische Konzert mit Jazz-Elementen an der Grenze zwischen E- und U-Musik eigentlich swingt nur wenig, entfaltet aber auch ohne Groove, musikalisch von Synkopen zerrissen, dank Holzklappe, Holzbock und überhaupt großem Schlagzeug mit reichem Blech unter der biegsamen Körpersprache von GMD Patrick Hahn durchaus seine Wirkung. Hoch virtuos und technisch anspruchsvoll für den Pianisten, stampfte da das Ostinato im ¾ Takt. Mit Schmalz, Gefühl und angedeutetem Glissando eröffnete die Solotrompete den 2. Satz. Da wechselten leise Holzbläser in eigenartig dunkler Klangfarbe mit Klavierjazz zum Pizzicato der Streicher oder elegischen Episoden von Horn oder Solovioline. Nach verhaltener Kadenz sauste der schnelle Schlußsatz mit flotten Tonrepetitionen im Klavier los. Gefühl für Tempo hatte der kleine George mit Rollschuhen auf New Yorker Straßen schon als Kind entwickelt. Das war zu hören. Nach Kadenz und gewaltigem, zersplitterndem Beckenschlag, einer letzten Vergrößerung und Stretta war dann Schluß. Großer Applaus des auf dem Platz wie auf den anliegenden Straßen dicht gedrängten Publikums.
 

Jakob Krupp (lks.), Meinhard Obi Jenne (re.) vom Frank Dupree Trio -
Foto © Johannes Vesper

Frank Dupree ergriff das Mikrofon, begrüßte alle mit „Hallo Wuppertal“ und „freute sich tierisch“ für die folgende „Jazz Symphony“ (1927) von George Antheil (1900-1959) den angewärmten Klavierstuhl Patrick Hahn überlassen und selbst auf das Dirigentenpult eilen zu können. Flott, musikantisch und temperamentvoll stürmte das große Sinfonieorchester auch sogleich los. Mit unbestimmten Zitaten, plötzlichen Tonartwechseln, gestopftem Blech, auffällig tiefen Streichern, und starken Rhythmen breitete sich das kurzweilige Chaos schnell bis in die Fußspitzen aus. George Antheil begann als Pianist 1922 in Berlin und hatte ein Faible für die Mechanik. Er schuf mit Fernand Leger ein Ballett mechanique. Seine Musik für 16 mechanisch spielende Klaviere wird viel zu selten aufgeführt.
 
Das große Finale dieses prächtigen, lauen Sommerabends gehörte der „Star Wars Suite“ von John Williams (* 1932), des wohl erfolgreichsten Komponisten von Hollywood-Filmmusik. Mehr als 50 Mal dafür nominiert, hat er fünf Oscars gewonnen. Es dunkelte, erste Sterne erschienen über den hohen Türmen der Basilika minor im blauen Himmel und das Weltall wurde musikalisch lebendig, wenn hohe Violinen zur Harfe schmelzen und schluchzen, oder die Celli singen, auch wenn ihre Kantilenen durch die aufwendige Lautsprecheranlage nur verfremdet durch das Luisenviertel ziehen konnten und das Pianissimo der Freiluft geopfert werden mußte. Trotz musikalischer Sphärenklänge, Blechfanfaren und Paukenschlägen sind die guten Helden wie Luke Skywalker oder Darth Vader dem Weltall abhandengekommen. Heuten fliegen Inder, Russen, Chinesen und Amerikaner durch die Galaxien und die Weltmusik spielt bis hin zur Milchstraße anders.


Frank Dupree am Flügel - Foto © Johannes Vesper

Nach frenetischem Jubel gab es eine erste Zugabe. Zur Cantina Band aus der Star Wars Musik war das Dupree Trio wieder dabei. Frank mit seiner „infektiösen Energie“ traktierte inzwischen zwei Steel drums. Das Publikum erklatschte von den Dreien eine weitere Zugabe, bei der Frank Dupree das Klavier verließ, sich von hinten ein Doppel-Bongo holte und dieses, vorne an der Rampe sitzend, in fast beklemmender Geschwindigkeit mit den bloßen Händen beklopfte, trommlerische Zwiesprache hielt mit Jakob am anderen Schlagzeug und mit Obi, der sich in Ermangelung eines Schlagzeugbesens am Kopf kratzte. Trotz stehender Ovationen waren weitere Zugaben nicht zu bekommen.
 
Mit diesem sensationellen wie stimmungsvollen Promenadenkonzert machten Sinfonieorchester und Patrick Hahn Lust auf eine unterhaltsame wie anspruchsvolle Konzertsaison 2023/24. Das 1. Sinfoniekonzert findet am 10. und 11.09.2022 im Großen Saal der Historischen Stadthalle statt: „Eine kleine Nichtmusik“. Man darf gespannt sein.