Eine Dublone und vier Tote

Raymond Chandler – „Das hohe Fenster“

von Frank Becker

Eine Dublone
und vier Tote
 
Band 4 der neuen Chandler-Reihe
 
Wenn der Plot erlahmt, bring einem Mann
mit einer Knarre ins Spiel.
(Raymond Chandler)
 
Es ist genau das, was Raymond Chandlers knallharten Privatdetektiv Philip Marlowe bei den Lesern so beliebt macht: Schnörkellose Handlung, Macho-Gehabe oder Verschlagenheit  bei den Kerlen und je nach Bedarf Raffinesse oder Hilflosigkeit bei den Frauen, denn so und nicht anders hatten die Dämchen zu Chandlers Zeiten zu sein und so wollte die Leserschaft die Bullen, Ganoven und Antihelden in den Hardboiled-Krimis haben. Immer eine Zigarette zwischen und einen coolen Spruch auf den Lippen sowie einen Whisky im Glas. Der Diogenes Verlag legt seit drei Jahren erfolgreich die Chandler-Romane neu auf, hier geht es um den vierten in einer Neuübersetzung, diesmal von Ulrich Blumenbach, der auf den brillanten Frank Heibert und den weniger prickelnden Robin Detje folgt.
 
Mrs. Murdock, eine verdammt unsympathische, dafür aber reiche, Portwein saufende Witwe aus Pasadena, hat einen doppelten Auftrag für Philip Marlowe: Ihre Schwiegertochter, eine ehemalige Nachtklub-Sängerin, ist verschwunden – und gleichzeitig eine alte, wertvolle Goldmünze aus der Sammlung ihre verschiedenen zweiten Gatten, eine Brasher-Dublone im Wert von 12.000,- Dollar. Die Münze will die Auftraggeberin zurück, die Schwiegertochter nicht. Wir kennen das von Philip Marlowe: Bald säumen Leichen den Weg der Ermittlungen, hat ihn die Polizei im Visier und kreuzen Gangster, Spieler, Verlierer und leichte Mädchen die Spuren der Dublone. Eine Figur paßt nicht ins Schema, das ist Mrs. Murdocks ergebene Sekretärin Merle Davis, der in der etwas verworrenen Story eine ganz besondere Rolle zukommen wird. Marlowe wird herausfinden, wer wen warum umgelegt hat und er wird Lt. Breeze von der Mordkommission Los Angeles wohlweislich nicht alles auf die Nase binden.

Es liest sich, wie bei Raymond Chandler üblich, unterhaltsam weg wie Butter. Doch auch diesmal muß ich dem Übersetzer von „Der große Schlaf“, Frank Heibert nachtrauern, denn auch Ulrich Blumenbach erreicht nicht dessen sprachlichen Rang. Vieles wirkt  aufgesetzt, nicht nur schnoddrig, sondern gewollt allzu rotzig. Das schadet der Coolness des Romans.
 
Raymond Chandler – „Das hohe Fenster“
Originaltitel: The High Window – Übersetzung aus dem Amerikanischen: Ulrich Blumenbach, mit einem Nachwort von Margaret Atwood
© 2022 Diogenes Verlag AG, 320 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag - ISBN-13: 9783257072037
24,- €
 
Weitere Informationen: www.diogenes.ch