Aus alter und neuerer Zeit

Dezember 1867

aus dem Wochenblatt für das christliche Volk

Aus alter Zeit

Wenn man die verschiedenen alten Hadwerker erzählen hört, die in ihren jungen Tagen auf Stören bei den
Landleuten arbeiteten, so kann man vielerlei daraus lernen. Zu meiner Zeit, sagen sie, kamen wir wochenweis nicht mehr heimn. Und gerade in der Adventzeit hat´s oft am Meisten pressirt; Jedermann wollte auf den Christtag sich ordentlich herrichten. Da ging´s oft hart her; und mancheer Groschen war mit vieler Anstrengung verdient. Allein wenn man dann auf den Christabend mit dem erworbenen Arbeitslohn im Ränzchen heimwärts ging und unter der Hausthüre die Hausfrau zum Gruße bereit stand, so war das ein frohes Gefühl, das man sich um alle Welt nicht hätte abkaufen lassen. Und wenn man dann am frohen Familientisch munter beisammen saß, da gab es viel zu erzählen, so daß man kaum fertig werden konnte, bis die Mitternachts-Glocke zum ersten Gottesdienst rief. - Aber jetzt?


22. Dezember 1867.

Aus neuerer Zeit

In jetziger Zeit sind aus alten Gebräuchen neue geworden. Fabriken und Industrie kamen in Schwung; allein, daß die Menschheit eine bessere wurde, kann nicht behauptet werden. Da steht mancher Handwerksmann rathlos da; verwünscht sich und sein Geschäft, grübelt nach, ob er nicht irgendwie sich verbessern könnte; jedoch kein freundlicher Hoffnungsstern will ihm winken. Es nahet ein neues Jahr um´s andere und hiemit auch ein neues Elend. Man hat nicht gelernt, sich einzuschränken; man war bedacht, die verschiedenen lustigen Unterhaltungen zu genießen und dachte: In unseren Tagen des Fortschritts kann´s nimmer fehlen; aber es fehlt halt doch. Was geschieht? Man schimpft und lästert auf´s Vaterland und entschrließt sich, auszuwandern,  um in Amerka das neue Glück zu finden. Unter Verwünschungen ruft man das letzte Lebewohl, und geht neuen Sorgen überm Wasser entgegen. - Man mag nun lästern über die alte Zeit, über Finsterniß und dergleichen, allein das muß man ihr doch lassen: Solche schrecklichen Jammerbilder, wie man jetzt häufig sieht, waren einstens eine sehr seltene Erscheinung. Möchte es besser werden!

29. Dezember 1867