Zum Gumpen-Springen nach Korsika

Wanderungen durch die Macchia mit Zwischenaufenthalt in Natur-Badewannen

von Theo Reisner

Ile de Beauté - Calvi  -  Foto © Theo Reisner

Zum Gumpen-Springen nach Korsika

Wanderungen durch die Macchia mit Zwischenaufenthalt in Natur-Badewannen




Ile de Beauté

"Kalliste" meinten die Griechen und "Ile de Beaute" sagen die Franzosen - beides bedeutet "schöne Insel" und trifft zu. Wie touristische Schönheiten  im Einzelfall empfunden werden, hängt auch von der Reisezeit ab - Frühling und Herbst sind ideal. Riesige Felsblöcke entlang von Gebirgsbächen schaffen ein Klima überdimensionierter Badewannen. Gumpen als stufenförmige Schwimmbecken aus der Eiszeit sind als Endpunkt von Wanderungen durch die Macchia ein wahrer Genuss. Das


In der Gumpe - Foto © Theo Reisner
kristallgrüne Wasser ist tief genug zum Schwimmen und angenehm warm, die glatt geschliffenen Riesen-Felsen aus der Eiszeit heizen sich in der Mittagssonne bis auf 40 Grad Celsius auf und werden so zur idealen Entspannungsliege. Zum rauf Klettern sind sie griffig genug und zum runter Springen haben sie die richtige Höhe - die Gletschermühlen waren durch Jahrtausende ganz im Sinne von Naturliebhabern tätig. Und die Bäche fließen langsam genug, um gefährliche Hindernisse oder Untiefen ausmachen zu können.

Einheimische Wanderführer empfohlen

Für Anfänger in diesem Gelände ist die Inanspruchnahme der Dienste einheimsicher Wanderführer empfehlenswert. Die beste Werbung dafür sind übrigens Touristen, die sich in der Macchia verirrt haben und dann Informationen in korsischem Dialekt einholen mussten. Apropos Verständigung: Wer seine französischen Sprachkenntnisse gleich gemeinsam mit dem Nervenkostüm der Einheimischen testen will, der sollte gesprächsweise auf seine Bewunderung Napoleons hinweisen, gefolgt von der Frage, weshalb sich hier so wenige ausländische Hotelketten angesiedelt haben. Die wesentlichen Fettnäpfchen gelten damit als durchschritten. Napoleon hat den Einheimischen gar nichts gebracht - für den  selbsternannten Kaiser aller Franzosen war die kleine Heimat keine Größe. Sein Freund und


Einkauf in Castaniccia - Foto © Theo Reisner
späterer Gegner Pascal Paoli hingegen bescherte als erfolgreicher Freiheitskämpfer Korsika immerhin 14 Jahre Unabhängigkeit - die einzigen in ihrer Geschichte. Paris müht sich mit unzähligen Reformen, trotz großzügiger Subventionen gibt es bis heute erhebliche Auffassungsunterschiede über den richtigen Weg dieser schönen Insel in die Zukunft. So wird etwa die Frage nach den Besitzverhältnissen auf der Insel von den Korsen sehr eng gesehen - nach Jahrhunderte langen Unterwerfungen betrachten sie den Hotelbau durch internationale Konzerne lediglich als eine Fortsetzung der "Okkupation" mit anderen Mitteln. Deshalb sprengt die radikale Einheimischen-Minderheit "FNCL" mit unschöner Regelmäßigkeit Politiker, Feriensiedlungen oder exponierte Landsitze in die Luft. Touristen werden mit höflichem Nachdruck so rechtzeitig entfernt, dass in den letzten 30 Jahren keiner ernsthaft zu Schaden kam. Von Vorteil kann sein, den niedlich klingenden  Ausdruck „Plastiqueur“ korrekt zu übersetzen - nämlich mit "Bombenleger". Organisierte Gruppen bieten demnach auch für die Erforschung des lokalpolitischen Geländes die besseren Voraussetzungen.

Tages-Wanderung auf dem Fernwanderweg „Tra Mare e Monti“

Zum Glück wird die Macchia bis fünf Meter hoch und spendet dem Wanderer reichlich Schatten. Das stachelige Dickicht aus Rosmarin, Majoran, Salbei, Thymian, Myrthe, Borretsch, Minze und


Foto © Theo Reisner
Wacholder verströmt einen unverwechselbaren Duft. Entlang des Fernwanderweges „Tra Mare e Monti“ mit insgesamt 127 Kilometer Länge (in den Wanderkarten auf 13 Tages-Etappen aufgeteilt) erreichen Erdbeerbäume mit ungeniessbaren, roten Früchten und Baumheiden bis zu zehn Meter Höhe. Das „Filetstück“ des Fernwanderwegs beginnt in Bonifato nahe Calvi und endet im Fango-Tal. Zwei Pässe mit über 1000 Meter Seehöhe sorgen für frischen Wind und schöne Fernsicht auf Berge und Meer. Für insgesamt 1750 Höhenmeter bei 20 Kilometer Weges-Länge sind sechs Stunden reine Gehzeit zu veranschlagen. 
Bis zur Rast am höchsten Punkt, dem Punta di Bonassa auf 1153 Meter Seehöhe, vergehen gut zwei Stunden. Während der Pause lässt sich das rege Treiben im Hafen von Calvi beobachten.

Gumpen-Springen

In den Wäldern mit bis zu 50 Meter hohen Kiefern wachsen auch Kastanien und Steineichen, die ein halbes Jahrtausend alt werden. Der Zistrosen-Würger hat es der Gruppe besonders angetan, weil sich die Schmarotzer-Pflanze auf Boden-Höhe um die wilde Rose schlingt, ohne sie zu erdrosseln. Überall finden sich Spuren von Bränden, meist zur Gewinnung von Weideflächen absichtlich gelegt und immer wieder ausser Kontrolle geraten. Der zweite Pass, Bocca di Luca, gibt den Blick zur Mündung des Fango ins Meer


Foto © Theo Reisner
frei. Hochalpine Vegetation reicht hinunter bis auf 600 Meter Seehöhe, das Tages-Ziel „Gumpen-Springen“ liegt nur 60 Meter über dem Meeresspiegel im Golf von Galeria. Dicht neben der Mündung trennt lediglich ein schmaler Streifen Strand Süß- und Salzwasser. Dieser Abschnitt des „Tra Mare e Monti“ ist im Unterschied zu vielen anderen Wanderwegen in Korsika unmissverständlich markiert und gut gewartet. Sprich Beine ohne Kratzer, die beim Baden im Meer brennen wie Feuer.

Einkehr in Landgasthöfen

Beim Einkehren werden originelle Landgasthöfe bevorzugt, etwa bei der Tour in den jüngsten korsischen Nationalpark „Castagniccia“. Die (namensgebenden) Edelkastanienbäume sind das natürliches Umfeld für halb verwilderte Schweine. In Piedicroce werden sie von Jean Joseph Rafffalli zu haltbarer Wurst (Figatellu), Schinken, Filets vom Rücken und zum „Coppa“ (Nackenstücke) verarbeitet. Allesamt sind sie würzig und fett - also wohlschmeckend und ungesund. Im seinem Gasthaus „Refuge“ gibt es keine Speisekarte, aber ein täglich wechselndes Menü. Der Wirt empfiehlt den Salat „Speluncato“ mit warmer Sauce, danach kommt „Bouillidece“ auf den Tisch (gebackener Ziegenkäse) Als Hauptspeise wird bevorzugt „Stuffatu“, eine Art


Foto © Theo Reisner
Wildschweingulasch gereicht. Zum Dessert noch Krapfen aus Maronimehl (Fritelle Castagnine), und der Griff zum „Cedrat“ (Digestiv aus Zitronen) ist unvermeidbar. Zu Trinken gibt es meist 01-er Rose und einen Roten, beide  aus dem hochdekorierten Weingut Domaine Peraldi.


Information: Auf der ganzen Insel würzige Küche mit gepfefferten Preisen.  Zumindest die Zimmerpreise sinken in der Vor- und Nachsaison um gut 50 Prozent, ebenso wie die Fähr-Tarife. Das ganze Jahr über: Idyllische Picknick-Möglichkeiten, Preise in den Supermärkten auf  gewohntem (deutschem) Niveau.

Anreise: Schnellste Verbindung via Savona nahe Genua oder Livorno. Bestes Fähren-Angebot von Corsica & Sardinia-Ferries, Tel. 0180-5000-483, www.corsicaferries.com .             

Allgemeine Auskunft: Maison de la France, Zeppelinstraße 37, 60325 Frankfurt, Tel.: 069-975801-36,  www.franceguide.com