Verhaltensstudie im Gewand einer Komödie

„Der Pfau“ von Lutz Heineking Jr.

von Renate Wagner

Der Pfau
Deutschland / Belgien 2023

Regie: Lutz Heineking Jr.
Mit: Tom Schilling, Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, David Kross u.a.
 
Vorweg: der „Pfau“ ist nicht metaphorisch gemeint, es handelt sich nicht  um einen besonders eitlen Herren der Schöpfung, sondern einfach um einen – Pfau. Er gehört zu einem schottischen Schloß, dessen adelige Besitzer (wie so viele von ihnen) unter notorischem Geldmangel leiden. Also müssen Lord und Lady McIntosh ihr schon recht schäbig gewordenes Anwesen zeitweise vermieten. Eine deutsche Gruppe zieht hier ein – und das, was dieser Film von Regisseur Lutz Heineking  uns erzählen will, beginnt.
Es ist eine Art „Firmenausflug“ einer Investmentbank, der allerdings nicht zum Vergnügen unternommen wird. Vier Herren (Tom Schilling, Jürgen Vogel, Serkan Kaya und David Kross) stehen Damen gegenüber, die es ihnen fast sadistisch nicht leicht machen (Lavinia Wilson, Svenja Jung, Annette Frier). Und eine Nebenerkenntnis des Films erzählt, wie sehr es Frauen, die Macht bekommen haben, Spaß macht, Männer herunterzumachen…
 
Worum soll es gehen? Teamgeist und wertschätzendes Gruppenverhalten trainieren und auch noch alle denkbaren moralischen Forderungen erfüllen, die üblich geworden sind, sonst – ja, sonst besteht die Gefahr, aussortiert zu werden, sprich: in hohem Bogen aus dem Job zu fliegen… Schöne neue Arbeitswelt von ganz heute, die weder schön noch besonders neu ist, denn der Druck, der auf Menschen in Führungspositionen (und auch jenen darunter) lastet, war schon immer schlimm. Allerdings wird er, wie man weiß, immer schlimmer.
 
In letzter Zeit, wo noch so viele verrückte Forderungen dazu gekommen sind, wo man Worte „gegendert“ so aussprechen muß, daß der weibliche Anteil auch betont wird, wo Wohlverhalten brutale Pflicht ist (wehe, wenn jemand beim Trinken erwischt wird) und „Compliance“ ein Wort ist, das geradezu terroristisch eingesetzt wird, wo nebenbei noch Super-, Super-, Superleistung erbracht werden muß, in eiserner Konkurrenz zu allen anderen, die dasselbe tun und auf Verdrängung der Gegner aus sind – ja, das ist hart.
Und außerdem muß man natürlich ein Team-Player sein, obwohl man jeden Einzelnen seiner Kollegen haßt und ihm mißtraut… so geht es zu in den Büros, wie hier satirisch aufgeblättert wird. Da machen sich die Menschen ungewollt lächerlich und zeigen sich von ihrer erbärmlichsten Seite… Kurz, das ist durchaus eine Studie des Verhaltens im Gewand einer Komödie.
 
Das Drehbuch, an dem der Regisseur mitgearbeitet hat, enthält im übrigen nicht nur das Hickhack der konkurrierenden Herren, von denen nur einer (Tom Schilling hebt sich hochmütig von den anderen ab) vor Selbstbewußtsein strotzt, während die anderen gar nicht wissen, wie sie sich beim Phrasen dreschenden verbalen Kräftemessen verbiegen sollen, um der Gruppenleiterin zu gefallen (während sie sich metaphorisch vor Angst in die Hose machen).
Es geht auch um den Titel gebenden Pfau, der verschwindet (schließlich begibt man sich auch auf die Jagd, wer weiß, was man da trifft), es geht um eine verschwundene Gans (wer weiß, was die flotte Köchin da immer auf den Tisch bringt), und schließlich bricht unvermutet der Winter ein, und man ist eingeschlossen. Der Verdacht taucht auf, daß es wie bei Agatha Christie (in der „Mausefalle“ ist man schließlich auch eingeschneit!) bald eine Leiche geben wird, aber es bleibt im Grunde nur bei den schlimmen Psychospielchen.
Über all das soll und darf man natürlich auch lachen, besonders weil man von dergleichen bekannten Verhaltensweisen gerade selbst nicht unmittelbar betroffen ist, sondern gemütlich im Kinosessel sitzt.
 
 
Renate Wagner