Die Akte Trump
Der Ex-Präsident und der Rechtsstaat
Von Lothar Leuschen
Donald Trump hat es wieder getan. Wie vor dem Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 rief er seine Anhänger unverhohlen zum Kampf gegen die Institutionen des US-amerikanischen Rechtsstaats auf. „Holt euch eure Nation zurück“ – diese Aufforderung im Zusammenhang mit staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen ihn zeigt, wie der Ex-Präsident zur Verfassung und zum gesellschaftlichen Regelwerk der Nation steht, die er selbst vier Jahre lang geführt hat. Und wieder will der Republikaner jene Landsleute für sich nutzen, die mit vielen entscheidenden Werten der Vereinigten Staaten von Amerika längst abgeschlossen haben.
Aus der Distanz und als demokratiegefestigter Europäer ist kaum zu verstehen, wie leicht sich weite Teile der US-amerikanischen Bevölkerung instrumentalisieren lassen. Aus der Entfernung ist sonnenklar, daß in Donald Trump ein Mann am Werke ist, der nichts unversucht läßt, von eigenen Fehlern und möglichen Verstößen gegen geltendes Recht abzulenken. Im aktuellen Fall geht es um eine von seinen Anwälten längst eingeräumte Schweigegeld-Zahlung an eine Erotik-Darstellerin. Trump will aber nicht zugeben, körperlichen Kontakt gehabt zu haben. Das paßt anscheinend nicht zu seiner Version eines Staats- und Saubermannes. Um seinen Ruf in erzkonservativen Kreisen zu wahren, schreckt er offenbar auch vor Anstiftung zum Aufruhr nicht zurück.
Unter normalen Umständen könnte sich der Rest der Welt beinahe entspannt zurücklehnen und dem Gebaren auf Boulevardniveau belustigt oder kopfschüttelnd zuschauen. Wenn es aber um einen potentiellen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika geht, sind die Umstände nie normal. Gegenwärtig sind sie es schon gar nicht. Die Welt vollführt wieder einmal einen Drahtseilakt, und die USA gehören zu den wichtigsten Balancestangen. Angesichts der innenpolitischen Schwächen des amtierenden Präsidenten Joe Biden ist nicht auszuschließen, daß Trump ins Oval Office zurückkehrt. Deshalb ist die Akte Trump von globaler Bedeutung.
Der Kommentar erschienen am 20. März 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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Das Feuilleton
21.03.23
