Geister, Geld und Kindersegen

Chinesische Wertvorstellungen in volkstümlichen Holzdrucken - Art:futurum - Sammlung Elisabeth Kurz

von Theo Reisner

Zhong Kui
Geister, Geld und Kindersegen
 
(Chinesische Wertvorstellungen in volkstümlichen Holzdrucken)
Ausgestellt bis 27.3.22 in Nordhausen/Thüringen.
 
Die Weltlage mit ihrem zunehmend schwierigen geopolitischen Spannungsfeld rückt immer stärker in das Bewußtsein von uns Europäern - aus gutem Grund. Denn wie China denkt und handelt, betrifft uns alle. Höchste Zeit für eine Auseinandersetzung mit historischen Wurzeln und aktuellen Begrifflichkeiten zum Beispiel auf Basis einer Ausstellung zur chinesischen Kunst des Holzdrucks im thüringischen Nordhausen als Zugang zum Riesenreich. Dieses Mal aus Sicht der ansonsten wenig wahrgenommenen ländlichen Bevölkerung. Trotz massiver Verstädterung ist China noch immer von bäuerlicher, häufig in uralten Traditionen verhafteter Tradition geprägt.

Die Ausstellung zeigt erstmals und einmalig 175 Exponate einer in 40 Jahren von der Kuratorin Elisabeth Kurz zusammengetragenen Sammlung, dazu was die chinesische Bevölkerung sich eigentlich unter Glück vorstellt und wie sie das Miteinander von Familie und Staat, von Regierung und Volk, von Armut und Reichtum gestalten will. Die Bilderwelt, in der sie sich zumeist symbolisch ausdrückt, ist von mitreißender Farbigkeit, Kreativität und stilistischer Vielseitigkeit. Diese Ausstellung richtet sich an Wissbegierige, Kenner, Kritiker und Liebhaber Chinas gleichermaßen. 
Das Buch zur Ausstellung ist im Dezember erschienen und führt mit über 100 Farbbildern bzw. Illustrationen in historische und religionsgeschichtliche Hintergründe ein. Die Autorin Elisabeth Kurz: „China ist ohne Lernbereitschaft und Respekt gegenüber anderen Kulturen nicht zu erfassen. Europa hat das geistige Potential, diese Vorleistung zu erbringen“.  
 
Im ersten der 21 Räume einer ehemaligen Tabak-Manufaktur grüßt auf 80x120cm Zhong Kui als Türwächter in Mandarin-Gewandung. Mit einer Fledermaus als Kundschafter, um böse Geister rechtzeitig entdecken zu können. Holzdrucke mit ihm sollen auf einen Kaiser der Tang-Dynastie zurückgehen, der sein Bildnis - er dürfte eher häßlich ausgesehen haben - zur Abschreckung von Dämonen an der Palast-Tür anbringen ließ. Der oberste Höllenrichter schickte ihn dann zu Bekämpfung böser Geister mit einer langen Liste zurück zu den Menschen. Dort mit dabei der Lügenteufel, der Raffgierteufel, der Lustgierteufel und der Teufel der glotzäugigen Dummheit. Irgendwie beschleicht den Leser der begleitenden Text-Tafeln das Gefühl, dieser Auftrag wäre noch immer nicht ausgeführt worden. In mehreren Räumen dargestellt ist der Herdgott Zao Jun, der gemeinsam mit dem Gott des Reichtums und mit dem Erdgott in Form seiner symbolischen Anwesenheit das Familienleben im Haus prägte. Häufig mit dabei: der Hund und der Hahn als Vertreter aller Haustiere. Auch Pferde sind bildlich dargestellt, weil sie Botschaften aller Art in den Himmel befördern sollten.


Dreibeinige Geldkröte, bringt Geldregen bei jedem Schritt. Aus Geister, Geld und Kindersegen

Die häufige Thematisierung des Familienlebens auf Holzdrucken ist kein Zufall, denn einen Vorrang des Religiösen hat es in China nie gegeben. Als Ordnung setzende Kraft galt immer die Familie zur Steuerung des menschlichen Verhaltens, wenn auch stets von religiösen Praktiken begleitet. Erst danach kamen Staat und Behörden. 
Als „Volksreligion“ wird bis heute eine Mischung aus daoistischen, buddhistischen und konfuzianischen Elementen praktiziert. Ihre Kreativität, ihr Kampfgeist und die tiefe Verwurzelung in der Familie kommen in ihrer spezifischen Kunstform, dem Holzdruck, am beeindruckendsten zur Geltung. 
 
Die Technik des Holzdrucks
 
Sie geht auf die Han-Dynastie zurück (206 vor bis 220 n. Chr.) und basiert auf einer Zeichnung auf durchsichtigem Papier, das auf eine Holzplatte geleimt wird. So kann der Schnitzer die Linien übertragen und die so entstandene Druckplatte einfärben – mit bis zu fünf Farben. Dafür sind dann fünf absolut identische Vorlagen erforderlich, die abgeschliffen und dann wieder neu verwendet werden können. Ab dem 7. Jahrhundert stand diese Kunstform unter staatlicher Kontrolle, um einen „korrekten“ Wortlaut sicherzustellen … Holzdrucke spielen beim wichtigsten gesellschaftlichen Termin, dem Neujahrsfest, immer noch eine wichtige Rolle - zum Schmücken des Hauses genauso wie in Form von Spruchbändern, die Glück bringen sollen.


Der Schicksalsberechner, klärt, wie Paare zusammenpassen, auf Basis von Tierkreiszeichen, Druck aus Weifang

Die Aussagekraft der Kunstwerke in ihrer erzählenden Art ist enorm, weil absolut geschichtstreu und offen für detaillierte Analysen konfessioneller Sitten und Gebräuche. Sie ist die authentische Darstellung der ländlichen Welt in China als Miteinander von Alt und Jung, Lebenden und Toten sowie von Menschen und Geistern.
So wird auch die außerordentlich hohe Wertschätzung der schulischen Bildung seit der Entmachtung des Adels im 2. Jahrhundert v. Chr. manifestiert, weil staatliche Ämter danach nur auf Basis strenger Prüfungen von Kenntnissen der Literatur konfuzianischer Klassiker vergeben wurden. Wichtig für die Eignung fürs Beamtentum war auch der Nachweis, brauchbare Texte verfassen zu können (das waren noch Zeiten!) und der „richtige“ Umgang mit Zahlen: denn es gab die fünf Elemente Wasser, Holz, Feuer, Erde und Metall. Dann fünf Jahreszeiten, fünf Himmelsrichtungen, fünf Farben und fünf innere Organe.
Die Personal-Auslese war enorm, lief über vier Stufen und brachte dafür einen sicheren Job mit Beamten-Hut als Status-Symbol. Das Prestige einer Hochschule war und ist übrigens immer noch wichtiger als die Prüfungs-Noten. Die Entscheidung in der vierten Stufe war dem Kaiser als höchste politische Instanz vorbehalten.
 
 
Das Neun-Neun-Bild, die 7 Jungen beim Theaterspiel

       Die große Bedeutung der konfuzianischen Lehre, die sich natürlich als Leitfaden durch die Ausstellung „Geister, Geld und Kindersegen“ zieht, beruht auf der Betonung menschlicher Vernunft und Verantwortung und setzt auf Riten und Ahnenkult als Ausdruck von Respekt und Liebe für die Vorfahren. Der Himmel gilt als oberste Instanz, Hölle und Paradies kennt sie nicht. Dieser Himmel bestraft Vergehen und belohnt praktizierte Tugend. Die Übergänge zum Daoismus sind allerdings fließend. Diese vom Philosophen Laozi gegründete Weltanschauung, die mehr das Formlose und Spontane verehrt, sieht das Wasser als wichtigstes Element, weil es seine Form ständig verändert. Oberstes Prinzip ist das Nicht-Handeln bis hin zu einer Regierungsform, die auf Gesetzen, nicht auf dem Eingreifen der herrschenden Klasse beruht. Der einzige Weg zum sozialen Aufstieg ist die Bildung. Grund und Boden etwa waren unverkäufliches Eigentum des Staates, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden.
Für alle chinesischen Volksreligionen spielen die Geister der Toten eine tragende Rolle. Sie helfen bei der Alltagsbewältigung und bestärken die Einschätzung, daß die Welt von Geistern reichlich bevölkert ist. Zu ihrem „Überleben“ trägt diese Ausstellung (hoffentlich) ganz wesentlich bei …
 

Drei Kleinkinder mit Liedtext, aus dem Bauernkalender.

Art:futurum - Geister, Geld und Kindersegen. Sammlung Elisabeth Kurz.
Bis 27. 03.2022.
An Sonntagen von 11 – 17 Uhr. Sondertermine für Gruppen auf Anfrage.
Gerhart-Hauptmann-Straße 3 in 99734 Nordhausen.
Weitere Informationen: www.art.futurum, post@artfuturum.com, Tel. 01713608654.