100 Jahre Comic-Strip

Das Museum Huelsmann zeigt ab heute die Geschichte des Zeitungs-Comics

von Andreas Rehnolt und Frank Becker

© 1970/71 Illustrationsforlaget/Carlsen Verlag
Ausstellung zum
"Jahrhundert des Comics"


Museum Huelsmann in Bielefeld
widmet sich ab heute der
Geschichte des Zeitungs-Strips



Bielefeld
- Unter dem Titel "Jahrhundert der Comics" widmet sich das Museum Huelsmann von heute an in einer Ausstellung der Jahre des Zeitungs-Comic-Strips. Die Präsentation dokumentiert die aufregenden Comic-Zeiten vom Ende des 19. Jahrhunderts über 100 Jahre hinweg. Zu sehen sind gedruckte historische Exponate wie auch Originalzeichnungen der bedeutendsten Zeichner dieses Genres. Unter anderem werden in der bis zum 5. April 2009 laufenden Schau Zeichnungen von Lyonel Feininger (The Kin-der-Kids/Wee Willie Winkie´s World), Winsor McCay (Tales of the Jungle Imps/Little Nemo), Rudolph Dirks (The Katzenjammer Kids), Harold Knerr (The Flenheimer Kids/Dinglehoffer and His Dog), Bud Fisher (Mutt and Jeff), George Herriman (Bud Smith/Krazy Kat), Hal Foster (Tarzan of the Apes/Prince Valiant), Chester Gould (Dick Tracy) oder Walt Kelly,
d.i. Walter Crawford jr. (Pogo) präsentiert.

Comic-Seiten - erst Orientierungshilfe, dann Standard

Das Medium Comic-Strip - etwa zur gleichen Zeit wie der Film
entstanden - genoß Ende des 19. Jahrhunderts auf Anhieb allergrößte Popularität. In Form von großformatigen und farbigen Beilagen zu den amerikanischen Sonntagszeitungen zielten Comics insbesondere auf das Millionenheer der Einwanderer, die noch unsicher in Sprache und Gebräuchen der Neuen Welt waren. "Ausgeschlossen vom bürgerlichen Kulturleben wurde den Neubürgern mit den Comics eine eigene kulturelle Kommunikationsform geboten", hieß es in der Vorankündigung. Diese Kommunikationsform wirke heute in ihrer symbolischen Verknüpfung von Schrift- und Bildinformationen visionär. Nicht wenige der in den USA reüssierenden Zeichner waren Einwanderer aus Deutschland oder kamen aus deutschen Familien (u.a. Feininger, Dirks, Knerr). "Comics gehören, jedenfalls nach Ansicht eifriger Comic-Leser, zu den interessantesten Errungenschaften unseres Jahrhunderts", schrieb Axel Brück 1971 in seinem Vorwort zum ersten Band von "Weltbekannte Zeichenserien". Er behielt mit dieser Einschätzung Recht. Bis heute werden in den USA, in England und in Frankreich die Comic-Seiten der Sonntagszeitung zuerst aufgeschlagen, eine Kultur, die sich in Deutschland leider noch nicht hat etablieren können.

Intellektuelles Niveau

Bemerkenswert ist nämlich nach Angaben der Kuratoren der Schau auch das hohe intellektuelle sowie künstlerische Niveau der frühen Comics. Der spätere Bauhaus-Professor und Maler Feininger etwa konzipierte 1906 zwei Serien für die Zeitung "Chicago Tribune" (s.o.). Winsor McCay nahm ab 1904 in seinen von Freuds Traumdeutung inspirierten Serien den Surrealismus vorweg und George Herriman erprobte mit seiner Serie "Krazy Kat" lange vor den Comic-Katzen-Stars Felix the Cat von Pat Sullivan, dem legendären Tom aus "Tom und Jerry" von Fred Quimby/William Hanna/Joseph Barbera und Garfield aus der Feder von Jim Davis über 30 Jahre lang ein fantastisch skurriles Theater "irgendwo zwischen Dada-Subversion und Beckettscher Bühnen-Absurdität", so die Kuratoren in Bielefeld. Aus dem "Thimble Theatre" von Elzie Crisler Segar (1919) wurde 1930, nachdem 1929 die Figur des Popeye eingeführt worden war, einer der erfolgreichsten Comic-Strips aller Zeiten, später von Bud Sagendorf kongenial fortgeführt.

Von "Kin-der-Kids" bis "Zits"

Die Ausstellung, zu der ein über 200 Seiten starker vierfarbiger Katalog erscheinen wird, widmet sich auch den Zeiten der großen Depression und des Zweiten Weltkriegs. In diesen Jahren seien die Comics von immer umfangreicheren und realistischeren Erzählsträngen bestimmt worden, die den Leser an möglichst exotische Orte und in fantastische Welten entführten. In diesen Jahren entstanden auch die bis heute unvergeßlichen Abenteuer von "Tarzan" (Foster, 1929), "Flash Gordon" (Alex Raymond 1934) oder "Prinz Eisenherz" (Foster, 1937). Nach Angaben der Kuratoren war damals "alles, was von der Tristesse des Alltags ablenkte, willkommen". Auch Mandrake (1934) und "The Phantom", 1936 von Lee Falk gezeichnet, beide 60 Jahre lang erfolgreich, gehören in diese Zeit. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dann verschob sich der Fokus auf Familienthemen. "Blondie" von Murat "Chic" Young" war schon seit 1930 auf den Sonntagsseiten, "Hi and Lois" von Mort Walker und Dik Browne kam 1954 als Dauerbrenner dazu und seit 1997 ist "Zits" von Jerry Scott und Jim Borgman der internationale Abräumer.

Auch politisch auf der Höhe

Der Comic traute sich zunehmend, auch politisch Stellung zu beziehen. So zogen während des Zweiten Weltkriegs z.B. Carl Barks´ Donald Duck aus den Disney Studios und Superman von Jerry Siegel/Joe Shuster gegen die Nazis ins Feld. Ab 1964 spritzte "The Wizard of Id" von Johnny Hart und Brant Parker, in mittelalterliche Kostüme gesteckt, seine satirische Tinte auf die Westen der Mächtigen, und Dik Brownes "Hagar the Horrible" tat es ihm ab 1973 im Wikingergewand gleich.
Das Feld des Comic-Strip ist weit und sehr reich. Die wenigen hier nur aus dem Bereich des amerikanischen Comic-Strips genannten Namen können nur das Thema anreißen, das die Bielefelder Ausstellung ab heute zeigt.

Öffnungszeiten: Di-Sa: 14-18 Uhr, So: 11-18 Uhr

Internet: www.museumhuelsmann.de