„American Romantics“

... im Frühjahrskonzert des Neuenheimer Kammerorchesters

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper

„American Romantics“

... im Frühjahrskonzert des Neuenheimer Kammerorchesters
 
Dieses Streicherensemble unter der Leitung von Matthias Metzger belebt seit seiner Gründung im Jahre 2007 das regionale Musikleben Heidelbergs und erregt mit ungewöhnlichen Programmen auch immer wieder überregionales Interesse. Die engagierten Musiker:Innen erarbeiten diese Konzerte zweimal pro Jahr in intensiven Probenwochenenden. Jetzt standen „American Romantics“ amerikanische Komponisten um 1900 und Samuel Barber (1910-1981), im Fokus der Frühjahrskonzerte in Lützelsachsen, Haßloch und Heidelberg.
 
Mit klangvollem Unisono begann die Elegie op. 30 des aus Jütland stammenden Carl Busch (1862-1943), der auf Konservatorien in Dänemark (bei Niels Wilhelm Gade), Brüssel und Paris seine musikalische Sozialisation erfuhr, bevor er 1887 in die USA auswanderte. Seine Suche nach Musik amerikanischer Ureinwohner bzw. afroamerikanischer Einflüsse war für den Hörer jetzt nicht auf Anhieb nachvollziehbar. Melancholisch, teilweise rezitativisch-klagend mit zu Herzen gehenden, spätromantischen Harmonien, die das 20. Jahrhundert noch nicht erahnen lassen, entwickelte sich bei teilweise geteilten Stimmen dieser ernste Konzertauftakt.
Da bot die musikantische Suite op. 63 von Arthur Foote (1853-1937) anderes. Sinfonisch flott und munter fließen, imitieren und umspielen sich im Allegro commodo des 1. Satzes verschiedene Motive und Themen, worauf sich das Ensemble lebhaft und musikantisch einließ. 1908 geschrieben, griff der Komponist hier formal, fast neoklassizistisch auf die europäische Musik des 18. Jahrhunderts zurück. Sogar eine richtige Fuge gab es am Ende. Ob der berühmte Serge Koussevitsky darin tatsächlich Jazzelemente entdeckt hat? Neben gelegentlichen Synkopierungen waren originäre amerikanisch-indigene Einflüsse für den unbefangen Konzerthörer auch hier nicht ohne weiters identifizierbar. Der Pizzicatosatz, unterbrochen von einem gestrichenen Adagietto (welch seltene Tempoangabe!) erinnert stark an Brittens Simple Sinfony von 1913. Ob der sich von Foote hat inspirieren lassen? Immerhin gehörte auch Foote zur Gruppe der Boston six bzw der 2. New England School, in der sich Komponisten zusammengeschlossen hatten, um eine eigenständige amerikanische Musik zu entwickeln und zu befördern, was aber erst gelang mit weiterer Verbreitung des Jazz von New Orleans aus. 
Die Gruppe erhielt erst viel später von der amerikanischen Musikwissenschaft ihren Namen, wohl in Analogie zu der Groupe de six um Charles Ives bzw zur 2. Wiener Schule um Arnold Schönberg. Musikalisch blieb sie um 1900 stark von der deutschen Musiktradition der Romantik beeinflußt. 
 
Samuel Barber (1910-1981) schrieb sein Adagio für Streicher op. 11 erst 1936 für sein Streichquartett, welches als Filmmusik („Der Elefantenmensch“, „Platoon“) weite Verbreitung fand. Unter dem sorgfältigen und klaren Dirigat von Matthias Metzger beeindruckte das Ensemble mit großen Kantilenen und beglückenden Pianissimi.
Der Serenade für Streichorchester F-Dur von George Chadwick (1854-1931) hört man an, daß sie nach dreijährigem Aufenthalt des Komponisten in Deutschland entstanden ist, wo er bei Carl Reinicke in Leipzig und Josef Rheinberger in München seinen kompositorischen Horizont erweitern konnte. Da glaubte man eher die Moldau in Böhmens Hain Flur fließen zu hören, als indigene Musik von jenseits des Mississippi. Gut vorbereitet kam es bei den hochmotiviertem Kammermusikern zu eindrucksvoller, nahezu sinfonischer Dynamik mit großem musikalischen Ausdruck. Bei schwieriger, sehr direkter Akustik in der nicht sehr großen Evangelischen Kirche in Lützelsachsen gelangen dank souveräner Stabführung des erfahrenen Dirigenten heikle Übergänge, schwierige Pizzicati, verwirrende Taktwechsel der komplexen Partitur lebendig und elegant Das begeisterte Publikum applaudierte lange und entließ das Orchester erst nach einer Zugabe. 
 
Neuenheimer Kammerorchester - Leitung Matthias Metzger
Violine I :Jasmin Swartman(KM), Cynthia Bandara, Magnus Bastian, Takako Furukawa, Peter Heeg, Thomas Lemberger, Volker Schöberl. Violine II : Kai Günther(SF), Verena Adelberger, Caroline Kiss, Daniela Müller-Trefzer, Isabelle Nikolajewicz, Friederike Schneider. Viola : Esther Schierholt (SF), Sonja de Bruyn, Carl-Julian Pardall, Franziska Röthig, Satoko Toyota. Violoncello : Karsten Schierholt(SF), Susanne Dressler, Nils Ehlert, Cornelius Honold, Martin Pehnt. Kontrabaß: Mathias Sohn, Andreas Hoffmann.
 
Weitere Informationen: https://www.neuenheimerko.de/