Geschenke

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Bernd Mueller
Geschenke
 
Herr Hemdsorgel schüttelte den Kopf. Alle Geschenke, die er in diesem Jahr zu seinem Geburtstag bekommen hatte, verwirrten ihn. Vielleicht waren sie gar nicht für ihn gedacht gewesen und er war das Opfer einer Verwechslung geworden. Ratlos deute er auf einen Besen. „Diesen Besen“, sagte er, „habe ich von meinem Nachbarn bekommen. Was will er mir damit sagen?“ Sollte er samstags mehr seinen häuslichen Pflichten nachkommen? Herr Hemdsorgel packte weiter aus und hielt mir eine Uhr entgegen. „Diese Uhr habe ich von meinem Chef bekommen und dabei laufe ich sogar zur Arbeit, wenn ich meinen Bus verpaßt habe.“  Aber es stimmte schon. Oft kam er zu spät und sein Chef ärgerte sich darüber. Herr Hemdsorgel öffnete einen kleinen Karton, indem ein Buch von Heinz Erhardt lag. „Dieses Buch bekam ich von meinem Bruder geschenkt. Soll ich lustiger sein und mir an Heinz Erhardt ein Beispiel nehmen?“ Herr Hemdsorgel seufzte. In der Tat war er oft bedrückt und belastete seine Umgebung mit seinem Seufzen. Er zeigte auf den Tisch, wo seine anderen Geschenke aufgereiht waren. „Meine Freundin hat mir diesen sonderbaren Pullover geschenkt, den ich schon bei ihrem Papa gesehen habe. Will sie mich so sehen? Soll ich so an ihrer Seite stehen und manchmal „So so so“ seufzen, wie ihr Papa?“ Er kniete sich hin und streichelte einen kleinen Hund. „Diesen Hund haben mir meine Kinder geschenkt. Mit ihm soll ich meine Zeit verbringen. Er soll mir neue Bekanntschaften vermitteln und seine Erziehung soll mich ablenken. Ich bin erschrocken. Beginnen nun die dunklen Jahre?“ Ich nickte und hielt ihm mein Geschenk entgegen. Es war ein Yoga-Kursus, um sich in der Kunst der Gelassenheit zu üben. 
 
© 2022 Erwin Grosche

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