Wandel durch Handel

Das Dilemma der Innenstädte am Beispiel Wuppertals

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Wandel durch Handel
 
Das Dilemma der Innenstädte
am Beispiel Wuppertals
 
Von Lothar Leuschen​
 
Wuppertal verändert sich. Es vergeht kein Tag, an dem nicht etwas verschwindet, was über Jahre und Jahrzehnte das Bild geprägt hat. Meistens sind es Geschäfte, die aufgegeben werden und Leerstand Platz machen. Bisweilen sind es ganze Häuser, die durch ihren Abriß einen ganzen Straßenzug verändern. So geschehen jüngst an der Ecke Osterfelder/ Friedrich-Ebert-Straße in Elberfeld.
Die Zeiten ändern sich, das Gesicht einer Stadt ändert sich mit. Das ist dort nicht tragisch, wo es geplant ist, wo besseres Neues an die Stelle von unbrauchbar oder schmucklos gewordenem Alten tritt. Manchmal ist das ein Gewinn, meistens jedoch geht mit Häusern oder Geschäften ein Stück Geschichte verloren. Leere Ladenlokale auch in den besten Lagen von Barmen, Ronsdorf, Vohwinkel, Cronenberg und Elberfeld sind ein untrüglicher Beleg dafür, daß nichts einfach so bleibt, wie es immer war, daß die Dinge sich verändern müssen, wenn die Umstände andere werden.
Natürlich versetzt es Wuppertal nicht den Todesstoß, daß der kleine Drachenladen an der Schloßbleiche in Elberfeld nun für immer seine Pforten schließt. Selbst der Abschied des ebenso traditionsreichen wie anheimelnden Café Grimm ein paar Meter weiter an der Kirchstraße hat nicht das Ende dieser Stadt eingeläutet.
 
Dennoch wiegen solche Verluste schwer. Der Einzelhandel ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Grund, eine Innenstadt aufzusuchen. Die Qualität des Aufenthalts dort steigt mit der Qualität des ansässigen Handels. Vielfalt lockt, Einfalt langweilt. Und Billigangebote entwerten die City einer Großstadt, weil diese City ein Magnet für alle Schichten der Bevölkerung sein soll und muß.
Deshalb sind Geschäftsaufgaben nicht nur für die Inhaber und deren Beschäftigte ein herber Schlag, die Städte und die Stadtteile verlieren mit. Es muß also jedem auch in Rat und Verwaltung eine Warnung sein, daß die Einkaufsstraßen von Elberfeld, Barmen und den anderen größeren Stadtteilen immer weniger die Begegnungsfunktion ausüben können, die von ihnen grundsätzlich erwartet werden muß. Denn Einkaufszonen sind Treffpunkte, sie legen Zeugnis darüber ab, wie sich eine Stadt und deren Gesellschaft entwickeln.
Es ist also nicht nur irgendeine Geschäftsschließung, wenn ein vielleicht begrenzt bedeutender Drachen- und Windspielladen, wenn ein Café, ein Uhrenfachgeschäft oder ein Schuhgeschäft für immer abgeschlossen werden.
 
Seit Eröffnung des Döppersbergs hat Wuppertal seine Elberfelder Innenstadt schlicht sich selbst überlassen. Das war zuvor mit dem Werth in Barmen ebenso. Aber dort wehrt sich eine Kooperation aus Händlern und Immobilen-Besitzern nach Kräften und mit ersten Erfolgen gegen den Niedergang. Dasselbe wäre den anderen Stadtteilen zu wünschen. Sonst gibt es in absehbarer Zeit gar keine Gründe mehr, sich in den Wuppertaler Innenstädten aufzuhalten.
Einzelhandel ist eine wichtige Säule der Stadtentwicklung. Kommunen, die das wissen, kümmern sich um Leerstände und schaffen mit einer ansprechenden Stadtmöblierung eine kundenfreundliche Atmosphäre. Im Wuppertaler Rathaus hat sich das anscheinend noch nicht überall herumgesprochen. Aber allzu viel Zeit ist nicht mehr. Wenn Leerstand, Billigläden und Handyshops endgültig das Einkaufszonenbild bestimmen, dann ist es zu spät.
 
 
Der Kommentar erschien am 21. Januar 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.