Klare Linien

Scholz zementiert die Rußland-Politik

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Klare Linien
 
Scholz zementiert die Rußland-Politik
 
Von Lothar Leuschen​
 
Nachdem er sich dank Rückenwindes aus den Vereinigten Staaten in der Panzerfrage eindeutig positioniert hat, ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) anscheinend gewillt, den Weg der klaren Linien fortzusetzen. Vor dem Treffen der 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union untermauerte er in seiner Regierungserklärung die Beitrittsperspektive der Ukraine und betonte einmal mehr, daß der von Rußland angegriffene Staat zu Europa gehöre. Das stimmte rein geografisch zwar auch bereits ohne den ausdrücklichen Hinweis des deutschen Bundeskanzlers. Aber allein schon diese Aussage setzt das Signal, unter welchem Tenor Scholz das Thema Ukraine mit den Amtskollegen in der EU debattiert haben will. Dabei ist die Ukraine in ihrem aktuellen Zustand auch abseits des Krieges vom Status eines EU-Mitgliedes noch meilenweit entfernt. Davon zeugen nicht zuletzt die jüngsten Korruptionsfälle unter anderem im Umfeld der Armee. Umso deutlicher ist die Botschaft von Olaf Scholz auch für Wladimir Putin. Sie besagt, daß Deutschland die Ukraine nicht allein lassen und schon gar nicht aufgeben wird. Dafür spricht auch die Ankündigung des Kanzlers, neue Sanktionen gegen Rußland verhängen zu wollen. Die haben bisher zwar auf den ersten Blick noch relativ wenig Eindruck gemacht. Aber die Tatsache, dass Putin die mutmaßlich umfangreichen Goldreserven zu versilbern beginnt, könnte dafür sprechen, daß der nun schon fast ein Jahr dauernde militärische Überfall auf das Nachbarland die wirtschaftlichen Möglichkeiten Russlands strapaziert.​
 
Doch so klar die Haltung der deutschen Bundesregierung zur Ukraine und gegenüber Rußland inzwischen auch ist, so unberechenbar ist sie auch im großen Rest der Europäischen Union. Denn nur überwiegend, aber nicht durchgängig herrscht die Meinung vor, daß Rußland kein Partner mehr für die EU ist. Vor allem Ungarns Viktor Orban hat immer wieder darauf hingewiesen, wie wenig er von Sanktionen gegen Putin und dessen Komplizen hält. Deshalb birgt es auch ein gewisses Risiko, als deutscher Regierungschef vor einem Gipfeltreffen der EU so klare Linien zu ziehen.​
 

Der Kommentar erschien am 9. Februar 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.