The Beatles in Latin

Ein denkwürdiger Konzertabend mit Götz Alsmann & Band

von Johannes Vesper

Götz Alsmann und Band:- v.l.: Altfrid M. Sicking, Dominik Hahn, Ingo Senst, Markus Paßlick, Götz Alsmann - Foto © Christian Palm

The Beatles in Latin
 
Götz Alsmann und seine Band
beim Klavierfestival Ruhr in Wuppertal
 
Die geheimen „Gärten des Jazz“ (erfolgloser Jazz mit geringen Verkäufen), waren Götz Alsmanns Thema kürzlich im WDR, aber nicht jetzt in Wuppertal. Hier ging es „um die aufregendste Musik seit Beethoven“, um die „amüsante, ungebrochene Vitalität der Beatles“ (Leonard Bernstein), die nach ihrer phänomenalen USA-Tournee 1964 als Erfinder von „Jugendkultur“ auch politische Wirkung entfalteten. Harold Wilson 1964 und Tony Blair 1997 haben sie zu Wahlsiegen in Großbritannien verholfen, weil diese mit ihrer Nähe zur Band die Jugend für sich gewonnen hatten. Von den Beatles und ihren Nummern gibt es unzählige Bearbeitungen und Arrangements. Früh wie ungewöhnlich war die Bearbeitung der Beatles für die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker, unverwüstlich sind ihre Lieder auch in zahllosen anderen Bearbeitungen, selbst für Blas- wie Barockorchester oder gar Solocello. Ein eigener Charme entfaltete sich, wenn Jazz-Größen wie z.B. Astrud Gilberto, Oscar Peterson, Max Greger, Hazy Osterwald, Ella Fitzgerald oder Count Basie diese Lieder nachspielten. Eigens für dieses Wuppertaler Konzert des Klavierfestivals Ruhr hat jetzt Götz Alsmann, Dr. phil. und Honorarprofessor der Universität Münster, Musiker, Multiinstrumentalist, Moderator, Bandleader seit den 80er Jahren, die Beatle-Lieder neu konzipiert, arrangiert und musikalisch mit Lateinamerika zusammengebracht. Da durfte man gespannt sein.
 
Schon als Franz Xaver Ohnesorg diesen „unglaublich tollen Pianisten“ ohne Klassik nur mit „einfach guter Musik“ in amerikanischem Englisch ankündigte, kam im ausverkauften Großen Saal der Historischen Stadthalle Entertainmentstimmung auf wie in der Radio City Music Hall zu New York. Mit dem Massenevent im New Yorker Shea-Stadion am 15.08.1065 (55.600 Zuhörer) war dieser dagegen kammermusikalische, eher intime Konzertabend der Sonderklasse nicht vergleichbar. Aber auch hier ließ sich das ehemalige Jugendpublikum gleich zu Beginn von „Yesterday“ ergreifen und bekam von Götz Alsmann einen unterhaltsamen, witzigem Abriß aller nur erdenklichen lateinamerikanischen Rhythmen vom Latin Rumba, über Boogaloo, bis hin zum fetzigen Mambo oder zur ursprünglich eigentlich wohl im rheinischen Karneval heimischen Samba. Natürlich fehlten auch Bossa Nova und Cha-Cha-Cha nicht. Jeder Rhythmus inklusive Tangos wurde didaktisch brillant von der Band jeweils kurz an- und dabei vom Pianisten tänzerisch elegant ausgedeutet. Zwischen all den berühmten und weniger berühmten Beatles-Liedern erzählte er die ganz Story der Pilzköpfe, die ihn als Pimpf 1961 nicht nur wegen ihrer Haarpracht schwer beeindruckt haben. Die Identifikation mit den Beatles bezüglich ihrer Frisur scheint sich im Laufe der Jahrzehnte gegeben zu haben. Hatte er in seiner Jugend versucht mit hochgezogen Augenbrauen sein Haupthaar zu erreichen, ist heute auf seinem Kopf die große Welle faktisch en vogue. Wir hören, daß George Harrison mit seinem Akkord aus den Tönen der leeren Seite seiner Gitarre die Beatles-Musik begründete (so wie Richard Wagner die moderne in der Musik mit dem Tristan-Akkord).
 

Ingo Senst, Götz Alsmann - Foto © Christian Palm

Flott und locker erzählte Alsmann von der seltenen kompositorischen Zusammenarbeit zwischen John Lennon und dem stillen George Harrison, von ihrer Herkunft aus der englischen Hafenstadt Liverpool, der Entdeckung in Hamburg durch Bert Kaempfert, von der Synchronstimme für Paul McCartney des berlinernden Wolfgang Gruner von den „Fliegenpilzen“ bzw. „Stachelschweinen“. Dazu kamen viele bekannte und unbekannte Songs auf die Bühne, natürlich auch die bearbeitete rerste Single „Love me do“. Da wurde unter Führung des Pianisten nicht nur der Flügel kraftvoll traktiert. Zu holzbetonter Percussion mit u.a. Rumbahölzern, verschiedenen Schüttel- und Schrapidiophonen, zum selbstverständlich unverzichtbaren „normalen“ Schlagzeug kamen als Melodieinstrumente, sozusagen als „geklopfte Leadgitarren“ zwei Marimbaphone. So wurde unter spar- wie wirksamer Lichtregie aus den flapsig-elegischen Originalliedern lateinamerikanisch rhythmisierter Jazz, und die Pedale des Marimbaphons spiegelten sich an der Bühnendecke wie „der Haifisch, der Zähne hat“. Die Musiker spielten die originellen Arrangements von ihren Tablets. Es gab Soli mit Zwischenapplaus. Souverän exakt im Zusammenspiel, bei statuarischer Dynamik war die improvisatorische Spontaneität des Latin Jazz zeitweise nicht immer spürbar und die unnachahmliche, lässige Freiheit der Beatles-Melodien wirkte zeitweise etwas eingeengt im Rhythmus-Korsett. Dann fehlte auch der Charme der psychedelischen ursprünglichen Pop-Musik, der die Jugend damals so fasziniert hat. Götz Alsmann hatte bei dieser Besetzung eher eine Bar-Combo im Ohr, wie man sie in St. Tropez, Gstaad, Monte Carlo oder auf Sylt kennt, schrieb er im Programm.
 

Markus Paßlick, Götz Alsmann - Foto © Christian Palm

Aber das jetzige Publikum, sechs Jahrzehnte später, war jedenfalls wieder begeistert. Für stehenden Applaus, Blumen und Küßchen bedankte sich das Ensemble mit etlichen Zugaben. Nach „I want to Hold Your Hand“ gab es zu allerletzt noch „Amigo" von Michael Jary (1906-1966) mit einer ebenso kurzen wie überraschenden Gesangseinlage. Auch nicht schlecht. Danach standen draußen dann Busse aus ganz NRW und alle versuchten sich unter Schirmen vor dem unwetterartigen Starkregen zu schützen. Ein denkwürdiger Konzertabend.  
 
Götz Alsmann (Klavier, Arrangement), Altfrid M. Sicking (Vibraphon, Marimbaphon), Ingo Senst (Kontrabaß), Dominik Hahn (Schlagzeug), Markus Paßlick (Percussion)