Auf kleiner Nordlandfahrt

Impressionen einer Schweden-Reise

von Jürgen Koller

Landschaft nördlich Stockholm - Foto © Margot Koller
Lycklig Sverige!


Ach Schweden, du glückliches Land mit deinem alten Königshaus, den überschaubaren Städten und den kleinen verträumten Dörfern, den unermeßlichen Wäldern, den Seen mit Tausenden Kilometern unbebauter Uferzone, mit deinen  kaum acht Millionen Einwohnern… Schweden, das Land, wo Holzhäuser in Burgunderrot die Landschaft prägen, wo auf den Straßen vor Elchen gewarnt wird und wo der aufmerksame Tourist auf Schritt und Tritt spürt – dieses alte nordische Königreich mit seiner starken protestantischen Tradition hat seit mehreren Jahrhunderten keinen Krieg mehr geführt. Die kleinen Feriensiedlungen an den Seen rings um die Hauptstadt Stockholm künden vom Jahrzehnte gewachsenen Wohlstand dieses freundlichen, stolzen Volkes.
 
Hoher Standard, stolze Unabhängigkeit

Manches erschließt sich aber erst auf den zweiten Blick – die hohen Lebenshaltungskosten für Dinge des Alltags, die erdrückenden Sozialabgaben und Steuern auf Löhne und Gehälter, mit denen der sprichwörtlich hohe schwedische Sozialstandard bezahlt werden muß. Ja, auch daran gilt es sich zu gewöhnen, Bier, Wein und sonstige alkoholische Getränke gibt es bei beachtlichen Preisen nicht im Supermarkt, sondern nur in lizenzierten speziellen Geschäften zu kaufen. Übrigens ist  es in Schweden keinesfalls üblich, daß alle Möbel einen Vornamen tragen. Das   gibt es nur als Werbegag eines weltweit operierenden blau-gelben Möbelhauses. Auch wenn die mit Pickelhauben behelmten Gardisten zu Pferde und zu Fuße vor dem Königsschloß paradieren, das Volk der Schweden unter ihrem blauen Banner mit dem gelben Kreuz ist von eher zivilem Zuschnitt – eben ein Volk, das  mit seiner traditionellen Neutralität und ohne NATO-Mitgliedschaft gut und auch sicher leben kann. Da verwundert auch die strikte Verweigerung des Euro nicht. An die Schwedenkrone als Zahlungsmittel darf nicht gerührt werden, das haben linke wie konservative Politiker in Stockholm zu spüren bekommen.
 
Modern, schnell - und sauber

Diese „kleine Nordlandfahrt“ haben der Autor und seine Frau der Einladung zu einem Geburtstag einer lieben Freundin aus Stockholm zu danken. Es sollte nicht nur nach nordischer Lebensart ein Geburtstagsfest auf dem Lande im Ferienhaus am See gefeiert werden, man wollte Gästen aus ganz Deutschland das Kulturvermächtnis  Mittelschwedens und der Schönheiten des Mälardals, der Halbinsel im nördlichen Mälarsee, vermitteln. Die Fahrt mit dem superschnellen Expreß von Stockholms Flughafen Arlanda zur Central-Station, dem Hauptbahnhof, dauert gerade mal zwanzig Minuten und die anschließende Weiterfahrt zum Städtchen Bålsta nördlich der Hauptstadt ist mit 40 Minuten auch kurzweilig. Die modernen Stadtbahnzüge sind schnell, sauber  - und nicht beschmiert oder verkratzt.

Schloß Skokloster - Foto © Margot Koller
 
Quartier hatte die Geburtstags-Gesellschaft in einem Hotel in Bålsta genommen. Der  Ort liegt auf halber Strecke zwischen Stockholm und der alten Universitätsstadt Uppsala. Da es wegen der dünnen Besiedlung kaum Busverkehr zu den Schönheiten dieses Landstrichs gibt, waren Großraum-Taxen das Transportmittel, um zu den Zielen des Mälardals zu gelangen. Die erste Exkursion führte von der kleinen Siedlung Söderskogen zum Schloß Skokloster. Neunzig Minuten dauert der Fußmarsch entlang des Seeufers, teils durch dichtes Unterholz, teils auch über Lichtungen mit Rastplätzen und verschwiegenen Bootsanlegestegen. An dem ganzen langen Uferweg fand sich kein einziges Ferienhaus, dafür aber öfter Plätze, die für abendliche Lagerfeuer vorbereitet waren. Es kreuzte zwar kein Elch unseren Wanderweg, dafür fanden wir Pilze über Pilze – überwiegend Stein- und Birkenpilze wurden denn auch für ein gemeinschaftliches Festessen gesammelt.
 
Wrangels Barock-Schloß Skokloster

Das Schloß Skokloster, ein viertürmiger, zum nördlichen Mälarsee hin ausgerichteter Bau, wurde von Carl Gustav Wrangel (1613-1676) als repräsentativer Wohnsitz errichtet. Es gilt als größter Privatpalast, der jemals in Schweden gebaut wurde.  Wrangel bekleidete mehrere hohe militärische Posten und war auch Generalgouverneur für Schwedens Besitztümer in Pommern. Er spielte während Schwedens Großmachtzeit eine wichtige Rolle in der europäischen Politik.

Eckturm Skokloster - Foto © M. Koller
Wrangel heiratete 1640 im Heereslager bei Saalfeld nahe der Stadt Erfurt die deutsche Adlige Anna Margareta von Haugwitz (1622-73), also mitten im 30-jährigen Krieg. Der Ehe entstammten elf Sprößlinge, doch nur vier der Kinder erlebten das Erwachsenenalter.
Wrangels Tochter Margareta Juliana heiratete 1660 Nils Brahe, der Skokloster  später übernahm.
 
Die Prachtzimmer des Schlosses sind als „Filade“ nach französischem Vorbild in einer Linie aufgereiht. Das ist ein frühes Beispiel für diese Bauweise in Schweden. Bemerkenswert an Wrangels Gemächern und denen seiner Ehefrau sind kostbare Ledertapeten, Kabinettschränke, kunsthandwerkliche Exponate, Waffen und Bücher. Der Bankettsaal als größter Raum des Schlosses in der dritten Wohnebene blieb unvollendet und hat beachtlichen bauhistorischen Wert, kann man doch an ihm heute noch die Bautechnik  der Barockzeit studieren. Für Freunde alter Militaria ist die umfangreiche Musketensammlung Wrangels interessant – vorwiegend kunsthandwerkliche Meisterstücke (oftmals Jagdwaffen), die schon zu Lebzeiten Wrangels begehrte Sammlerstücke waren. Die Familie besaß das Schloß fast 250 Jahre lang. 1967 wurde es durch Kauf zu einem staatlichen kulturhistorischen Museum.
 
Das Mälardal mit Kloster und Kirche

In unmittelbarer Nähe, nur einige hundert Meter entfernt, findet sich die im ganzen Mälardal gerühmte Kirche zu Skokloster. Zurückgehend auf den Dominikaner-Orden um 1220 und die folgenden Zisterzienser wurde die Klosteranlage mehrfach überbaut. Die neue, heute noch in ihren Grundformen erhaltene Kirche wurde bereits vom kontinentalen Bauprinzip geprägt. Das Kloster beherrschte im Mittelalter sowohl die Skohalbinsel (Mälardal) als auch das ganze südliche Uppland. Die Reichtümer wurden im Zusammenhang mit der Reformation um 1540 zur Krone eingezogen.

Die Kirche von Skokloster - Foto © Margot Koller
Das Kirchenschiff hat im Laufe der Jahrhunderte etliche Bauergänzungen und Veränderungen erfahren – im Norden wurden mächtige Stützpfeiler außen vorgesetzt, an der Südseite wurde im Barockstil die Wrangelsche Grabkapelle angebaut. Der Glockenturm wurde 1666 gebaut, 1743 bekam er sein heutiges Aussehen. Der Ostgiebel  mit der schönen Dreifenstergruppe ist in seiner ursprünglichen Form am besten erhalten, während die westliche Fassade  bis ins 19. Jahrhundert hinein modifiziert wurde.
Beim Interieur der Kirche fällt der reich mit Schnitzereien und Malereien verzierte Altarsatz (Anfang 1600) über dem Altar ins Auge – ein Beutestück Carl Gustav Wrangels vom Kloster Oliva bei Danzig. Die prachtvolle, römisch-katholische Kanzel, die gleichfalls aus Oliva stammt, zeigt als Zentralmotiv die Kreuzigungsszene. Neben einer Madonnenskulptur aus dem 14. Jahrhundert ist ein hölzernes Christushaupt aus der gleichen Zeit erwähnenswert. Im Weichbild der Skoklosterkirche finden sich noch aus vorchristlicher Zeit  mehrere markant gestaltete Runensteine.

Runenstein - Foto © M. Koller
  Wir besuchten Schloß und Kirche an einem Samstag. Viele Familien, verliebte Paare oder Wandergruppen machten in der Nähe des Schlosses oder am Seeufer auf ausgebreiteten Decken ihr Picknick. Sehr idyllisch anzuschauen und besonders auffällig war: nirgends blieb Abfall liegen.
 
Mitten im Leben

Das dünn besiedelte Mittelschweden, das kaum Profanbauten aufweist, wird von kleinen, oftmals alten Dorfkirchen bestimmt. Westlich des Mälardals fanden wir im Dörfchen Härkeberga eine solche Kirche aus dem 13.Jahrhundert. Aus Bruchsteinen errichtet, außen weiß verputzt, mit steilem Dach und separatem Glockenturm prägt sie schon von weitem die Landschaft. Der besondere Reiz des kleinen Sakralbaus aber ist die gut erhaltene, sorgfältig restaurierte Decken- und Wandmalerei aus frühgotischer bzw. mittelalterlicher Zeit. Die Malereien wirken mit ihren weltlichen Themen – z. B. dem Rad des Lebens – oder biblischen Episoden so frisch und gegenwärtig, als seien die Künstler erst kürzlich von ihren Gerüsten geklettert. Auch das Kruzifix ist von besonderer gestalterischer Schönheit. Bei dem sich an die kleine Dorfkirche anschließenden Friedhof ist die nordisch zurückgenommene, fast schon spartanisch bescheiden zu nennende Friedhofskultur augenfällig. Gleich neben der Kirche befindet sich der ehemalige, sehr ärmlich wirkende Pfarrhof, der als musealer Zeitzeuge für die Nachwelt erhalten wird. Die Pfarrer mußten sich

Foto © Margot Koller
ja  bis in das 19.Jahrhundert hinein  ihren Lebensunterhalt mit bäuerlicher Arbeit verdienen.
 
Wieder zurück auf „unserer“ Halbinsel war der Besuch des Schulmuseums von Häggeby ein lohnenswertes Ziel. Die dörfliche Einklassen-Schule war noch bis in die 40er Jahre in Betrieb. Ein alter Herr, schon über die 90, führte uns freundlicherweise durch die Schule, die er selbst noch besucht hatte. Die Schule wurde übrigens stets von Lehrerinnen die ledig sein mußten geführt. Interessant waren weniger die üblichen Landkarten und Anschauungsmaterialien sondern vielmehr ein schmales Sandbett, in dem die Erstklässler Schreibübungen machen konnten. Heute werden die wenigen Schulkinder in den Dörfern vom Schulbus eingesammelt und zum Unterricht nach Bålsta gefahren.
Wer einmal diese Region bereist, sollte unbedingt die kleine Stadt Sigtuna, in der Nähe des Flughafens Arlanda, besuchen. Diese Stadt war lange vor Stockholm die erste Hauptstadt Schwedens. Hübsch herausgeputzt ist das Städtchen mit seinen beschaulichen Wohn- und Geschäftshäusern im ländlich-schwedischen Baustil, seinen ruhigen Garten-Cafés und seinem Rådhus aus dem Jahre 1660, dem kleinsten Rathaus des ganzen Königreichs mit nur zwei Dienst-Räumen, eine touristische Attraktion. 

Foto © Margot Koller
 
Lecker essen in Schweden!

Natürlich hat die Gästegesellschaft nach den spannenden touristischen Erlebnissen auch noch in echt schwedischer Art ausgiebig gefeiert. Nur soviel sei hier berichtet: unsere Gastgeber hatten zu einem festlichen Abendessen im Grünen geladen. Die Tafel war unter alten Bäumen gerichtet und bot einheimische Spezialitäten vom Feinsten. Niemand von uns hatte je solche Schüsseln voll mit köstlichen Krebsen gesehen, auch geräuchertes Rentierherz oder Elch- und Rentierwurst waren uns bis dato völlig fremd. Das Wissen, daß unsere Pilzexperten aus dem Bergischen und aus der Pfalz über sichere Kenntnisse verfügten, ließ uns die selbst gesammelten Pilze vorzüglich munden. Als wir auf das Wohl unserer Gastgeber und auf das schöne Schwedenland  fleißig mit schwedischem „Absolut“-Wodka  anstießen, war „Skål“ das Wort des Abends. Anderntags am Nachmittag dann die eigentliche Geburtstagsfeier – es kamen noch dreißig schwedische Gäste hinzu. Bei Kaffee, Torte und manch einem Schnäpschen unvergeßliche Stunden – ein kalorienreiches  Schlaraffenland läßt grüßen!

Dom - Foto © Margot Koller
 
Stippvisite in Stockholm

Die kleine Nordlandfahrt endete mit einer Stippvisite in der Hauptstadt Stockholm, die gewiß nicht architektonisch mit den mitteleuropäischen oder gar mediterranen Städten mithalten kann. Über die Bausünden aus den 60er und 70er Jahren sind die Stockholmer selbst noch immer verärgert. Dafür entschädigt die Lage Stockholms am Wasser. Die vielen innerstädtischen Inseln, Kais und Brücken haben für den Touristen aus dem deutschen Binnenland etwas Aufregendes. Natürlich war der Besuch von Gamla Stan, der Altstadt mit ihrer Insellage besonders reizvoll. Gamla Stan sollte wegen des städtebaulichen Verfalls  in den Sechzigern unter die Abriß-Birne kommen. Glücklicherweise wurde dieser Plan aufgegeben und die Altstadt schrittweise saniert.
Bestimmend für die Altstadt ist der Stockholmer Dom, offizieller Name Storkyran - Großkirche. Der Dom ist auch Hofkirche, hier wurden 1976 König Carl XVI. Gustav und die Deutsche Silvia Sommerlath getraut. Im Inneren beherrschen flammendrote Ziegel den Bau. Es braucht Zeit, um sich das Interieur des Domes zu erschließen – den Silberaltar aus dem 17. Jahrhundert, die Monumentalplastik St. Georgs mit dem Drachen, gewidmet von Sten Sture d. Ä., Sieger über die angreifenden Dänen unter König Christian Ende des 15.Jahrhunderts, den siebenarmigen  Leuchter, die Kanzel von 1700 und die Ehrenlogen für die Mitglieder der Königsfamilie.  Das Spektakel einer Wachablösung vor dem königlichen Schloß haben wir uns nicht entgehen lassen - die herrlichen Pferde der Königs-Garde waren eine Augenweide. Ansonsten hat Gamla Stan alles was Touristen lieben – kleine Cafes, Restaurants, Souvenir-Läden aller Art, Kunstgalerien, Antiquitätengeschäfte u.v.a. mehr.

Stockholm, das Rathaus- Foto © Margot Koller

Mit einem letzten Blick auf das Stadthuse, das Rathaus von Stockholm, verabschiedeten wir uns von Land und Leuten. Von der nordischen Art zu leben, besonders aber von dem Land mit seiner zurückhaltenden Schönheit waren wir sehr angetan.


Informationen zu Schweden auch unter:
www.fremdenverkehrsamt.com/schweden
www.schwedenkonsulat.de

Redaktion: Frank Becker